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Finanzkrise: Wunsch nach Größe

Der deutsche Bankenmarkt ist seit jeher zersplittert. Nun bringt die Finanzkrise Bewegung in die Branche. Es bahnt sich ein Zweikampf zwischen Deutscher Bank und Commerzbank an.

Berlin - An seinem letzten Tag als Bankchef wurde Klaus-Peter Müller noch einmal angriffslustig. „Wir wollen bei einer Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft eine aktive Rolle spielen“, rief Müller in dieser Woche den Aktionären der Commerzbank zu, bevor er sich in den Aufsichtsrat wählen ließ. Übersetzt heißt das: „Wir gehen auf Einkaufstour.“

Bis zu 15 Milliarden Euro frisches Kapital genehmigten die Aktionäre der Commerzbank bei der Hauptversammlung. Damit ist ihre Kriegskasse fast so gut gefüllt wie die der Deutschen Bank. Eine Kampfansage – auch an deren Chef Josef Ackermann. Beide wittern die seltene Chance, auf dem Heimatmarkt zu wachsen. Nachdem es lange kaum Gelegenheit für Zukäufe im Inland gab, bringt nun ausgerechnet die Finanzkrise Schwung in den Markt. In den kommenden Monaten könnten gleich drei Institute zum Verkauf stehen: die Postbank, die Dresdner Bank und der deutsche Teil der Citibank.

Für die Deutsche Bank wäre vor allem die Postbank interessant. Die Tochter der Deutschen Post hat 14,5 Millionen Privatkunden – so viele wie sonst kein anderes einzelnes Institut in Deutschland. Sie wäre eine perfekte Ergänzung zum bisherigen Geschäft der Deutschen Bank, das zum Großteil im Ausland und dort im Investmentbanking stattfindet.

Doch auch die Commerzbank hat Interesse an der Postbank angemeldet. Für sie wäre der Kauf ein Schritt, um die eigene Existenz zu sichern. Denn mit einem Börsenwert von knapp 15 Milliarden Euro ist die zweitgrößte deutsche Bank international betrachtet ein Leichtgewicht – und damit ein potenzielles Übernahmeobjekt. Damit geht es ihr wie den meisten einheimischen Banken auf dem zersplitterten deutschen Markt. Neben den Sparkassen und den Volksbanken, die mehr als die Hälfte des Marktes abdecken, gibt es außer der Deutschen Bank kein Institut von europäischem Format. Analyst Konrad Becker von Merck Finck hält deshalb Fusionen für sinnvoll: „Wenn die deutschen Banken sich nicht zusammentun, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie – mit Ausnahme der Deutschen Bank – nur Opfer sind.“ Auch die Politik ist alarmiert: „Das ist die letzte Chance für die deutschen Banken, international mitzuspielen“, sagt Otto Bernhardt, finanzpolitischer Sprecher der Union.

Bei einem Verkauf der Postbank hätte die Politik durchaus ein Wort mitzureden. Denn der Bund ist mit 30 Prozent größter Einzelaktionär bei der Konzernmutter Deutsche Post. Bis Anfang 2009 kann die Regierung zudem per Vetorecht einen Verkauf der Postbank verhindern.

In Berlin sind die Vorlieben klar: Gewünscht wird eine zweite deutsche Bank von internationalem Format. Der Schlüssel dazu ist der Kauf der Postbank. „Die Commerzbank wäre mir am liebsten, dann kommt die Deutsche Bank“, sagt CDU-Mann Bernhardt. „Am wichtigsten ist aber, dass wir eine nationale Lösung bekommen.“ Auch in der SPD ist die Commerzbank Favorit: „Zwei starke Privatbanken sind besser als eine“, sagt der Finanzpolitiker Reinhard Schultz. „Aber auch das Geld muss stimmen“, gibt er zu bedenken. Rund sechs Milliarden Euro könnte der 50-Prozent-Anteil der Post an der Bank bringen, schätzen Experten.

Selbst wenn die Commerzbank bei der Postbank zum Zuge käme, wäre sie noch immer kein Riese: „Beide zusammen wären an der Börse zusammen gerade mal 25 Milliarden Euro wert. Das reicht noch lange nicht für die Top zehn in Europa“, sagt Analyst Becker. Dort hat jüngst ein Konsortium um die Royal Bank of Scotland die holländische ABN Amro übernommen – für sagenhafte 71 Milliarden Euro. Der Börsenwert der Deutschen Bank liegt bei 40 Milliarden Euro.

Umso wichtiger sind weitere Zukaufsmöglichkeiten. Eine davon könnte die Dresdner Bank sein. Sie steckt tief in der Krise und belastet die Mutter Allianz. Wie es heißt, will der Versicherungskonzern die Bank daher lieber heute als morgen loswerden. Bestätigt hat die Allianz das bisher nicht. Aber sie hat angekündigt, das Privat- und Firmenkundengeschäft bis August in eine neue Gesellschaft auszugliedern. Spekuliert wird auch, die Allianz könnte die Postbank kaufen oder die Dresdner Bank mit Postbank und Commerzbank in ein Dreierbündnis einbringen. Doch dies halten Experten für eher unrealistisch. „Die Allianz hat in den letzten Jahren nur unter der Dresdner Bank gelitten“, sagt Analyst Becker. „Jetzt will sie den Anteil des Bankgeschäftes herunterfahren.“ Auch das Dreierbündnis sei wenig wahrscheinlich. Das Problem: die Überschneidungen bei Filialen und Kunden von Commerzbank und Dresdner Bank. „Das gäbe ein riesiges Blutbad, vor allem unter den Beschäftigten.“

So läuft also alles auf den Zweikampf zwischen Deutscher Bank und Commerzbank heraus. Der dritte Kandidat, um den sie sich balgen könnten, wäre die Citibank, das Deutschlandgeschäft des US-Finanzkonzerns Citigroup. Die größte Bank der USA steckt tiefer in der Krise als alle anderen Institute. Der neue Chef Vikram Pandit hat deshalb angekündigt, große Teile des Geschäfts zu verkaufen. Wie die Citibank am Freitag bestätigte, steht auch das Deutschlandgeschäft mit rund 3,25 Millionen Privatkunden zur Disposition. In Branchenkreisen heißt es, das Paket sei drei bis vier Milliarden Euro wert. Leicht zu stemmen für Commerzbank und Deutsche Bank, die schon Interesse angemeldet haben. Doch auch ein dritter möglicher Bieter hat seinen Hut in den Ring geworfen: die Postbank. Macht sie das Rennen, würde sie als Übernahmekandidat noch attraktiver – und ein bisschen teurer.

Stefan Kaiser

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