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Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten sind jüngster Zeit wiederholt aufgedeckt worden. Im aktuellen Fall geht es allerdings um ein nicht-wissenschaftliches Buch.

© Kitty Kleist-Heinrich TSP

„Besser wissen“: Brisantes Populär-Plagiat

Wenn Forschende ihren Ruf auch öffentlicher Kommunikation verdanken, müssen dafür ähnliche Standards gelten wie für Fachpublikationen.

Eine Kolumne von Holger Wormer

Mit dem Abschreiben ist es so eine Sache. Es kann ein Indiz für Faulheit, Dummheit, Ideenlosigkeit oder Schusseligkeit sein. Wie es zu bewerten ist, wenn man geistiges Eigentum übernimmt, hängt aber auch von den Umständen ab: In der Wissenschaft gehört es zum Handwerk, Gedanken anderer systematisch zusammenzuführen; wenn die Quellen sauber zitiert sind, ist das nicht gleichzusetzen mit der landläufigen Idee des Abschreibens.

Unter anderen Umständen hilft Zitieren wenig: Wer im Schulbus die hastig abgeschriebene Hausaufgabe für den Politikunterricht mit einem „Heute früh übernommen von Kumpel Karl und Freundin Franziska“ kennzeichnet, wird im Unterricht vermutlich trotzdem ein „ungenügend“ bekommen.

Wenn Prominente unter dem Verdacht des Abschreibens stehen, wird gerne mit den Umständen argumentiert. So tauchte im Falle der Plagiatsvorwürfe gegen die Bonner Politikprofessorin Ulrike Guérot die Behauptung auf, der Vorwurf beziehe sich nur auf ein „nicht-wissenschaftliches Buch“. Das ist schon insofern erst einmal erstaunlich, als ein Plagiat auch außerhalb der Wissenschaft eine strafbare Urheberrechtsverletzung sein kann. Ein Indiz für die Vertrauenswürdigkeit einer abschreibenden Person ist es zudem nicht.

Über die wird in den Aufregungs-Communities im Netz ohnehin schon genug debattiert, immerhin handelt es sich in diesem Falle um eine Professorin, die durch eine Reihe fragwürdiger Äußerungen aufgefallen war, die indes (selbst im Falle von Unsinn) meist durch die Meinungsfreiheit gedeckt wären. Jenseits der Person lohnt aber auch hier die Frage nach den Umständen: Wäre es für die Wissenschaft wirklich kein Problem, wenn Forschende „nur“ in populärwissenschaftlichen Sachbüchern plagiieren?

Standards wissenschaftlicher Redlichkeit und Qualitätskontrolle sind auch in der nach außen gerichteten Kommunikation stets einzuhalten.

Gemeinsamen Empfehlung der Wissenschaftsakademien

Immerhin gilt öffentliche Kommunikation von Forschenden längst als Leistungsmaß im Wissenschaftssystem selbst. „Standards wissenschaftlicher Redlichkeit und Qualitätskontrolle sind auch in der nach außen gerichteten Kommunikation stets einzuhalten“, haben die Wissenschaftsakademien daher bereits in gemeinsamen Empfehlungen gefordert.

Ein Blick ins NRW-Hochschulgesetz lohnt sich ebenfalls: „Fachbezogene Leistungen in der Praxis“, also außerhalb der Wissenschaft, können bei Berufungen als Ersatz für Forschungsleistungen anerkannt werden. Wenn es diese Leistungen aber so gar nicht gab, weil vielleicht im Bus zur Hochschule häufiger abgeschrieben wurde, kann es ein „ungenügend“ geben (dann auch „Anstellungsbetrug“ genannt).

Für Gremien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis wird es jedenfalls Zeit hinzuschauen, ob gewisse Mindeststandards in der populärwissenschaftlichen Kommunikation eingehalten werden. Dazu gehören nicht nur Plagiate, sondern beispielsweise auch populäre Bücher – oft geschrieben von Ghostwritern, nicht von Professoren.

In dieser Kolumne schreiben Annette Leßmöllmann und Holger Wormer im Wechsel darüber, wie Wissen aus der Wissenschaft allen nahe gebracht werden kann.

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