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Bäume leiden stark unter den Folgen des Klimawandels.

© dpa / dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Naturschutz in Berlin-Neukölln: Das Bezirksamt fällt Tausende Bäume – und pflanzt kaum nach

Fast 6000 Bäume mussten in Neukölln in drei Jahren abgeholzt werden. Weniger als ein Fünftel wurde im gleichen Zeitraum neu gepflanzt.

Insgesamt 5785 Bäume wurden zwischen 2019 und 2021 in Berlin-Neukölln gefällt – und weniger als rund ein Fünftel nachgepflanzt. Das geht aus der Antwort von Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) auf eine Anfrage des Bezirksverordneten Christian Hoffmann hervor.

Demnach wurde die große Mehrheit der Bäume, insgesamt 2831, auf Privatgrundstücken gefällt. Direkt dahinter folgen die Neuköllner Parks und Grünanlagen: Hier mussten 1713 Bäume gefällt werden. Die übrigen gefällten Bäume betreffen Grundstücke in bezirklicher Hand (384) und Straßen (859).

Ein wesentlicher Grund für Baumfällungen sind der Klimawandel und die damit verbundenen Trockenheitsperioden. Viele Bäume sind durch den Wassermangel derart geschwächt, dass sie krank und dadurch auch zum Risiko für Menschen werden. In der Regel sollen gefällte Bäume nachgepflanzt werden.

In Neukölln scheint das allerdings nur selten zu passieren: Laut der Antwort von Biedermann pflanzte das Straßen- und Grünflächenamt in den genannten drei Jahren lediglich 54 als Ersatzpflanzung nach. Zusätzlich beauftragte das Umwelt- und Naturschutzamt 884 Neupflanzungen. Das entspricht insgesamt also nicht einmal einem Fünftel der gefällten Bäume. Dazu kommt, dass gerade Jungbäume sehr anfällig sind und häufiger absterben als ältere Bäume.

5785
Bäume wurden zwischen 2019 und 2021 gefällt

Wenn Straßenbäume gefällt werden müssen, müssen die Antragsteller:innen eine Ausgleichszahlung an das Bezirksamt leisten, um eine Genehmigung für die Baumfällung zu erhalten. In den genannten drei Jahren gingen demnach insgesamt rund 890.000 Euro an die beiden Ämter.

Diese Gelder fließen laut Biedermann einerseits in neue Baumpflanzungen beziehungsweise die Pflege von Jungbäumen, andererseits aber auch in andere Maßnahmen zur Pflege von Biotopen. Dazu zählt etwa die Mahd der Neuköllner Grünflächen, aber auch einzelne Maßnahmen wie eine Studie zu Amphibien.

Für die Pflanzung neuer Bäume scheinen die Mittel aber auch fast nie verwendet zu werden: Wie aus der Antwort auf eine weitere Anfrage von Hoffmann hervorgeht, flossen in den genannten drei Jahren null Euro aus Ausgleichsausgaben in neue Bäume.

Die meisten Bäume werden über die Stadtbaumkampagne gepflanzt

Insgesamt pflanzte das Bezirksamt in dem Zeitraum demnach 349 Bäume (inklusive der 54 Ersatzpflanzungen). Die Mehrzahl wurde aus Mitteln der Stadtbaumkampagne des Senats finanziert (239). Im Falle von Ersatzpflanzungen kontrolliert das Bezirksamt demnach etwa vier Jahre nach der Pflanzung, ob die Bäumchen noch leben und angewachsen sind.

Biedermann bezeichnete den großen Abstand zwischen Fällungen und Neupflanzungen auf Nachfrage als „in der Tat besorgniserregend“, wies aber auch darauf hin, dass es sich um „kein Neuköllner Phänomen“ handele. Als Gründe führte er unter anderem an, dass viele Bäume in den 1950ern gepflanzt worden seien und damit langsam am Ende ihrer Lebenserwartung.

Es ergibt einfach keinen Sinn, Nachpflanzungen vorzunehmen, wenn wir wissen, dass die Bäume sich an den Standorten nicht entwickeln werden oder in zehn Jahren wieder gefällt werden müssen.

Jochen Biedermann, Umweltstadtrat in Neukölln

Zum Teil sei damals auch zu dicht gepflanzt worden: Dadurch würden die Bäume vorzeitig altern. Der bereits erwähnte Klimawandel verschärft die Probleme, zumal die Trockenheit und Wärme auch mit neuen Schädlingen verbunden sind. Auch Bauarbeiten an Häusern und Straßen schädigen Bäume.

Zudem könne nicht an allen Standorten, an denen gefällt wird, einfach nachgepflanzt werden, sagt Biedermann. „Es ergibt einfach keinen Sinn, Nachpflanzungen vorzunehmen, wenn wir wissen, dass die Bäume sich an den Standorten nicht entwickeln werden oder in zehn Jahren wieder gefällt werden müssen.“ Dazu komme die schon oft erwähnte Personalsituation im Bezirksamt, die kaum Kapazitäten für Neupflanzungen lasse.

Allerdings bemühe sich das Bezirksamt, die Lebensbedingungen der bereits vorhandenen Bäume zu verbessern: etwa durch Umbauarbeiten an Straßen, bei denen die Baumscheiben vergrößert werden. Aktuell laufe eine entsprechende Maßnahme in der Weisestraße, sagte Biedermann.

Eine größere Zahl Bäume soll aktuell im Rahmen des Programms „Klimaresiliente Hasenheide“ und auf den bezirklichen Friedhöfen gepflanzt werden. Im Herbst sollen dann vermehrt neue Straßenbäume gepflanzt werden – aktuell sei die entsprechende Stelle im Bezirksamt allerdings nicht besetzt. „Mir ist sehr daran gelegen, den seit Jahren andauernden Trend zu stoppen und umzukehren“, sagte Biedermann.

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