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Meta hat angekündigt, auf Threads und Instagram keine politischen Inhalte mehr auszuspielen – es sei denn, das ist vom Nutzer explizit gewünscht. Das wirft viele Fragen auf.

© REUTERS/Francis Mascarenhas

Meta will Sicht auf Inhalte einschränken: Was heißt hier politisch?

Meta hat angekündigt, auf Threads und Instagram keine politischen Inhalte mehr auszuspielen – es sei denn, das ist vom Nutzer explizit gewünscht. Das wirft viele Fragen auf.

Ein Kommentar von Inga Barthels

Was bedeutet es, politisch zu sein? Was sich anhört wie eine Frage fürs Proseminar von Philosophiestudierenden, wird jetzt von einigen der mächtigsten Menschen der Welt entschieden – den Chefs von Meta.

Vergangene Woche verkündete der Konzern in einem Blogpost, dass auf Instagram und dem Kurznachrichtendienst Threads politische Inhalte von Konten, denen die Nutzer noch nicht folgen, künftig nicht mehr aktiv vom Algorithmus vorgeschlagen werden sollen. Inhalte von Accounts, denen man bereits folgt, seien davon nicht betroffen.

Professionelle Accounts werden sich anschauen können, ob sie als politisch gelten oder nicht – und diese Einschätzung des Unternehmens durch ihr Verhalten auf den Plattformen auch ändern können, indem sie etwa bestimmte Posts löschen oder lange nichts Politisches mehr posten.  

Aus dem Feedback von Nutzer*innen wissen wir, dass sie weniger politische Inhalte sehen möchten. Deshalb haben wir die letzten Jahre damit verbracht, unseren Ansatz, die Anzahl der politischen Inhalte zu reduzieren, zu verfeinern.

Eine Meta-Sprecherin zum Tagesspiegel

Wer weiterhin politische Inhalte vorgeschlagen bekommen möchte, werde das in den Empfehlungs-Einstellungen anklicken können, heißt es in dem Post. Das Ganze soll zu einem späteren Zeitpunkt auch auf Facebook angewendet werden. Als Grund für den Schritt gibt das Unternehmen den Wunsch der User an.

Ein „weniger wütender Ort für Unterhaltungen“

„Aus dem Feedback von Nutzer*innen wissen wir, dass sie weniger politische Inhalte sehen möchten“, teilt eine Meta-Sprecherin dem Tagesspiegel mit. „Deshalb haben wir die letzten Jahre damit verbracht, unseren Ansatz, die Anzahl der politischen Inhalte zu reduzieren, zu verfeinern“, heißt es weiter.

Meta weitet damit die Ankündigung aus dem Sommer aus, dass man auf Threads keine „harten Nachrichten“ unterstützen werde. Man wolle Twitter nicht ersetzen, postete Adam Mosseri, Chef von Instagram und Threads, damals, sondern eine Plattform schaffen, die ein „weniger wütender Ort für Unterhaltungen“ sei. Aus Perspektive der Plattform sei es „die Kontrolle, Negativität und Risiken für die Integrität“ einfach nicht wert, so Mosseri pragmatisch. Hartes Brot für alle, die gehofft hatten, auf Threads eine Alternative zu Twitter zu finden, das heute „X“ heißt und von Elon Musk betrieben wird.

Die Ankündigung von Meta wirft viele Fragen auf, vor allem aber eine: Was heißt hier „politisch“? Fragt man bei Meta nach, was die Definition von „politischen Inhalten“ ist, gibt es darauf keine direkte Antwort. Im Blogpost des Unternehmens heißt es dazu lediglich, politische Inhalte hätten potenziell mit Dingen zu tun wie Gesetzen, Regierungen, Wahlen oder sozialen Themen, die eine Gruppe oder auch die gesamte Gesellschaft betreffen.

Alles oder nichts also. Entsprechend entsetzt äußerten sich Nutzer und Nutzerinnen auf Threads, wo Adam Mosseri über die Pläne postete. „Wir sind alle aus der Hölle Twitter geflohen“, schreibt einer. „Wo sollen wir denn jetzt hin?“. „Zensur und passiv-aggressive Desinformation ist so Meta“, schreibt einer anderer. Was besonders viele in den Antworten auf den Post aber wissen wollten: Was ist mit „politisch“ denn nun gemeint? Mosseri antwortet den Fragestellern nicht, für Interviews stand er bisher nicht zur Verfügung.

Keinerlei Transparenz in Entscheidungen

Das ist ein Problem. Immer wieder wurde in der Vergangenheit von Fachleuten kritisiert, dass es keinerlei Transparenz in den Entscheidungen der Konzerne gebe. Etwa, als Facebook und Twitter 2021 die Accounts von Donald Trump abschalteten. „Dass nicht klar ist, was warum gelöscht wird, ist ein offener Konflikt mit demokratischen Prinzipien“, sagte der Rechtswissenschaftler und Experte für Meinungsfreiheit im Internet, David Kaye, damals dem Tagesspiegel. „Privatunternehmen fällen Entscheidungen, die öffentliche Institutionen treffen sollten.“

Jetzt entscheidet Meta also, was politisch ist – nach Kriterien, die kein Mensch kennt. Eindeutig leiden werden alle Medien, die „harte“ Nachrichten verbreiten, außerdem alle Politiker und Politikerinnen, die in den sozialen Medien über ihre Arbeit schreiben.

Weniger eindeutig wird es bei Privatpersonen. Promis werden sich zweimal überlegen, ob sie sich politisch äußern und so ihre Reichweite einschränken – besonders brisant ist das im Kontext der US-Präsidentschaftswahl 2024. So wird etwa die Frage, ob eine Biden-Unterstützung von Superstar Taylor Swift Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben könnte, seit Wochen in den Medien diskutiert.

Und inwieweit hängen Identität und Politik zusammen? Ist, wer schwarz, queer, trans ist und darüber postet, bereits politisch? Und was ist mit Gesundheitsthemen? Wissenschaftliche Studien galten nicht als politisch – bis Corona kam.

Entscheidungen, die Wahlen beeinflussen können und über die idealerweise demokratisch abgestimmt werden sollte, werden wieder einmal von Privatpersonen hinter verschlossenen Türen gefällt. Das ist nicht nur schlecht für die Nutzerinnen und Nutzer, die in den sozialen Medien politisch diskutieren wollen. Das ist schlecht für die Demokratie.

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