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Das IHK-Festival zum Thema Fachkräftegewinnung war sehr gut besucht.

© Ines Hasenau Fotografie & Wunderbare Tage

Ideen gegen den Fachkräftemangel: „Wir retten nicht alle die Welt“

Das IHK-Festival zum Thema „Fachkräftegewinnung“ war sehr gut besucht. Manche dort vorgetragene Thesen sorgten allerdings für Verwunderung im Publikum.

Die Geheimwaffe gegen den Fachkräftemangel? „New Work“, neues Arbeiten, so lautet das Credo in Fachkreisen und auch beim Festival der Industrie- und Handelskammer (IHK) zum Thema Fachkräftegewinnung am Donnerstag. Aber unter diesem Begriff lässt sich alles fassen, was sinnvoll und modern klingt: Flache Hierarchien, flexible Arbeitszeiten, lockerer Umgangston, Wohlfühlatmosphäre mit bequemen Möbeln und viel Grün. Reicht das schon? Natürlich nicht.

Die steilste These des Vormittags hatte die Wirtschaftspsychologin und Buchautorin Vera Starker im Köcher: „Es gibt überhaupt keinen Fachkräftemangel.“ Zumindest nicht in den Bereichen Wissensarbeit und Sachbearbeitung, also in den Büroetagen von Agenturen, großen Unternehmen oder Verwaltungen. Dort gehe viel Arbeitszeit durch Unterbrechungen verloren, durch Mails lesen, unnütze Meetings, Telefonate, ständiges Umschalten von einer Aufgabe zur nächsten und übernächsten. Die wichtigste Gegenmaßnahme: „Konzentriertes Arbeiten.“

Wie schwierig das ist, bewies das Festival gleich selbst: Konzentriertes Zuhören war kaum möglich, weil die mehr als 1500 Teilnehmer auch andere Interessen verfolgten als dem Panel in der geräumigen Aula des IHK-Hauses zu lauschen. Offenbar hatten sich viele Unternehmer nach der langen Sommerpause einiges zu erzählen. Mehrere Mahnungen der Moderatorin Carmen Hentschel verhallten.

Effektivität versus Effizienz

Zur Einstimmung hatten sich die Organisatoren den Podcaster Frank Eilers eingeladen, der sich zum Thema New Work seit Jahren Gedanken macht. Er legte den Teilnehmern nah, sich auf Arbeit auch mal zu umarmen. Das könnten junge Frauen viel besser als ältere Männer. Zweite Provokation: „Wie hoch ist der Bullshit-Anteil in Ihrem Job?“ Auch darüber sollte man sich mal Gedanken machen. Stichwort: Effektivität. Also eher die Wirksamkeit der Arbeit im Blick haben als die reine Effizienz.

Das Publikum beteiligte sich an der Diskussion. Viele hatten sich aber auch sonst einiges zu erzählen.

© Ines Hasenau Fotografie & Wunderbare Tage

Effizienz ist überhaupt nicht mehr wohl gelitten, passe eher zum alten Wirtschaftsmodell des vorigen Jahrhunderts, meinte Eilers. Auch die Idee, sich externe Berater ins Haus zu holen, um schnell mal alle Abläufe umzukrempeln, sei für den Teamgeist eher kontraproduktiv.

Eilers brachte das Beispiel einer Digital-Agentur aus Bielefeld. Die habe zusammen mit den Mitarbeitern analysiert, wie hoch der Bullshit-Anteil, also der Anteil unnützer Tätigkeiten in den Arbeitsabläufen ist, im Ergebnis sei eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich zustande gekommen. Das stützte die These von weiter oben im Text: Fachkräftemangel ist nur relativ.

Ich versuche auch, zu allen Mitarbeitern eine Verbindung zu halten, ganz informell mit einem Schwatz am Kaffeeautomaten.

Alexadra Knauer, Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH

Dennoch kämpfen besonders Dienstleister und produzierende Unternehmen ums Personal. Auch das, was schon da ist. Julia Seeliger von Klara Grün, einem ökologischen Reinigungsunternehmen, veranstaltet Team-Meetings, um herauszufinden, was für Probleme es auf Arbeit gibt und was sich die Mitarbeiter wünschen. Ein Problem dabei: „Viele sagen nichts“. Da müsse erstmal die Basis für eine solche Kommunikation hergestellt werden.

Partizipation der Mitarbeiter

Auch im Unternehmen Knauer, einem Hersteller für wissenschaftliche Geräte, werden regelmäßig die Mitarbeiter gefragt, was verbessert werden könnte. „Wir haben etwa gefragt, ob wir uns duzen sollen“, sagte Chefin Alexandra Knauer. „Ich versuche auch, zu allen Mitarbeitern eine Verbindung zu halten, ganz informell mit einem Schwatz am Kaffeeautomaten.“ Stichwort: Wertschätzung. Bei 190 Mitarbeitern eine Herausforderung.

Mitarbeiter wollen gefragt werden, wenn es darum geht, wie die Arbeit besser von der Hand geht. Darin waren sich alle Podiumsgäste einig. Stichwort: Partizipation. Aber beim Wie kann man vieles falsch machen. Einen E-Mail-Kummerkasten für die Mitarbeiter einzurichten, ist nicht mehr zeitgemäß.

Arbeitsaufgaben, die Sinn vermitteln, auch das ist ein großes Thema auf dem Podium. Expertin Starker warnte aber davor, die Sinnsuche zu übertreiben. „Wir retten nicht alle die Welt.“ Die Suche nach Sinn belaste die Unternehmen eher. Starker plädierte dafür, das alte Wort „Tagwerk“ zu reanimieren.

Die Mitarbeiter sollten das positive Gefühl haben, am Ende des Tages „ihr Tagwerk erledigt zu haben“. Nur 13 Prozent der Mitarbeiter hätten laut Umfragen eine emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen. Ein alarmierender Wert.

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