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Der Befreiungsschlag, den Macron sich Anfang Januar von der Ernennung des jungdynamischen Attal (35) zum Premierminister erhofft hatte, ist bislang nicht gelungen.

© dpa/LUDOVIC MARIN

Macrons Hoffnungen nicht erfüllt: Frankreichs junger Premier Attal kann Vorsprung der Rechten nicht stoppen

Der im Januar als Premierminister ernannte Gabriel Attal sollte Dynamik in die stockende zweite Amtszeit von Präsident Macron bringen. Doch seine 100-Tage-Bilanz fällt verhalten aus.

Plötzlich fehlen Milliarden in Frankreichs Staatshaushalt, die Regierung von Präsident Emmanuel Macron lahmt und vor der Europawahl liegt die Partei von Rechtspopulistin Marine Le Pen in Umfragen beunruhigend weit vorn. Der Befreiungsschlag, den Macron sich Anfang Januar von der Ernennung des jungdynamischen Gabriel Attal (35) zum Premierminister erhofft hatte, ist bislang nicht gelungen. Während Macron zwar auf internationaler Bühne etwa mit dem Vorstoß zu Bodentruppen in der Ukraine die Agenda anschiebt, steckt er daheim zunehmend in der Klemme.

Weder glückte es dem Präsidenten mit der Ernennung von Attal, seiner zweiten Amtszeit neue Dynamik zu verleihen. Noch ging sein Kalkül auf, mit dem eloquenten Ex-Regierungssprecher Attal vor der Europawahl Le Pen Paroli zu bieten. Längst muss Attal 100 Tage nach Amtsantritt an unpopulären Sparmaßnahmen feilen, denn Frankreichs Staatsfinanzen sind in eine bedrohliche Schieflage geraten.

Attals Aufrufe an die Opposition blieben erfolglos

Trotz dieser durchwachsenen Bilanz betonte Attal auf X (ehemals Twitter) am Donnerstag, seinem 100. Tag im Amt, seine Entschlossenheit. „In einem Kontext, in dem es Schwierigkeiten gibt, in dem es Franzosen gibt, die zweifeln, leiden und besorgt sind, gelingt es uns, miteinander zu sprechen“, sagte der Regierungschef. „Nicht alles kann an einem Tag geregelt werden“, meinte er aber. Dabei hatte sich Attal mit seiner zupackenden Art gleich zum Start als erfolgreicher Krisenmanager bewiesen.

Anfang Januar 2024 wurde Gabriel Attal, damals 34 Jahre alt, zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Damit ist er der jüngste Premierminister in der Geschichte Frankreichs. 
Anfang Januar 2024 wurde Gabriel Attal, damals 34 Jahre alt, zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Damit ist er der jüngste Premierminister in der Geschichte Frankreichs. 

© dpa/BERTRAND GUAY

Ihm gelang es, eine für Frankreich bedrohliche Protestwelle von Bauern einzudämmen. Während die Traktoren in langen Kolonnen Richtung Paris rollten, suchte Attal Landwirte in der Provinz auf, um sich deren Probleme erklären zu lassen und kündigte prompt von einem Hofgelände aus Regierungshilfe an, während sein Redemanuskript dabei medienwirksam auf einem Strohballen lag. Da Attal den Ruf hat, auch mit Vertretern anderer politischer Lager in der Sache diskutieren zu können, war die Hoffnung, dass er Bewegung in die festgefahrene Lage in der Nationalversammlung bringen könnte.

Seit eineinhalb Jahren hat Macrons Lager dort keine absolute Mehrheit mehr und viele Regierungsvorhaben sind ein kräftezehrendes Ringen, denn Kompromisse und Koalitionen sind in der französischen Politik weniger gebräuchlich als in Deutschland. Attals Aufrufe an die Opposition zur Zusammenarbeit aber blieben ebenso erfolglos wie das lange Ringen seiner Amtsvorgängerin Élisabeth Borne um verlässliche Bündnisse im Parlament.

Steigende Umfragewerte für rechtsnationale Partei

Aussichten auf eine Kooperation mit den konservativen Républicains, für die sich auch der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy einsetzte, gibt es nicht mehr. Der Chef der Républicains, Éric Ciotti, drohte Attal kürzlich gar mit einem Misstrauensvotum. Eher noch vergrößert hat sich seit Attals Amtsantritt der Vorsprung des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) in Umfragen zur Europawahl. Dabei war die Hoffnung ursprünglich, dass Attal dem wortgewandten RN-Chef Jordan Bardella mehr entgegensetzen kann, als dies der vorherigen Premierministerin gelang.

Die französische Politikerin Marine Le Pen ist das Gesicht der als rechtspopulistisch bis rechtsextrem eingestuften Partei Rassemblement National (RN).
Die französische Politikerin Marine Le Pen ist das Gesicht der als rechtspopulistisch bis rechtsextrem eingestuften Partei Rassemblement National (RN).

© AFP/STEPHANE DE SAKUTIN

Nach einer Ipsos-Umfrage vor wenigen Tagen kommt das RN auf 32 Prozent Zustimmung, das Regierungslager auf 16 Prozent und ein sozialistisches Bündnis auf 13 Prozent. Sollte sich dieses Kräfteverhältnis bei der Wahl Anfang Juni bestätigen, hätte dies massive Auswirkungen auf den Rest von Macrons Amtszeit. Richtig ins Schwitzen gekommen ist die Regierung angesichts großer Haushaltslöcher, die es zu stopfen gilt. Allzu rosig waren die dem Etat zugrundeliegenden Annahmen.

Das Defizit fiel im vergangenen Jahr größer aus als kalkuliert und auch im laufenden Jahr sieht es, wie kürzlich klar wurde, nicht gut aus. Pläne der Regierung, dennoch ab 2027 wieder die EU-Defizitgrenze von drei Prozent einzuhalten, bezeichnete der Hohe Rat für die öffentlichen Finanzen am Mittwoch als wenig glaubwürdig und inkohärent. Nötig sei ein drastischer Sparkurs mit reduzierten öffentlichen Ausgaben, dasselbe mahnte auch Frankreichs Rechnungshof an.

Attal arbeitet bereits an unpopulären kurzfristigen Sparmaßnahmen wie einer Kürzung des Arbeitslosengeldes und Einschnitten bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, um ohne Steuererhöhungen die Notlage zu bewältigen. Aber solche Schritte können im streikfreudigen Frankreich für gehörigen Unmut sorgen, was im Anlauf zu den Olympischen Spielen im Sommer in Paris nichts Gutes erahnen lässt. An seinem 100. Tag im Amt machte Attal die ausufernde Jugendgewalt in Frankreich zum Thema und kündigte mehr Strenge und schnelleren Strafen, aber auch Prävention und Erziehungshilfen an.

„Wir brauchen einen Autoritätsschub“, sagte er in der Pariser Umlandgemeinde Viry-Châtillon. Dort war Anfang April ein 15-Jähriger von einer Gruppe junger Männer totgeprügelt worden, eine Welle ähnlicher Gewalttaten erschüttert im Moment Frankreich. Wie zuvor schon bei anderen Problemen, die das Land plagen, kündigte Attal ein ganzes Bündel an Maßnahmen und ein Regierungshandeln im Eilschritt an. Messen werden die Französinnen und Franzosen die Regierung am Ende an Ergebnissen, und nicht an Ankündigungen. (dpa)

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