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Eine Migräne kommt oft mit Vorankündigung.

© Getty Images/iStockphoto/cyano66

Attacke mit Ankündigung: Eine Stunde vor einer Migräne zeigen sich oft typische Symptome

Sehstörungen und Schwindel können Anzeichen einer beginnenden Migräne sein. Medikamente, die eine Aura lindern können, gibt es nicht. Aber man kann vorbeugende Mittel nehmen.

Von Angelika Mayr, dpa

So wie die Morgenröte langsam den Tag beginnen lässt, so kündigt die Aura eine Migräne-Attacke an. Nicht umsonst ist Aurora – die Göttin der Morgenröte – auch die Namenspatin dieses Phänomens.

„Auren entwickeln sich im typischen Fall über 20 bis 30 Minuten etwa eine Stunde vor Beginn der Migräne-Kopfschmerzphase“, sagt Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Dann klingt die Aura wieder ab, der Schmerz setzt ein. Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sind 15 bis 25 Prozent der Patientinnen und Patienten von einer solchen Aura betroffen.

Wie macht sich eine Aura bemerkbar?

Typisch sind Sehstörungen, oft handelt es sich um sogenannte einseitige Gesichtsfeldausfälle. Das bedeutet: „Im linken oder rechten Teil können zunehmende Flimmer-Erscheinungen auftreten“, sagt Neurologe und Schmerztherapeut Göbel. Betroffene sehen dann oft Zickzacklinien, die sich immer mehr vor dem Auge ausbreiten oder farbige Randzacken ausbilden.

In manchen Fällen treten auch Flecken auf, in denen man gar nichts mehr sehen kann. Lesen zum Beispiel fällt dann schwer. Betroffene können aber auch den Eindruck haben, nur durch einen Schleier oder durch Schlieren hindurch sehen zu können.

Da die Sehrinde des Gehirns besonders viel Energie benötigt, kommt es zu Sehstörungen, der typischen visuellen Aura.

Hartmut Göbel, Schmerzklinik Kiel

„Grundsätzlich kann vor dem Beginn der Migräneattacke jedes Krankheitszeichen auftreten, das durch eine gestörte elektrische Erregbarkeit der Hirnrinde ausgelöst werden kann“, sagt Hartmut Göbel. Die Hirnrinde ist der äußere Bereich des Gehirns. Zu diesen Krankheitszeichen können Schwindel und Müdigkeit zählen, aber auch ein Kribbeln, etwa in den Händen. Manche Betroffene suchen vergeblich nach Worten oder können sich nicht mehr konzentrieren. In extremen Fällen können sogar epileptische Anfälle oder Bewusstlosigkeit auftreten.

Was passiert bei einer Aura im Gehirn?

Von Migräne und Auren betroffene Patientinnen und Patienten verfügen über eine angeborene Besonderheit bei der Reizverarbeitung im Gehirn. „Ihr Nervensystem steht ständig unter ,Hochspannung’“, sagt Hartmut Göbel. Ihre Gehirne nehmen Reize dadurch früher und schneller auf als andere und verarbeiten sie rascher. Strömen plötzlich zu viele Eindrücke ein, werden die Nervenzellen stark aktiviert. Dabei kann die Energieversorgung in ihnen zusammenbrechen, wodurch die Steuerung der Nervenfunktionen entgleist. „Da die Sehrinde des Gehirns besonders viel Energie benötigt, kommt es zu Sehstörungen, der typischen visuellen Aura“, sagt Hartmut Göbel.

Was kann ich tun, wenn ich eine Aura erlebe?

Den Verlauf einer Aura beeinflussen kann man kaum, sagt Charly Gaul, Neurologe am Kopfschmerzzentrum Frankfurt. „Tritt eine Migräneattacke zum ersten Mal auf, ist stark ausgeprägt oder beinhaltet untypische Symptome, ist ein Besuch in der Notaufnahme im Zweifel sinnvoll, um andere Erkrankungen nicht zu übersehen.“

Den Verlauf einer Aura beeinflussen kann man kaum, sagt Charly Gaul, Neurologe am Kopfschmerzzentrum Frankfurt.

© dpa/Oliver Killig

Bei Betroffenen, die ihre Auren und damit auch die typischen Symptome bereits kennen, stelle sich diese Frage aber selten. „Letztlich zwingt eine ausgeprägte Aura die Betroffenen eher dazu, ihre Aktivitäten wie Autofahren zu unterbrechen. Sie müssen warten, bis die Symptome wieder abklingen.“

Um eine Aura besser zu überstehen, müssen Betroffene also vor allem lernen, richtig mit Migräneattacken umzugehen. „Häufig sorgen sich Patienten, es könne eine Hirnerkrankung dahinterstecken oder sich ein Schlaganfall ankündigen“, sagt Charly Gaul. „Die beste Strategie hier ist, sich über die Aura zu informieren.“

Zur akuten Behandlung sind keine Medikamente oder Hausmittel verfügbar.

Charly Gaul, Neurologe am Kopfschmerzzentrum Frankfurt

Insgesamt ist das Risiko für Gefäßerkrankungen wie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt leicht erhöht, wenn man unter Migräne leidet. Die genaue Ursache für diesen Zusammenhang ist noch unklar. „Das Risiko besteht jedoch nicht im Moment der Aura selbst, sondern insgesamt“, sagt Gaul. „Möglicherweise spielen genetische Faktoren dabei eine Rolle.“

Gibt es wirksame Medikamente gegen die Aura?

„Zur akuten Behandlung sind keine Medikamente oder Hausmittel verfügbar“, sagt Charly Gaul. Aber: Es gibt Medikamente, die Patientinnen und Patienten vorbeugend einnehmen können, um die Migränehäufigkeit – und damit auch die der Auren – zu verringern. Dabei handelt es sich zum einen um Medikamente, die ursprünglich zur Behandlung anderer Krankheiten entwickelt wurden, darunter Blutdrucksenker, krampflösende Epilepsiemittel, Antidepressiva und auch das Nervengift Botox, zum anderen um im Labor hergestellte Antikörper, die an bestimmte Eiweiße binden, die bei der Migräne-Entstehung mitwirken.

Und was ist mit Triptanen – einer Gruppe von Wirkstoffen, die Migräne akut lindern können? Oft heißt es, man solle sie erst nehmen, wenn die Aura abklingt. „Ursprünglich dachte man, dass sich ihr Wirkmechanismus über eine Gefäßverengung im Gehirn ableitet“, sagt Gaul. Deswegen steht im Beipackzettel, dass Triptane nicht während der Aura eingenommen werden sollten. „Tatsächlich wirken diese Medikamente jedoch vor allem auf die Ausschüttung von Botenstoffen. Die damit verbundenen Veränderungen der Gefäßweite sind eher eine mittelbare Folge.“

Einige Studien weisen laut Gaul allerdings darauf hin, dass Triptane während der Aura eingenommen möglicherweise nicht optimal auf die Migräneattacke wirken. „Ganz geklärt sind diese Fragen aber nicht.“ Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass das Medikament erst aufgenommen werden muss, bevor es seine Wirkung entfaltet. „Und bis dahin ist die Aura häufig bereits vorüber.“

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