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Wenn Windstille und Dunkelheit zusammenfallen, müssen andere Technologien als Solar- und Windkraft bereitstehen.

© IMAGO/Daniel Reinhardt/imago

Energiestrategie der Bundesregierung: Ist die Stromversorgung auch in der dunklen Jahreszeit gesichert?

Die Zuwächse bei den Erneuerbaren Energien sind groß, doch wenn gleichzeitig Windstille und Dunkelheit herrschen, müssen andere Energiequellen bereitstehen. Wie kann man sich darauf vorbereiten?

Von
  • Christian Rehtanz
  • Patrick Jochem
  • Andreas Löschel

Bis zum Jahr 2030, so lautet das erklärte Ziel Deutschlands, sollen Erneuerbare Energien, vor allem Wind- und Solarenergie, mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs decken. Die Bundesregierung will dazu noch im Herbst eine Kraftwerksstrategie vorlegen, die auch aufzeigen soll, wie viele mit fossilen Brennstoffen befeuerte Kraftwerke wie etwa Gasturbinen als Back-up für Zeiten gebaut werden sollen, in denen Windkraft- und Solarstromanlagen wenig Strom erzeugen.

Bislang diskutierte Zahlen deuten auf mögliche Engpässe, vor allem im Winter, doch die Unsicherheiten sind groß. Das gilt etwa für die Fragen, in welchem Umfang Verbraucher bereit sind, ihren Bedarf an die Stromerzeugung anzupassen, und in welchem Umfang das technisch möglich ist. Forschende gaben dem Tagesspiegel ihre Einschätzungen. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Fehlende Preisanreize für Verbraucher

Kurzfristig können wir gut vorhersagen, wie Stromerzeugung und -verbrauch zusammenspielen. Für das Jahr 2030 ist das schwieriger. Wir sehen in den Wetterdaten, dass sich die Bedingungen für die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik durch den Klimawandel ändern könnten. Das heißt, es gibt durchaus Unsicherheiten auf der Angebotsseite. Dazu kommen Unsicherheiten auf der Nachfrageseite, etwa bei der Bestimmung der Residuallast – wie viel Bedarf über die Einspeisung aus Solar- und Windenergie hinaus gedeckt werden muss.

Noch viel größer sind die Unsicherheiten bei der Flexibilität der Nachfrage. Bislang sind die Preisanreize für Verbraucher viel zu gering, um die Nachfrage nach dem Angebot auszurichten, sowohl für die Industrie als auch für private Haushalte. Wir brauchen dort Anbieter, die flexible Strompreise anbieten, mehr intelligente Stromzähler, die erhobene Daten weitersenden, und Energiemanagement-Systeme für Haushalte, um die Flexibilität besser abschätzen zu können.


Investitionen fließen ins Ausland

Im Netzentwicklungsplan für Deutschland ist ein nennenswerter Ausbau von Gaskraftwerken bereits enthalten. Die Frage ist, wer diese Kraftwerke baut. Viele deutsche Firmen, auch Kraftwerksbetreiber und Versicherungen, würden gerne in Zukunftstechnologien für die Energiewende investieren. Sie tun das derzeit aber vor allem im Ausland, weil in Deutschland der starke Anreiz fehlt, in die Vorhaltung von Kraftwerken zu investieren. Daher sind die Unternehmen bislang sehr vorsichtig.

Bis 2030 werden wir, wenn sich in diesem Bereich nicht massiv etwas beschleunigt, nur wenige oder keine neuen Gaskraftwerke sehen. Wenn wir zudem die Potenziale der Flexibilität nicht voll erschließen, wird die Konsequenz sein, dass wir Kohlekraftwerke eben nicht aus dem Markt nehmen können, obwohl die Betreiber selbst das wahrscheinlich tun würden. Wir müssen zudem darauf achten, nicht zu knapp zu kalkulieren, damit die Versorgung bei ungünstigem Wetter, oder wenn einzelne Kraftwerke ausfallen, nicht gleich gefährdet ist.


Förderung ist zu vielfältig

Bislang galt die Devise: Der Strommarkt gewährleistet die Refinanzierung von Investitionen in Kraftwerkskapazitäten. Der Staat greift zur Sicherung der Stromversorgung nicht in den Markt ein. Dieses Vertrauen in den Verzicht auf Markteingriffe wurde im Zuge des sehr volatilen Energiepreisumfeldes und vor allem im Zuge des vergangenen Krisenmanagements massiv geschädigt.

Noch dazu wurde der Aufbau und Erhalt von Kraftwerkskapazitäten über eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Instrumente gefördert. Dabei fehlte es an einer integrierten Betrachtung, was die Effektivität des bisherigen Vorgehens deutlich infrage stellt. Deshalb sollte unbedingt die Ertragskraft des Strommarktes und das Vertrauen in den regulativen Rahmen gestärkt werden. Reicht das nicht aus, dann sollten keine neuen Förder-Silos für bestimmte Technologien errichtet werden. Stattdessen sollten steuerbare Kapazitäten, Nachfrageflexibilität und Speicher möglichst technologieoffen nebeneinandergestellt werden.

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