zum Hauptinhalt
Ausstellungsabsage von Zoé Samudzi in Dresden

© instagram/babywasu, imago/Ullrich Gnoth / Collage: Seuffert/Tagesspiegel

Abgesagte Ausstellung in den Dresdner Kunstsammlungen: Wenn die Politik ins Museum hineinspielt

Die Soziologin Zoé Samudzi nannte die deutsche Außenpolitik „genozidal“ und zog nach Kritik ihre Ausstellung über Kolonialismus und die DDR einen Tag vor der Eröffnung zurück. Vorfälle dieser Art häufen sich.

Das kennt man bereits im Kunstbetrieb, seit die Fronten härter geworden sind: abgesagte Ausstellungsteilnahmen, plötzliche Rückzüge von Nominierten für Preise und Stipendien. Dass aber von einer Kuratorin die eigene Ausstellung am Vortag der Eröffnung gecancelt wird, ist neu und deutet auf eine zunehmende Verschärfung der Konflikte mit den öffentlichen Institutionen hin.

So geschehen vergangene Woche in Dresden, wo die amerikanisch-simbabwische Soziologin Zoé Samudzi ihre Schau „Das Jahr 1983“ kurzfristig absagte, nachdem es zu einer Auseinandersetzung über Formulierungen gekommen war, sowohl bei Wandtexten als auch in einem Post von ihr auf Instagram. Mit einem diese Woche nachgereichten Statement versuchen die Staatlichen Kunstsammlungen nun die Wogen zu glätten.

Solche Manöver könnten in Zukunft noch öfter vorkommen. Die Auseinandersetzungen um Ausstellungen haben zugenommen, seitdem die kontroverse Documenta fifteen 2022 einen Antisemitismus-Skandal auslöste. Seit dem Terroranschlag der Hamas im vergangenen Oktober und den kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza stieg das Konfliktpotenzial noch mal deutlich. Der von Kulturstaatsministerin Claudia Roth vorgelegte Code of Conduct, der die Zusammenarbeit öffentlich geförderter Institutionen mit BDS-nahen Künstlerinnen und Kuratoren unterbinden soll, um Konfrontationen zu vermeiden, erweist sich in der Praxis allerdings als kompliziert. Aus gutem Grund werden sich die Kuratoren der kommenden Documenta dieser Verhaltensregel deshalb nicht explizit zu unterwerfen müssen.

War die Einladung an Zoé Samudzi naiv?

Erst kürzlich schlidderten die Hamburger Deichtorhallen mit einem streitbaren Künstlerbeitrag in ihrer Ausstellung „Survival in the 21st Century“ nur knapp an einem Skandal vorbei. Nun führen sie exemplarisch vor, wie es gehen kann – wenn auch nicht sehr befriedigend. Dort wird das kritische Statement des indigenen Künstlerkollektivs „New Red Order“, wonach eine direkte Linie von der Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner zum Holocaust und weiter zum „Genozid“ in Gaza führen würde, durch eine daneben platzierte Erwiderung der Kuratoren ergänzt, die sich davon ausdrücklich distanzieren.

Ob es in Dresden ähnlich ausgesehen hätte? Dort kam es jetzt gar nicht erst zur öffentlichen Rede und Gegenrede. Die Kuratorin fühlte sich bei den kurz vor Eröffnung auftauchenden Kontroversen wie ein ungezogenes Kind behandelt und ihre wissenschaftliche Arbeit diskreditiert, weshalb sie die komplette Ausstellung zurückzog. Bei allem verwundert allerdings zunächst, dass diese Gespräche erst so kurz vor der Vernissage stattfanden, ja die Inhalte der Ausstellung wenige Tage vor Eröffnung nicht einmal bekannt waren. Handelten die Verantwortlichen der Forschungsabteilung der Staatlichen Kunstsammlungen also naiv, als sie Zoé Samudzi wegen ihrer herausragenden Expertise einluden?

Der Kunstbetrieb steht unter einem immensen Druck

Dabei klingt spannend, was geplant war. Die Ausstellung sollte das zweite Kapitel in einer dreiteiligen Reihe unter dem Titel „Sequenzen: Verflochtene Internationalismen“ bilden, bei der es um die DDR und die deutsche koloniale Vergangenheit in Namibia ging. Ähnlich wie bei der vorherigen Ausstellung „Revolutionary Romances“ sollte offengelegt werden, „wie „sozialistische Solidarität und Freundschaft“ Vergangenes bemäntelte, hier insbesondere die Verbrechen der deutschen Kolonialmacht. Unter anderem wären neue Forschungsergebnisse durch das Kollektiv Forensis/Forensic Architecture vorgestellt worden.

Der Konflikt entzündete sich diesmal nicht direkt am Israel-Konflikt, auch wenn Mitglieder des Londoner Künstlerkollektivs Forensic Architecture die BDS-Kampagne unterstützen, sondern an Äußerungen von Zoé Samudzi zur Außenpolitik der Bundesrepublik, wonach „Deutschland weiterhin den Völkermord an den Ovaherero und Nama leugnet“. Auf Instagram nannte sie Deutschlands Außenpolitik genozidal und immer noch „eng verbunden mit den Grausamkeiten des faschistischen Imperialismus“. Dass die Staatlichen Kunstsammlungen deshalb ihre im Ausstellungsraum angebrachten Texte mit einem Hinweis auf ihre Autorschaft versehen wollte, um ihre Position einzuhegen, lehnte die Soziologin ab.

Der Dresdner Fall zeigt, wie schwierig die Arbeit in den Ausstellungshäusern geworden ist. „Das Scheitern unserer Aushandlungen ist auch Ausdruck und Ergebniis von Ängsten, Missverständnissen und gegenseitigem Misstrauen – in einer Zeit, in der Kuratorinnen, Künstler und kulturelle Institutionen einem immensen Druck und Instrumentalisierungsversuchen aus unterschiedlichsten Richtungen ausgesetzt sind“, steht in der Stellungnahme der Staatlichen Kunstsammlungen, die sich zugleich bei der Kuratorin für die „Tonalität“ ihrer Kommunikation entschuldigen.

Nun soll das Scheitern als Chance genutzt werden, wie es heißt. Die Aufarbeitung schwerwiegenden Unrechts werde fortgesetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false