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 Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der chinesische Präsident Xi Jinping (r.). 

© Reuters/Sputnik/Grigory Sysoev

Ein Club autoritärer Staaten: Iran wird Mitglied von Chinas und Russlands Sicherheitsbündnis

Der Iran wird Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – eines Bündnisses gegen den Westen. Was bedeutet das für Europa?

Es ist ein Bündnis gegen die USA, Europa, die G7 – und alle Werte, die sie vertreten. Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping und Russlands Machthaber Wladimir Putin haben sich beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) deutlich gegen den Westen gewandt und sich gegen Protektionismus und Sanktionen verwahrt.

Bei dem Treffen am Dienstag wurde der Iran als neues Mitglied in die Organisation aufgenommen – eine geradezu provozierende Geste angesichts der aktuellen Entwicklungen in dem Land.

Seit Monaten protestiert die iranische Bevölkerung gegen das autoritäre Regime. Die Frauen und Männer fordern ein Ende der Unterdrückung sowie Menschen- und Freiheitsrechte, worauf die Sicherheitskräfte mit massiver Gewalt und Verhaftungen reagieren.

Neue Spielräume für Iran

Ungeachtet dessen stärken China und Russland, die neben Indien die einflussreichsten Mitglieder der SCO sind, den Mullahs nun den Rücken.

„Der Beitritt gibt Iran neue Spielräume, durch den wachsenden Handel mit SCO-Staaten die Auswirkungen der westlichen Sanktionen auszugleichen“, sagt Marina Rudyak, Expertin für Sicherheitspolitik an der Universität Heidelberg. Außerdem erhoffe sich das iranische Regime durch „die formalisierte Allianz mit Russland und China mehr Manöverraum bei künftigen Verhandlungen mit den USA und der EU“.

Was will die SCO?

„Die SCO ist eine expandierende, schnell wachsende Organisation“, sagt Moritz Rudolf, China-Experte an der Yale Law School, dem Tagesspiegel. „Ihr Kernbereich ist die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, der Kampf gegen die sogenannten drei Übel: Extremismus, Terrorismus und Separatismus.“ Konkret ginge es um eine stabile Sicherheitslage, etwa in Afghanistan, Zusammenarbeit der Geheimdienste, Kampf gegen Waffen- und Drogenschmuggel sowie Cybersouveränität.

Zudem will die Organisation im Handels- und Wirtschaftsbereich zusammenarbeiten. „Das scheitert jedoch noch immer an der praktischen Umsetzung, weil die Verflechtungen der Länder noch nicht so eng sind. Der Iran hat im vergangenen Jahr sogar eine SCO-Währung ins Spiel gebracht“, sagt Rudolf. Aber hierfür stünden die Diskussionen noch ganz am Anfang und er rechne aufgrund hoher Hürden in den Mitgliedsländern nicht mit einer schnellen Einführung.

Wie mächtig ist das Bündnis?

Was als loses Staatenbündnis begann, wird immer stärker institutionalisiert. „Insgesamt kann man beobachten, dass die SCO immer formeller wird und auch Kooperationen mit den Vereinten Nationen, UN-Organisationen oder regionalen Bündnissen, wie der Asean, vorantreibt“, sagt Rudolf.

Das Beispiel Iran zeigt, wie die Organisation funktioniert: Während das Regime hofft, sich stärker gegen westliche Sanktionen zu positionieren und sich aus der internationalen Isolation zu befreien, verfolgen auch Peking und Moskau eine Agenda.

Iran ist ein wichtiges Instrument in Moskaus Anti-Nato-Agenda und liefert Drohnen, die im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden.

Marina Rudyak, Vertretungsprofessorin für Gesellschaft und Wirtschaft Chinas an der Universität Göttingen

„Für Russland ist das Interesse an Irans Beitritt klar: Iran ist ein wichtiges Instrument in Moskaus Anti-Nato-Agenda und liefert Drohnen, die im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden“, sagt Rudyak. Für China sei der Beitritt ein Tor zur Erweiterung der Neue-Seidenstraße-Intiative in Westasien und ein weiterer Schritt im Bemühen, sich als diplomatische Kraft in der Region zu positionieren.

„China will die SCO mit möglichst vielen gleichgesinnten Mitgliedern relevant und einflussreich machen. Gerade in den vergangenen Jahren ist eine neue Dynamik entstanden: Neben den Beobachtern – die Mongolei, Afghanistan und Belarus – gibt es noch staatliche Dialogpartner, wie Sri Lanka, Nepal und Kambodscha, aber auch Armenien und Aserbaidschan“, sagt Rudolf.

Denselben Status haben Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Malediven und Myanmar. Das zeige, wie groß die SCO sei und werden solle – insgesamt entwickele sie sich „zu einem Club autoritärer Staaten, die gemeinsam ihre Interessen vorantreiben“, so der Experte.

Wichtig ist hierbei: China muss nicht mehr um Mitglieder werben. Viele Länder, vor allem in der arabischen Welt, streben vielmehr aus eigenem Interesse eine Mitgliedschaft an. Der erste Schritt ist, Dialogpartner zu werden.

In der Größe des Bündnisses liegt aber auch ihr größter Nachteil. Die einzelnen Mitglieder verfolgen eigene, gegensätzliche Interessen oder stehen sogar im Konflikt zueinander, wie etwa Indien und Pakistan. Das lässt die Organisation immer wieder an ihre Grenzen stoßen. Dennoch sollte der Einfluss der SCO nicht unterschätzt werden, warnen Beobachter.

„Bei Menschenrechtsfragen ist auffällig, dass die SCO einen Block bei den Vereinten Nationen bildet: 2015 etwa gab es eine Menschenrechtsresolution zum Iran und alle SCO-Mitglieder haben dagegengestimmt“, sagt Rudolf. „Ähnliches beobachten wir, wenn auf UN-Ebene Chinas Vorgehen gegen die Uiguren in Xinjiang verurteilt werden soll.“

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