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Der Krieg tötet meine Liebe. Beim CSD 2022 wurde gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine demonstriert – dieses Mal ebenfalls.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Queere Aktivistin aus der Ukraine: „Für uns ist die Pride kein Festival“

Halyna Korniienko berät ukrainische Flüchtlingsfrauen in Berlin. Sie will den CSD auf ihren ursprünglichen Kern zurückführen: den Protest.

Halyna Korniienko hat am frühen Morgen einen Termin an der Sprachschule. Heute ist die letzte Sitzung ihres Orientierungskurses „Leben in Deutschland“, am Tag zuvor hat sie die B1-Sprachprüfung abgelegt. Das alles in dem einen Jahr. Auf der Flucht vor dem Angriff der Russen auf die Ukraine ist sie nach Berlin gekommen. Sie hat auch schon einen Job gefunden: Als Sozialpädagogin im Feministischen Frauengesundheitszentrum berät sie ukrainische Flüchtlingsfrauen. Und gleichzeitig ist sie an der Gründung der ersten ukrainischen LGBT-Organisation in Berlin, „ Kwitne Queer“, beteiligt.

„Um ehrlich zu sein, hat sich mein Leben nicht sehr verändert, seit ich in Berlin bin“, sagt Korniienko. „Auch in der Ukraine war ich eine soziale Aktivistin. Und ich habe auch offen mit einer Frau zusammengelebt.“

Halyna lernte ihre Ehefrau Natalia Shkoda vor elf Jahren kennen. In der Ukraine werden weder gleichgeschlechtliche Ehen noch zivile Lebenspartnerschaften offiziell anerkannt. Doch im Jahr 2020 kam ihnen das Coronavirus unerwartet zu Hilfe. Wegen der Pandemie bot der amerikanische Bundesstaat Utah auf einmal an, online zu heiraten – und auch die beiden ukrainischen Frauen machten davon Gebrauch.

Halyna Korniienko (l.) und ihre Frau Natalia Shkoda.
Halyna Korniienko (l.) und ihre Frau Natalia Shkoda.

© privat

Die Bescheinigung war in der Ukraine ungültig. Doch als sie in Berlin ankamen, stellten sie fest, dass die Bescheinigung hier anerkannt wird. Sie haben es auch geschafft, sich als ein Haushalt anzumelden – was vor allem wichtig wäre, wenn sie ein Kind adoptieren wollen. „Aber wir kommen gerade erst auf die Beine, in gewisser Weise sind wir selbst wie Kinder. Mal sehen, das Leben ist unvorhersehbar.“

Halyna Korniienko hat sich schon vor dem Krieg als Touristin in Berlin verliebt, weil es so bunt und vielfältig ist. Doch ans Auswandern hatte sie nie gedacht: „Uns ging es gut in der Ukraine.“ Ihre Frau gründete in Melitopol ein medizinisches Unternehmen - so erfolgreich, dass sie ein prächtiges Haus in Hostomel nahe Kyjiw kaufen konnte. Inzwischen steht Melitopol unter russischer Besatzung. Das Haus in Hostomel hat wie durch ein Wunder schwere Angriffe überstanden.

Der eigene CSD-Truck ist eine Premiere

In Berlin sieht Korniienko ihre Mission darin, Kontakte zu anderen ukrainischen Verbänden zu knüpfen. Schließlich gibt es in der ukrainischen Gesellschaft einige Vorurteile gegen LGBTIQ-Organisationen und queere Menschen. „In Berlin angekommen, erleben viele Ukrainer zunächst einen Kulturschock, wenn sie schwule Paare auf der Straße sehen. Aber dann gewöhnen sie sich daran“, sagt Halyna Korniienko im Gespräch.

Dieses Jahr werden wir Europa um Kampfflugzeuge bitten.

Halyna Korniienko über die Forderungen auf dem CSD

Aktuell bereitet sich Halyna Korniienko zusammen mit anderen Mitgliedern von Kwitne Queer auf den CSD vor, wo sie einen Truck haben werden – eine Premiere für eine ukrainische Queer-Gruppe. Sie konnten Geld für die Gestaltung des Trucks sammeln und 15 queere Aktivist:innen aus der Ukraine einladen. Sie wollen zeigen: Die ukrainische LGBTIQ-Bewegung ist stark und aktiv am Befreiungskrieg gegen Russland beteiligt.

„Für uns ist die Pride kein Festival oder ein Karneval. Wir wollen die Veranstaltung auf ihren ursprünglichen Kern, den Protest, zurückführen. Letztes Jahr traten wir mit dem Slogan auf: ,Schließt den Himmel über der Ukraine und gebt uns ein wenig Waffen!’ Dieses Jahr werden wir Europa um Kampfflugzeuge bitten.”

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