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Leslie Mandoki im Studio 1 in Tutzing.

© picture alliance/dpa/Red Rock Production

Leslie Mandoki im Berliner Admiralspalast: Von Dschinghis Khan zum Bandleader der Rockstars

Er kam als Asylbewerber nach Deutschland und führte die großen Rocker seiner Zeit in einer Band zusammen. Jetzt feiern die „Mandoki Soulmates“ 30-jähriges Jubiläum.

Die Mitarbeiterin der Zirndorfer Asylbehörde trauten ihren Ohren nicht. Da war dieser junge Ungar, der nach einer gefährlichen Flucht durch einen Tunnel in den Westen, nach Mittelfranken, gekommen war. Im Jahr 1975 war der Eiserne Vorhang noch dicht und weitestgehend undurchlässig. Auf die Frage, was er denn künftig machen wolle, antwortete der Asylbewerber, er wolle Musik machen mit Al Di Meola, mit Supertramp und Jethro Tull, kurz mit den ganz großen Rockstars jener Zeit. „Der spinnt total“, dachten sie wahrscheinlich, verschafften ihm aber immerhin eine Anstellung am Theater irgendwo in Schwaben.

Leslie Mandoki erzählt die Geschichte in einer Loge des Berliner Admiralspalastes, wo er demnächst ein großes Konzert mit den „Mandoki Soulmates“ geben wird, die Greg Lake von Emerson, Lake & Palmer „eine der besten Bands der Welt“ genannt hat. Gefeiert wird das 30-jährige Bestehen dieser Formation, zu der wechselnde Künstler der ganz großen Bands gehört haben – unter anderem John Helliwell und Jesse Siebenberg von Supertramp, Nick van Eede von Cutting Crew, Tony Carey von Rainbow und der Berliner Trompeter Till Brönner. Etliche von ihnen haben in Leslie Mandoki den idealen Bandleader gesehen.

Der Rat des Vaters auf dem Sterbebett

„Lebe deinen Traum und träume nicht dein Leben“, hatte der Vater László Mandoki seinem Sohn auf dem Sterbebett mit auf den Weg gegeben. Und der hat das ernst genommen. Schon als Teenager hatte er den Traum, progressiven britischen Rock mit amerikanischem Fusion Jazz zu verbinden. Genährt wurde der Traum von mehrfach kopierten, geschmuggelten Tonbändern mit Musik aus dem Westen.

Werde Musiker, das ist ein anständiger Beruf.

László Mandoki, Vater von Leslie Mandoki

Ursprünglich hatte Mandoki Dichter werden wollen, gewann mit 14 Jahren sogar einen Literaturwettbewerb. Aber der Vater, selbst Musiker, fand, das sei brotlose Kunst. Von der Malerei, in der Mandoki sich als nächstes versuchte, hatte er eine ähnlich schlechte Meinung. „Werde Musiker“, riet der Vater dem Sohn, „das ist ein anständiger Beruf.“ Leslie Mandoki folgte dem Rat seines Vaters, blieb aber auch der bildenden Kunst treu. „Bis heute male ich meine eigenen Platten-Cover“, sagt der Produzent und Musiker mit dem markanten Schnauzbart.

Phil Collins und Jennifer Rush produzierten in seinem Studio

Auch musikalisch hat es Mandoki geschafft: Er hat tatsächlich mit Al Di Meola gespielt, mit Jack Bruce von Cream und Ian Anderson von Jethro Tull. In seinem Studio am Starnberger See hat er unter anderem schon Phil Collins, Jennifer Rush und Lionel Richie produziert. Das ging nicht ohne Umwege, Hürden und eine gewaltige Portion Hartnäckigkeit.

Bei einem Open-Air-Festival in Ungarn hatte er bei einem Auftritt mit seiner damaligen Band Jam Klaus Doldinger kennengelernt, der ihm seine Telefonnummer in die Hand drückte. Nach der geglückten Flucht aus dem Ostblock half Doldinger ihm, sich in der Münchner Musikszene zu vernetzen.

Dass er 1979 mit dem Titel „Dschinghis Khan“ in der gleichnamigen Band auf dem vierten Platz beim Eurovision Song Contest landete, war ein Zufall. Leslie Mandoki wusste schon damals genau, was sein künstlerischer Weg sein würde – und Schlager gehörten nicht dazu.

Aber er ist ein Power-Typ, der alles mal anpackt und ausprobiert und sich für nichts zu schade ist, auch nicht für Auftragswerke von VW, Disney oder dem FC Bayern. Musik macht ihm Spaß, und er probiert gern Neues aus. Autos hält er für die letzten Kathedralen für Musiker. En passant erwähnt er, dass ihm inzwischen Europas größter Studio-Komplex gehört. Sein Nachbar am Starnberger See ist Peter Maffay, auch mit ihm hat er schon musiziert.

Mit Dschinghis Khan wurde Leslie Mandoki Vierter beim Eurovision Song Contest. Auch Edina Pop (r.) und Henriette Strobel gehörten zur Gruppe, hier im September 1985 während der Internationalen Funkausstellung in Berlin.

© imago/teutopress

Die Konzerte mit den Soulmates sind ihm besonders wichtig. „Wir sind alle spielwütig“, sagt Mandoki. Bei ihren Konzerten in den USA, in New York oder Los Angeles konnten sie vier Stunden am Stück musizieren. Im Admiralspalast, das hat er gerade erfahren, sind höchstens drei erlaubt. Aber die wollen sie auskosten, jede Sekunde.

Den Plan, Politiker zu werden, hat er inzwischen aufgegeben. Mit Musik könne er mehr bewirken, sagt er. „Ich bin für die Seelen der Menschen zuständig.“ Die Soulmates sieht er vor allem auch als Wertegemeinschaft, die gerade „in dieser schwermütigen Zeit“ die Verpflichtung habe, als Licht am Ende des Tunnels zu agieren. Generationengerechtigkeit und Achtsamkeit sind ihm wichtig. Verpflichtet fühlt er sich auch der Demut gegenüber dem Publikum, das ihm und den Seelenfreunden viel bedeutet.

Dass er Freiheit nicht als etwas Selbstverständliches nimmt, führt er auch auf die osteuropäische Herkunft zurück, die Erfahrungen, die er in seiner Jugend in Ungarn gemacht hat. Rebell zu sein, bedeutete damals nicht Rock ’n’ Roll, sondern dass man ins Gefängnis wanderte, und das gleich mehrfach. Es ist aktuell nicht nur der Angriffskrieg, der seine Russophobie anstachelt. „1989 hatten wir die Chance, in Europa das Paradies auf Erden zu bauen“, sagt er. „Leider haben wir das vermasselt“.

Ich bin für die Seelen der Menschen zuständig.

Leslie Mandoki, Musiker

Deutschland ist für Mandoki inzwischen Heimat: „Es ist so ein lebens- und liebenswertes Land.“ Als Politiker würde er sich wohl dennoch mit allen Parteien anlegen, glaubt er. Von Cancel Culture hält er gar nichts: „Streiten ist anstrengender, aber besser.“ Seinen einstigen Mentor Udo Lindenberg würde er am liebsten als Kanzler haben. „Ich bin ein stolzer Bürger der bunten Republik meines Freundes Udo Lindenberg. Meine Hymne lautet: ‚Wozu sind Kriege da?‘“. Deshalb glaubt Mandoki auch, dass Frauen an die Macht sollten – weil er keine Frau kenne, die ihren Sohn, ihren Mann freiwillig in den Krieg schicken würde. „Töten ist versagen.“

„Utopia for Realists“ heißt das aktuelle Programm der Soulmates. Vor der Deutschland-Tournee, die am 2. September in den Admiralspalast führt, haben sie noch einen großen Auftritt in Budapest vor sich. Im Zusammenhang damit verrät Leslie Mandoki ein kleines persönliches Geheimnis. Etwas genießt er in seiner ursprünglichen Heimat Ungarn mehr als alles andere, eine Anrede, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt: „Herr Künstler“.

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