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Wärme mit Potenzial. Kraftwerke und andere Anlagen liefern eine Vielzahl von Daten. Wer sie systematisch auswertet, kann daraus neue Dienste entwickeln.

© Doris Spiekermann-Klaas

Digitalisierung: Zentralen der Vernetzung

In Berlin kommt die Digitalisierung voran. Verantwortlich dafür ist in erster Linie die Wirtschaft.

Intelligente Lösungen zum Jobsharing, eine zweite Arztmeinung über das Internet, im Netz surfen mit gutem Gewissen: Metropolen wie Berlin sind Wachstumszentren der Digitalisierung in Deutschland. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Stadt, Land, Netz“, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart für die Deutsche Bank erstellt hat. Der Grund dafür, dass urbane Räume besonders innovationsstark sind, liegt für die Wissenschaftler nah: Dort säßen die einflussreichen Firmen und die wichtigen wissenschaftlichen Institute. „Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind die Treiber der Innovation“, sagt IAO-Experte Steffen Braun, der die Studie mit seiner Kollegin Constanze Heydkamp erarbeitet hat. Von den 100 Projekten, die die Wissenschaftler unter die Lupe genommen haben, wurden mehr als die Hälfte von Unternehmen ins Leben gerufen, ein Viertel gehen auf die Initiative von Forschern zurück.

Ein ähnlich eindeutiges Bild zeigt sich bei der Umsetzung: Jedes dritte Projekt wird von einer Firma betreut, jedes fünfte von einer wissenschaftlichen Einrichtung. Die Städte bilden also lediglich den Rahmen für die zunehmende Digitalisierung. Als Beteiligte treten die Verwaltungen nur selten in Erscheinung. Das, so die Autoren, müsse sich ändern.

Kommunen sitzen auf wertvollen Datenbergen

Digitale Ampelsteuerungen, Energie- und Wasserversorgung, Abfallmanagement – allein bei den grundlegenden Aufgaben, die die Kommunen oft in Eigenregie wahrnehmen, entstehen Berge von Daten. „In urbanen Zentren werden mittels digitaler Technik Unmengen von Informationen gesammelt und evaluiert“, sagt Constanze Heydkamp. „Nur nicht von den Städten selbst.“ Die Kommunen sollten sich die Chance nicht länger entgehen lassen. Das Argument von chronisch leeren Kassen vieler Städte und Gemeinden lassen die Forscher nicht gelten. Crowdsourcing-Apps, bei denen viele einzelne Bürger zum Beispiel Wetter- oder Verkehrsdaten zu einem Strom zusammenführen, seien eine moderne und kostengünstige Lösung.

Die Forderung nach solchen Lösungen sollte die Berliner Verantwortlichen aufhorchen lassen. Zwar hat die Bundeshauptstadt inzwischen ein Smart-City- Konzept. An der Umsetzung mangelt es aber oft. Erst kürzlich scheiterte der Senat mit seiner millionenschweren Bewerbung um Fördergelder in Brüssel. Mit Partnern aus Industrie und Forschung, unter anderem mit den Instituten Fraunhofer Fokus und InnoZ, sollte die Gartenstadt Lichterfelde in den kommenden Jahren „intelligent vernetzt“ werden. Ein Rückschlag, wie Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) zugibt. Aufgeben will sie aber nicht, auch wenn nun völlig unklar ist, wie realistisch Projekte wie das in Lichterfelde ohne Fördermillionen sind. „Wir haben in Berlin viele Leuchtturmprojekte für eine smarte City“, sagte Yzer kürzlich anlässlich eines Besuchs in Wien. Die österreichische Hauptstadt gilt als Vorzeigebeispiel für eine vernetzte Stadt im Zeitalter der Digitalisierung.

Berlin hat oft noch Nachholbedarf

Was das angeht, ziehen Yzer und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) an einem Strang. Müller betont bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Berlin zur führenden Smart City machen zu wollen. „Nur mitzumachen, das ist mir für die Bundeshauptstadt zu wenig“, sagt er. Angesichts wochenlanger Wartezeiten auf Termine in Bürgerämtern scheint dieses Ziel aber noch weit entfernt. E-Government, bei dem Bürger und Unternehmen möglichst viele Dienstleistungen der Verwaltung schnell und unkompliziert online in Anspruch nehmen können, ist eines der zentralen Merkmale einer funktionierenden Smart City. „Zu einer Smart City gehören digitale Bürgerdienste“, sagt Yzer. „Da haben wir in Berlin Nachholbedarf.“

Doch grundsätzlich sind die Voraussetzungen für Berlin, sich zu einer digitalen und vernetzten Hauptstadt zu entwickeln, gegeben. Nach einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom halten drei von vier Unternehmensgründern Berlin für den besten Ort, um ein Start-up aufzubauen. Eine Beobachtung, die die IAO-Forscher durchaus teilen. Von den 100 Projekten, die sie im Rahmen des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ untersucht haben, kommt ein Viertel aus der Hauptstadt.

Digitale Entwicklung kann Menschen vernetzen

„Berlin ist der Nukleus der digitalen Entwicklung hierzulande“, stellt Steffen Braun fest. Auffällig sei, dass es bei vielen Ideen nicht ausschließlich um den wirtschaftlichen Erfolg gehe. Im Fokus stehe zum Beispiel auch der Wunsch, Menschen untereinander sinnvoll zu vernetzen. Wer etwa eine Teilzeitstelle sucht, findet auf der Plattform Tandemploy Gleichgesinnte. „Viele Stellen sind als Vollzeitstellen ausgeschrieben“, erläutert Constanze Heydkamp. Finden sich auf Tandemploy zwei Suchende, können sie sich gemeinsam auf die Stelle bewerben. Das Online-Portal Medexo wiederum ermöglicht Patienten, sich unkompliziert eine zweite Arztmeinung zu ihrer Diagnose einzuholen. Das spart Zeit und die mögliche lange Anfahrt zu einem zweiten Spezialisten. Auch das Thema Nachhaltigkeit ist mit der Digitalisierung verbunden. Durch ihren hohen Bedarf an Serverkapazitäten verursachen Internetdienste oft einen enormen Stromverbrauch. Die Suchmaschine Ecosia spendet deshalb 80 Prozent ihrer Überschüsse an Aufforstungsprojekte: Der Nutzer soll mit gutem Gewissen surfen.

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