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In der überfluteten Stadt Oleschky stehen Häuser unter Wasser. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine entwickelt sich rasch zu einer langfristigen Umweltkatastrophe.

© dpa

Nach dem Kachowka-Dammbruch: „Wenn Helfer sich auf die russische Seite wagen, werden sie erschossen“

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms ist die Not bei den Menschen in der ukrainischen Oblast Cherson groß. Besonders dramatisch ist Situation für die Menschen am Ostufer des Flusses.

Etwas mehr als eine Woche ist es nun her, seitdem der Kachowka-Staudamm im Süden der Ukraine zerstört wurde. Ganze Städte wurden durch die Wassermassen des Dnipro unter Wasser gesetzt, Tausende Menschen mussten fliehen. Betroffen ist sowohl das von Russland besetzte Ostufer (linkes Ufer) als auch ukrainische Gebiete auf der Westseite (rechtes Ufer).

Der Tagesspiegel hat mit zwei Anwohnern gesprochen.

Katerina, eine freiwillige Helferin in Cherson (unter ukrainischer Kontrolle):

Wie ist die Lage in und um Cherson?
Wir warten darauf, bis das Wasser weiter zurückgeht. Es sinkt nach und nach. Allerdings bereiten wir uns auf eine Verschlechterung der Bedingungen vor, wenn die Folgen der Überflutung sichtbar werden. Es liegt noch viel Arbeit vor uns: Das Wasser ist mit Abfällen, Leichen und Chemikalien verseucht. Deswegen sammeln wir die notwendigen Hilfsgüter für eine derartige Katastrophe: Antiseptika, Antibiotika, Gummihandschuhe – solche Dinge.

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Wie groß ist der Bedarf?
Riesig. Es ist schwierig, all die Menschen bei dem Chaos zu erreichen. Meistens fragen sie nach Hygieneartikeln und Kleidung. Auch Desinfektionsmittel, Beruhigungsmittel, Grippe- und Erkältungsmedizin geben wir aus. Was das rechte Ufer (von Russland gehalten) betrifft, so befinden sich viele Menschen immer noch im Überschwemmungsgebiet, und es gibt keine Möglichkeit, ihnen zu helfen. Dafür sind die Wege über den angeschwollenen Fluss zu weit und zu gefährlich.

Welche Gefahr stellt der Ausbruch von Krankheiten dar?
Das Wasser ist mit allerlei Schadstoffen verseucht. Wenn alles abgetrocknet ist, werden wir versuchen, so viel wie möglich auszuwaschen und zu reinigen. Aber die Umweltschäden sind immens. Gerade die Böden, die das Wasser aufnehmen, werden belastet sein. Und natürlich steigt dadurch das Risiko von Krankheiten.

In einem überfluteten Viertel in Cherson stehen Häuser unter Wasser, welches zum Teil mit Öl verschmutzt ist.

© dpa/Uncredited

Gibt es immer noch Überschwemmungen in der Stadt?
Etwa fünf Prozent der Stadt sind immer noch überflutet, aber das Wasser geht zurück. Leider geschieht das nicht so schnell, wie wir es uns wünschen. Zurzeit regnet es in Cherson, was die Arbeit ebenfalls erschwert. Aber die Menschen helfen, wo sie nur können.

Es gibt Berichte, dass die Menschen in den von Russland besetzten Gebieten kaum Hilfe bekommen.
Am rechten Ufer ist die Lage unter Kontrolle. Anders sieht es am linken Ufer aus, das von den Russen besetzt ist. Dort ist die Situation katastrophal, da die Evakuierung und die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und Trinkwasser durch Russland blockiert werden. Die Menschen sind teils in ihren Häusern eingeschlossen. Wenn freiwillige Helfer versuchen, auf der russischen Seite zu helfen, werden sie erschossen. Erst gestern wurden freiwillige Helfer und Katastrophenschutz-Mitarbeiter verwundet.

Anonim lebt linksseitig des Dnepr (unter russischer Kontrolle). Er beschreibt eine prekäre Situation.

„Es gibt sehr viele russische Soldaten in unserer Siedlung, meine Eltern wurden bereits dreimal durchsucht. Sie haben das Boot beschlagnahmt. Aus Angst vor Übergriffen trauen wir uns nur, in Gruppen loszuziehen, um Lebensmittel zu kaufen.

Wir werden gezwungen, uns russische Pässe zu besorgen, ohne die wir keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Ohne russischen Pass können wir weder ins Krankenhaus noch einen Krankenwagen rufen. Dazu gibt es einen schrecklichen Mangel an Medikamenten, ebenso bei den Lebensmitteln. Mit ukrainischen ‚Griwna‘ kann man nicht mehr bezahlen. Ich und meine Eltern leben in der permanenten Angst, bespitzelt und denunziert zu werden. Jeder der Nachbarn könnte mit den Russen zusammenarbeiten und einen anschwärzen.

Während der Flut haben wir alles auf den Dachboden geräumt. Das Wasser stieg immer weiter, aber Gott sei Dank hat es sich rechtzeitig wieder zurückgezogen.“

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