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Die erste Sternwarte Berlins stand in der heutigen Dorotheenstraße in Mitte.

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Tagesrückspiegel – Heute vor 312 Jahren: Berliner Weitblick

Heute schaut das Milliarden Dollar teure „Webb“-Teleskop in die Tiefe des Universums - und signalisiert auf Erden Fortschritt und Entdeckergeist. Vor 300 Jahren waren die Motive ähnlich.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Dass Berliner mitunter recht großspurig daher kommen und ihre Welt-und Hauptstadtallüren pflegen, ist ein bundesweit bekanntes Vorurteil. Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhundert kämpfte das piefige Großdorf inmitten Brandenburgs jedoch noch um Anerkennung, einem Vergleich mit Paris oder London hielt es, trotz preußischem Hofe und rasch wachsender Bevölkerung noch längst nicht stand.

Punkte in Sachen Metropolenambiente lassen sich bekanntlich mit Statussymbolen sammeln, Flughäfen etwa. Das kam in dieser Zeit allerdings noch nicht in Frage, In Ermangelung an Flugzeugen, weshalb die preußische Gloria Fortschrittwillen und Weltoffenheit anderweitig demonstrierte - mit Tempeln der Wissenschaft. Dazu zählte neben zahlreichen Universitätsgebäuden auch die erste Sternwarte, die sich das aufstrebende Häuser-, Straßen- und Menschenkonglomerat gönnte.

In der heutigen Dorotheenstraße im Stadtbezirk Mitte entstand zwischen 1696 bis 1700 unter der Führung des Architekten Martin Grünberg und im Auftrag der im Jahr 1700 gegründeten „Societät der Wissenschaften” ein Bau mit fünfstöckigem, 27 Meter hohem Turm, von dem die preußischen Astronomen den Himmel über Berlin erforschen sollten. Am 19. Januar 1711, vor 312 Jahren, wurde die erste Sternwarte Berlins feierlich eröffnet.

Das All allein blieb allerdings nicht im Fokus der Sternwartenbetreiber. Der Turm wurde zwischen 1832 und 1849 auch zur Übertragung von „Flügelsignalen“ genutzt. Was die Berliner Signalmasten zeigten, wurde über insgesamt 62 Stationen über Köln bis nach Koblenz übertragen - eine Art optischer Telegraph.

1835 zog die Sternwarte samt Teleskop nach Kreuzberg, in die Neue Berliner Sternwarte. Dort gelangen dann Entdeckungen, die Berlin tatsächlich weltweite Aufmerksamkeit verschafften: Etwa als 1837 entdeckt wurde, dass der Ring des Planeten Saturn aus vielen Einzelringen besteht. Kometen und Asteroiden wurden entdeckt und ihre Bahnen beschrieben. Und sogar der Planet Neptun wurde dort 1846 von den Astronomen Johann Gottfried Galle und Heinrich Louis d´ Arrest aufgespürt.

Der alte, erste Sternwartenturm wurde am 3. Juli 1903 schließlich abgerissen. Ob er den Blick der Berliner über den eigenen Bauchnabel hinaus geweitet hat? Vielleicht ein bisschen.

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