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Ein Stachelrochen.

© Getty Images/Luis Diaz Devesa /SYMBOLFOTO

Überraschende Jungfernzeugung: Charlotte, die Maria unter den Rochen

Dann eben ohne Mann. Das beschloss offenbar das seit Jahren einsam in einem US-Aquarium herumschwimmende Rochenweibchen „Charlotte“, wurde ohne Begattung trächtig und zur Internetberühmtheit.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

„Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich“, dichtete einst Herbert Grönemeyer. Nun ja, der Bochum-Barde lag falsch. Das beweist in diesen Tagen einmal mehr eine Stachelrochen-Dame. Obwohl „Charlotte“ seit über acht Jahren ohne einen einzigen männlichen Lebensabschnittsbegleiter in einem Aquarium in Hendersonville, North-Carolina, umherschwimmt, ist sie jetzt trotzdem mit drei oder vier Mini-Rochen schwanger. Zur großen Begeisterung der ein Marienereignis wähnenden Öffentlichkeit in den USA.

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Für Biologen sind derartige Fälle von Jungfernzeugung nicht ganz so überraschend. Parthenogenese, die Selbstbefruchtung und Entwicklung von Eizellen ohne Spermien oder sonstigen männlichen Einfluss, ist im Tierreich keine Seltenheit (siehe Erbonkel-Folge 45). Sowohl bei Würmern und Insekten als auch Krebsen und diversen Wirbeltierarten verzichten die Weibchen – bei einigen Arten immer (obligativ), bei anderen nur gelegentlich (fakultativ) – auf das Balzbrimborium, die peinlichen Paarungsrituale und den Streit um die Erziehung der Brut.

Rochen mit Bauch: Obwohl „Charlotte“ seit Jahren ohne ein Männchen in ihrem Aquarium lebt, ist sie jetzt schwanger. Eine Jungfernzeugung?
Rochen mit Bauch: Obwohl „Charlotte“ seit Jahren ohne ein Männchen in ihrem Aquarium lebt, ist sie jetzt schwanger. Eine Jungfernzeugung?

© AFP/HANDOUT

Ungewöhnlich ist der Fall Charlotte dennoch. Denn obwohl bekannt ist, dass Jungfernzeugung bei Rochen, etwa dem Schmalzahn-Sägerochen Pristis pectinata, vorkommt, wurde männerlose Fortpflanzung bei Kalifornischen Rundstechrochen (Urobatis halleri) wie Charlotte noch nie beobachtet.

Weshalb anfangs die Haie, die mit Charlotte im Becken ihre Runden drehen und sie mitunter auch traktieren, der Sodomie bezichtigt wurden. Aber selbst wenn sie es aus Langeweile mal versucht haben sollten, wäre das Erbgut von Haien und Rochen, deren letzter gemeinsamer Vorfahr vor 300 Millionen Jahre lebte, so kompatibel wie die DNA von Mensch und Dinosaurier.

Weit wahrscheinlicher ist, dass Biologen bisher zu wenigen Rundstechrochen beim Sex zugeschaut haben, um zu bemerken, dass es bei ihnen gelegentlich auch ohne geht. Oder aber Charlotte ist ein Einzelfall und ihre Fähigkeit zur Jungfernzeugung eine zufällige Reaktivierung alter Gene parthenogenetischer Vorfahren, ein „Atavismus“. So, wie es gelegentlich Menschen mit schwanzartig verlängertem Steißbein gibt. Der „Jurassic-Park“-Biologe Jeff Goldblum würde sagen: „Die Natur findet immer einen Weg.“ Glückwunsch, Charlotte!

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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