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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Im weißen Kittel: Zeit ist Hirn!

Schwerste Schlaganfälle können mit einer Entfernung des Blutgerinnsels geheilt werden – aber dabei geht es um Minuten.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Auf dem Monitor über der 83-jährigen Patientin sieht man ein Röntgenbild ihres Gehirns, live! Die Blutgefäße sind mit Kontrastmittel gefüllt, es sieht aus wie ein Spinnennetz. Ein Teil des Bildes ist allerdings weiß – und das ist das Problem: Die Patientin hatte einen schweren Schlaganfall, ein zentrales Gefäß ist verstopft, der davon abhängige Teil des Gehirns wird nicht mehr versorgt - die Gehirnzellen werden in den nächsten Stunden sterben!

Früher war ein solch schwerer Schlaganfall ein Todesurteil, zumindest aber der Beginn eines Lebens mit erheblichen Behinderungen: ein Leben ohne Sprache, im Rollstuhl, mit Hilfe – je nachdem, welcher Teil des Gehirns betroffen ist.

Seit kurzen gibt es aber gerade in solchen schweren Fällen Hoffnung: die Thrombektomie. Der Thrombus, das lebensgefährliche Blutgerinnsel, wird aus der Arterie herausgezogen. Dazu wird die Patientin gar nicht mehr offen am Gehirn operiert. Stattdessen schiebt der Arzt einen Katheter durch die großen Blutgefäße von der Leiste oder der Armbeuge bis ins Gehirn.

Die immer wieder live geschossenen Röntgenbilder sind sozusagen das Navigationssystem: Irgendwann ist die sichtbare Spitze des Katheters an der Stelle angekommen, hinter der sichtbar kein Blut mehr fließt. Mit einer Art Zange wird der den Weg versperrende Thrombus gegriffen und herausgezogen. Der Erfolg ist sofort da: Beim nächsten Röntgenbild füllt sich auch der vorher weiße Teil des Gehirns mit Kontrastmitteln – das Spinnennetz ist wieder vollständig, die Patientin ist geheilt!

Was wie Magie klingt, hat aber eine entscheidende Voraussetzung: Es muss schnell gehen, sehr schnell: Denn unterversorgtes Gehirngewebe stirbt binnen Stunden unwiederbringlich ab. Leider warten viele Patienten erst einmal ab (auch weil Schlaganfälle schmerzlos sind). Dann hat auch die beste Medizin keine Chance.

Wenn aber der Notarzt gerufen wird, wenn er oder sie in eine Schlaganfalleinheit überweist, wenn die ein Spezialzentrum alarmiert – dann kann ein schwerer Schlaganfall innerhalb weniger Stunden aufgelöst werden und folgenlos bleiben. Die „thrombektomierte“ Patientin jedenfalls hat das Krankenhaus wenige Tage später auf eigenen Beinen verlassen.

Die bisher erschienen Folgen finden Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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