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Der Sommer 2022 schlug in Europa viele Rekorde und ließ die Natur leiden. Hier ein Sonnenblumenfeld in der Region Rhône-Alpes in der Nähe von Lyon im Südosten Frankreichs, das durch die Dürre ausgetrocknet war.

© Foto: dpa / OLIVIER CHASSIGNOLE

Update

Europa als Hot-Spot der Erwärmung: In Deutschland ist es besonders warm

Deutscher Wetterdienst misst Zehn-Monats-Rekord, auch Nord- und Ostsee zu warm. Die vergangenen acht Jahre waren wohl auch weltweit die wärmste Phase seit Aufzeichnungsbeginn.

Die ersten zehn Monate des Jahres 2022 sind in Deutschland mit 11,8 Grad die wärmste Januar-Oktober-Periode seit Aufzeichnungsbeginn 1881. Das geht aus einer Zwischenbilanz hervor, die der Deutschen Wetterdienst (DWD) am Montag vorgelegt hat. Es folgen die entsprechenden Zeiträume 2018 und 2020 mit jeweils 11,6 Grad.

Nach den Erhebungen des DWD traten hierzulande neun der zehn wärmsten Januar-Oktober-Perioden im 21. Jahrhundert auf. Wie das Jahr 2022 insgesamt in Deutschland ausfallen wird, lässt sich aktuell noch nicht genau abschätzen. Dazu wird der DWD im Dezember eine Bilanz vorlegen.

Dies spiegeln auch Analysen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), das in diesem Jahr eine Erwärmung weiter Bereiche der Nordsee und Ostsee festgestellt hat. In der Nordsee lagen demnach die Oberflächentemperaturen im Sommer 2022 insgesamt über dem langjährigen Mittel - besonders im südwestlichen Teil, wo es ein grad wärmer war. In der Ostsee lagen die Oberflächentemperaturen im Sommer 2022 großflächig 1,5 Grad über dem langjährigen Mittel. 

Das BSH verzeichnete auch mehrere marine Hitzewellen - an mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage mit ungewöhnlich hohen Temperaturen. „Wärmere Meere beeinflussen nicht nur die Meeresumwelt, sondern auch das Wetter und Klima“. so die Expert:innen des BSH.

Vermutlich waren die vergangenen acht Jahre sogar weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Zu dem Ergebnis kommt nun die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in ihrem vorläufigen „State of the Global Climate Report 2022“. Die globale Durchschnittstemperatur liegt nach aktuellen Schätzungen der Wissenschaftler 1,15 Grad über dem Niveau von 1850 bis 1900. Der Anstieg setze sich fort.

Für viele Gletscher ist es schon zu spät. Die Schmelze wird hunderte, wenn nicht tausende Jahre andauern.

Petteri Taalas, WMO-Generalsekretär

Die Erwärmung der Ozeane erreichte laut dem Bericht 2021 einen neuen Rekordwert. Die Anzeichen und Auswirkungen des Klimawandels würden immer dramatischer, heißt es in dem vorläufigen Jahresbericht zum globalen Klima, den die WMO in diesen Tagen auf dem Weltklimagipfel in Scharm El-Scheich veröffentlichte.

Demnach stiegen die Meeresspiegel global zuletzt doppelt so schnell wie Anfang der 1990er-Jahre. Messungen deuten auch darauf hin, dass die Alpengletscher im vergangenen Sommer so stark schmolzen wie nie zuvor. Sie verloren dem Bericht zufolge in diesem Sommer zwischen drei und mehr als vier Metern Eisdicke. Das ist bedeutend mehr als im letzten Rekordjahr 2003. Seit 2001 schrumpfte die Fläche der Schweizer Gletscher um gut ein Drittel von 77 auf 49 Quadratkilometer.

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Erstmals in der Geschichte blieb selbst an den höchsten Messstationen der Schweizer Alpen kein Schnee über den Sommer liegen. „Es ist schon zu spät für viele Gletscher“, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. „Die Schmelze wird hunderte, wenn nicht tausende Jahre andauern, mit weitreichenden Auswirkungen für die Trinkwassersicherheit“, so der Wissenschaftler.

Die Hebung der Meeresspiegel, auch wenn sie in Millimetern pro Jahr gemessen wird, summiere sich auf einen halben bis einen Meter in einem Jahrhundert; damit seien viele Millionen Menschen und niedrig gelegene Staaten in Gefahr, sagte Taalas. Der mittlere globale Meeresspiegel hob sich laut Satellitenmessungen in den vergangenen 30 Jahren um etwa 3,4 Millimeter pro Jahr; das Tempo verdoppelte sich dabei von jährlich 2,1 Millimeter im ersten Jahrzehnt dieses Zeitraums auf 4,4 Millimeter im letzten Jahrzehnt.

40
Jahre dauert die bislang längste Dürrephase in Ostafrika bereits an

In Ostafrika dauert unterdessen die längste Dürreperiode seit 40 Jahren an; Indien und Pakistan erlebten im März und April extreme Hitzewellen, während im Süden Afrikas sowie Kuba und Florida Wirbelstürme für Verwüstung und Überschwemmungen sorgten. China und Europa verzeichneten einen ungewöhnlich heißen und trockenen Sommer. Flüsse erreichten kritisch niedrige Pegel.

Der Temperaturanstieg der Weltmeere, die eine wichtige Rolle bei der Wärmespeicherung spielen, verlief ebenfalls schneller und wird sich nach Einschätzung der Wissenschaftler über Jahrhunderte nicht umkehren lassen. Die Meeres-Eisfläche in der Antarktis hatte im Februar die geringste je gemessene Ausdehnung, etwa zwei Drittel des langjährigen Durchschnitts. Auch der Nordpol war die meiste Zeit des Jahres weniger vereist als üblich.

Laut dem WMO-Bericht erreichte die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid vergangenes Jahr neue Höchstwerte; der Trend setze sich wahrscheinlich fort. Mit dem jetzigen Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre lasse sich das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens kaum mehr einhalten. Ungeachtet einer Abkühlung durch das Wetterphänomen La Nina seien die Jahre 2015 bis 2022 voraussichtlich die wärmsten je registrierten.

Bei der Erderwärmung erweist sich gerade auch Europa als Hotspot. Hier sind die Temperaturen in den vergangenen 30 Jahren mehr als doppelt so schnell gestiegen wie im globalen Durchschnitt, so die WMO, die unlängst zusammen mit dem europäischen Erdbeobachtungssystem Copernicus in Reading den Klimazustandsbericht Europa vorgelegt hat.

Im Zeitraum 1991 bis 2021 sind demnach die Temperaturen in Europa durchschnittlich um 0,5 Grad pro Dekade gestiegen. Sie steigen in der Arktis und in höheren nördlichen Breiten der Erde besonders schnell. Zudem erwärmt sich die Luft über Kontinenten im Schnitt rascher als über Ozeanen.

Die Alpengletscher hätten von 1997 bis 2021 rund 30 Meter ihrer Eisdicke verloren, heißt es in dem Europa-Bericht. Der Eisschild Grönlands schmelze und beschleunige den Anstieg des Meeresspiegels. Im Sommer 2021 wurde dort am höchsten Punkt auf gut 3200 Metern erstmals seit Beginn der Messungen in den 1980er Jahren Regen statt Schnee registriert. (mit KNA)

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