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© dpa/Sebastian Kahnert

Geknackte Krypto-Chats der Kriminellen: Berliner Ermittler ächzen unter der Datenflut

Die Krypto-Dienste Encrochat und SkyECC machen der Berliner Polizei seit mehreren Jahren zu schaffen: Über 1,6 Millionen Datensätze müssen die Kriminalbeamten auswerten. Ein Zwischenstand.

Die geknackten Krypto-Chats krimineller Banden werden für Polizei und Justiz in Berlin zu einer immer größeren Herausforderung. Die Ermittler kommen bei der Datenauswertung, aber auch bei der Sicherung illegaler Gewinne nur schwer hinterher. Der Polizei liegen allein 1,6 Millionen Datensätze aus entschlüsselten Encrochat-Dialogen vor. Aus entschlüsselten Botschaften beim Krypto-Messenger-Dienst SkyECC hat die EU-Polizeibehörde Europol den Berliner Ermittlern bislang 115 Datenpakete geschickt – Textnachrichten, Bilder und Sprachnachrichten. Dabei geht es um 115 potenzielle Straftäter.

Wie umfangreich die vom Bundeskriminalamt übermittelten Datenpakete sind, ist unklar. Das geht aus einer Antwort der Senatsjustizverwaltung auf eine Anfrage des Rechtsexperten der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sebastian Schlüsselburg, hervor.

Es seien „keine valide Angaben“ zur Größe der SkyECC-Daten möglich. Die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, „dass aufgrund des zeitlichen Umfangs der Datensicherung und den größeren technischen Möglichkeiten des Anbieters SkyECC die Anzahl der Nachrichten und Daten aus den Encrochat-Verfahren deutschlandweit – und damit vermutlich auch in Berlin – deutlich übersteigen werden“.

2020 war es französischen und niederländischen Ermittlern gelungen, den Krypto-Messengerdienst Encrochat zu knacken. Damit konnten die Handys zehntausender mutmaßlicher Krimineller überwacht werden. Ausgewertet wurden laut Europol mehr als 115 Millionen Chats von mehr als 60.000 Nutzern.

Verdächtige aus bekannten Clans, Rockergruppen und Rotlichtmilieu

Ende 2020 konnte Europol die Verschlüsselung des SkyECC-Messengers brechen. Angeblich ist der Datenschatz viermal so groß wie die Encrochat-Nachrichten. Viele der Verdächtigen in Deutschland stammen aus bekannten Clans, militanten Rockergruppen und dem Rotlichtmilieu.

Allein zu Encrochat führt die Polizei Berlin aktuell 744 Ermittlungsverfahren, bei der Staatsanwaltschaft sind es 820. Derzeit sitzen 23 Personen wegen Encrochat-Ermittlungen in Untersuchungshaft, teils schon seit mehr als einem Jahr, in zwei Fällen seit Januar 2021. Ermittelt wird gegen 1050 Personen. Meist geht es um Drogenhandel, aber auch um Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Hehlerei, Bandendiebstahl und in einem Fall um Mord.

Allein in Encrochat-Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Vermögensarreste in Höhe von 89,5 Millionen Euro erwirkt. Gesichert werden konnten nur 4,2 Millionen Euro, darunter 443.000 Euro Bargeld, 979.000 Euro an Kontoguthaben, aber auch Autos, Luxuskleidung, Uhren, Schmuck und Grundstücke. In bislang 74 Fällen ist die Einziehung von insgesamt 22 Millionen Euro rechtskräftig. Die höchste Summe in einem Fall waren 5,6 Millionen Euro.

Jeder kriminell erworbene Cent, den wir der organisierten Kriminalität abnehmen, ist ein Sieg für den Rechtsstaat.

Sebastian Schlüsselburg, Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus

Die Staatsanwaltschaft führt im SkyECC-Komplex bislang 56 Ermittlungsverfahren. Auch hier geht es um Drogenhandel, aber auch um sechs Mordfälle, Waffen, Geldwäsche und eine Entziehung Minderjähriger. Sieben Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft, vier davon seit Ende 2021. In SkyECC-Verfahren sollten 58 Millionen Euro gesichert werden, doch beschlagnahmt werden konnten nur 721.538,03 Euro, davon 84.000 Euro in bar und 237.000 Euro auf Konten. Der Rest wurde in Uhren, Geld, Schmuck und anderen Vermögenswerten angelegt. In nur zwei Fällen ist die Einziehung rechtskräftig – über insgesamt 352.000 Euro.

„Verbrechen darf sich nicht lohnen“, sagt Schlüsselburg. „Jeder kriminell erworbene Cent, jeder Bitcoin und jeder Vermögensgegenstand, den wir der organisierten Kriminalität abnehmen, ist ein Sieg für den Rechtsstaat.“ Dafür müssten Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte aber auch schnell mit der Datenauswertung und Vollstreckung der Einziehungsentscheidungen sein.

Nachdem die zuständigen Stellen in der Justiz gestärkt werden sollen, sieht der Linke-Abgeordnete wachsende Probleme bei der Polizei. Wegen der gegenüber Encrochat erheblich größeren Datenmengen bei SkyECC müsse die Auswerteeinheit im Landeskriminalamt personell deutlich aufgestockt werden. „Hier darf kein Flaschenhals entstehen. Wenn CDU und SPD hier keine Priorität setzen, können die Justiz- und Innensenatorin sich mit den knapp 90 Millionen Euro ausgebrachten Vermögensarresten die Wand tapezieren, weil das Geld und die Vermögenswerte weggeschafft wurden.“

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