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Drei ältere Frauen sitzen auf einer Bank in Hannover.

© dpa/Julian Stratenschulte

Ranking unter 16 Ländern: Lebenserwartung in Deutschland vergleichsweise niedrig

Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen dabei eine negative Rolle. Deshalb fordern Experten eine bessere Prävention. „Die Deutschen müssen ihren Lebensstil ändern“, sagt ein Herzmediziner.

Deutschland belegt bei der Lebenserwartung im westeuropäischen Vergleich hintere Plätze. Bei einem Ranking unter 16 Ländern in Westeuropa erreicht die Bundesrepublik bei den Männern Platz 15, bei den Frauen Platz 14, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am Mittwoch in Wiesbaden erläuterte.

„Wesentliche Ursache für den Rückstand ist eine erhöhte Zahl von Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“

Die gemeinsame Studie des BiB und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock erschien im „European Journal of Epidemiology“. Die Lebenserwartung war im westeuropäischen Vergleich laut Zahlen aus dem Jahr 2019 bei den Frauen in Spanien (86,2 Jahre) am größten, bei den Männern in der Schweiz (81,9 Jahre). In Deutschland lag die Lebenserwartung bei 2019 Geborenen bei den Frauen bei 83,5 Jahren und bei den Männern bei 78,7 Jahren.

Für die Studie seien die Sterbefälle in Deutschland nach Todesursachen mit sechs ausgewählten Ländern verglichen worden, erläuterte BiB-Forscher Pavel Grigoriev. Mit Blick auf Vorreiterländer mit hoher Lebenserwartung schneide Deutschland gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen schlecht ab.

Dass Deutschland bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zurückliegt, ist Anlass zur Sorge, da diese heutzutage als weitgehend vermeidbar gelten.

Mortalitätsforscher Pavel Grigoriev

Beim Vergleich nach Alter gebe es bei Männern bereits ab 50 Plus Rückstände. Bei den Frauen erkläre sich das eher schlechte Abschneiden bei der Lebenserwartung dagegen überwiegend aus erhöhter Sterblichkeit im Alter von über 65 Jahren.

Um die kardiovaskuläre Sterblichkeit als Hauptfaktor zu identifizieren, sei die Lebenserwartungsdifferenz in Alters- und Ursachenkomponenten zerlegt worden, erläuterte Grigoriev und warnte: „Dass Deutschland bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zurückliegt, ist Anlass zur Sorge, da diese heutzutage als weitgehend vermeidbar gelten.“

Der Mortalitätsforscher vermutet, dass es Defizite bei der Vorbeugung gibt. Zu späte Diagnosen erschwerten zudem eine erfolgreiche Behandlung.

Am besten wären Präventionsexpertinnen und -experten, die sich die Zeit nehmen können, die Menschen ausführlich über die gesundheitlichen Vorteile eines anderen Lebensstils aufzuklären

Heribert Schunkert, Deutsche Herzstiftung

Die Ergebnisse sind für Fachleute wenig überraschend. Deutschland habe allgemein ein Problem mit einem Lebensstil, der ungesund für Herz und Kreislauf sei, sagt Heribert Schunkert dem Tagesspiegel. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums München. „Ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung und eine zu hohe Arbeits- und Stressbelastung hinterlassen ihre Spuren.“ So sei die Lebenserwartung in südeuropäischen Ländern wie Spanien oder Italien allein schon durch die herzgesündere mediterrane Kost höher.

Um das zu ändern, bräuchte es eine grundlegenden Umbau des deutschen Gesundheitswesens, in dem der Präventionsgedanke mehr Gewicht bekomme. „Die gesetzlichen Gesundheitscheckups sind ja gut und richtig, aber in einer mit Akutfällen überlasteten Arztpraxis nur schwer nutzvoll umzusetzen“, sagt Schunkert. Da fehle dem Arzt einfach die Zeit, um mit dem Patienten ausführlich über dringend notwendige Änderungen im Lebensstil zu sprechen. „Am besten wäre es, wenn es dafür Präventionsexpertinnen und -experten gäbe, die sich die Zeit nehmen können, die Menschen ausführlich über die gesundheitlichen Vorteile aufzuklären, die eine gesündere Lebensweise mit sich bringt, und darüber, wie man die ja auch anstrengende Änderung des Lebensstils erfolgreich umsetzen kann.“

„Große wirtschaftliche Stärke und ein für den Großteil der Bevölkerung gut zugängliches und leistungsfähiges Gesundheitssystem stehen in Kontrast zu einer westeuropäischen Schlusslichtposition bei der Lebenserwartung“, erklärte Grigoriev. Der Widerspruch zwischen den hohen Investitionen in die Gesundheitsversorgung und den Ergebnissen bei der Lebenserwartung sei ein Warnsignal für die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems. (mit dpa)

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