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Muharrem İnce tritt bei Präsidentenwahl gegen Erdoğan und Kılıçdaroğlu an.

© dpa/Oliver Weiken

Präsidentschaftswahl in der Türkei: Muharrem İnce könnte zum Spielverderber werden

Populist İnce tritt am 14. Mai gegen Erdoğan und Kılıçdaroğlu an. Damit könnte er die Front gegen den amtierenden Präsidenten spalten.

Bisher lief der Wahlkampf gut für die türkische Opposition. Ihr Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu sicherte sich wenige Woche vor den Wahlen am 14. Mai die Unterstützung von sieben Parteien, während Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan in den Umfragen absackte.

Doch jetzt ist ein Spielverderber aufgetaucht. Der Populist Muharrem İnce will im Mai sowohl gegen Erdoğan als auch gegen Kılıçdaroğlu antreten. Realistische Aussichten auf Erfolg hat İnce nicht. Doch seine Präsidentschaftskandidatur könnte das Oppositionslager spalten und Erdoğan zum Sieg verhelfen.

In den Umfragen kommt İnce auf weniger als acht Prozent. Er liegt damit weit hinter Kılıçdaroğlu, der je nach Befragung zwischen 46 und 57 Prozent erreicht, und Erdoğan, der bei 40 bis 53 Prozent gesehen wird. İnces Kandidatur ist trotzdem wichtig, weil sie eine Entscheidung in der ersten Wahlrunde am 14. Mai verhindern könnte: Erreicht kein Kandidat mehr als 50 Prozent, gehen die beiden Bestplatzierten am 28. Mai in die Stichwahl.

İnce könnte Kılıçdaroğlus Sieg in der ersten Wahlrunde verhindern

Diese Konstellation beschert İnce viel Aufmerksamkeit. Der 58-jährige kommt aus Kılıçdaroğlus Partei CHP und war jahrelang dessen schärfster innerparteilicher Rivale. Vor fünf Jahren stellte ihn die CHP dennoch als Präsidentschaftskandidaten der Partei auf. İnce verlor gegen Erdoğan in der ersten Runde: Mit knapp 31 Prozent blieb er weit hinter Erdoğan zurück, der sich 52 Prozent sicherte.

Die Wahl 2018 wurde zum bisherigen Tiefpunkt von İnces Karriere. Am Wahlabend versteckte er sich vor der Öffentlichkeit und gestand sein Scheitern lediglich in einer Textbotschaft an einen Journalisten ein: „Der Mann hat gewonnen“, schrieb İnce damals über Erdoğan.

Ihm wurde nachgesagt, sich mit einem kräftigen Schluck aus der Schnapsflasche über seine Niederlage gegen Erdoğan hinweggetröstet zu haben und deshalb nicht öffentlich aufgetreten zu sein. Nach der Wahl verschwand İnce in der Versenkung.

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Jetzt ist er wieder da. Mit seiner vor zwei Jahren gegründeten Heimat-Partei verspricht er, Erdoğans Ein-Mann-System abzuschaffen und die Gewaltenteilung zu stärken.

Damit liegt İnce inhaltlich auf einer Linie mit Kılıçdaroğlus Bündnis aus sechs Parteien, das außerdem von der Kurdenpartei HDP unterstützt wird. Deshalb fragen Kritiker, warum İnce überhaupt kandidiert. Mehr als hundert frühere CHP-Abgeordnete riefen İnce auf, seine Bewerbung zurückzuziehen, weil er die Oppositionsfront gegen Erdoğan schwäche.

Lässt İnce sich seine Kandidatur abkaufen?

İnce antwortet selbstbewusst, er werde am 14. Mai viele Stimmen von enttäuschten Regierungsanhängern einfahren und damit Erdoğans Niederlage besiegeln. Doch nach Einschätzung von Experten kommen die meisten Wähler von İnce aus dem Oppositionslager. Darunter sind besonders viele Jungwähler, die mit dem 74-jährigen Kılıçdaroğlu nichts anfangen können.

Mehmet Ali Kulat, Chef des Meinungsforschungsinstituts MAK, schätzt İnces Wählerpotenzial auf deutlich weniger als zehn Prozent. Sollte İnce am 14. Mai ein Ergebnis in dieser Größenordnung erzielen, werde eine Stichwahl zwischen Kılıçdaroğlu und Erdoğan wahrscheinlich, sagte Kulat türkischen Medien. Davon würde nach seiner Meinung allein Erdoğan profitieren.

Kritiker spekulieren, dass sich İnce einen Rückzug aus dem Rennen abkaufen lassen will, etwa mit der Aussicht auf einen Regierungsposten nach der Wahl und sicheren Listenplätzen für Politiker seiner Heimat-Partei.

Nach einem Treffen mit Kılıçdaroğlu diese Woche erklärte İnce, er bleibe bei seiner Kandidatur. Trotzdem wird laut Medienberichten hinter den Kulissen weiter über einen Deal verhandelt, der İnces Bewerbung zugunsten von Kılıçdaroğlu beenden würde.

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