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Offshore-Patrouillenschiff Turva des finnischen Grenzschutzes am 11. Oktober 2023 auf See in der Nähe der Stelle, an der die beschädigte Balticconnector-Gaspipeline im Finnischen Meerbusen geortet wird.

© REUTERS/LEHTIKUVA

Update

Schaden an Gaspipeline Balticonnector: Finnland und Estland gehen von Fremdeinwirkung aus

Die Staatschefs Finnlands und Estlands glauben nicht an eine natürliche Ursache für den Druckabfall in der Leitung. Die Bundesregierung hat beiden Ländern ihre Solidarität zugesichert.

| Update:

Finnland und Estland gehen davon aus, dass Schäden an einer Gas-Pipeline in der Ostsee sowie an einem Kabel auf Fremdeinwirkung zurückzuführen sind.

„Es ist wahrscheinlich, dass der Schaden sowohl an der Gasleitung als auch am Datenkabel durch äußere Aktivität verursacht wurde“, teilte der finnische Präsident Sauli Niinistö am Dienstag mit. „Was den Schaden genau verursacht hat, ist noch nicht bekannt.“

Der estnische Präsident Alar Karis äußerte sich ähnlich: „Mittlerweile wissen wir, dass die Ursache nicht in der Natur, sondern vermutlich in menschlichem Handeln begründet liegt. Wer, warum und wie? Fahrlässigkeit oder Vorsatz? Diese Fragen müssen noch beantwortet werden“, schrieb Karis auf Facebook nach seiner Ankunft zu einem Besuch in Südkorea.

Es ist wahrscheinlich, dass der Schaden (...) durch äußere Aktivität verursacht wurde.

Sauli Niinistö, finnischer Präsident

Konkret von Sabotage sprachen weder Karis noch Niinistö. Nach Informationen des finnischen Rundfunksenders Yle wird jedoch davon ausgegangen, dass es sich nicht um einen Unfall handelt. Die finnische Zeitung „Iltalehti“ berichtete gar, Regierung und Militär vermuteten, dass Russland die Leitung angegriffen habe. Von Regierungsseite wurde das nicht bestätigt.

Mutmaßliche Explosion registriert

Im Bereich der beschädigten Gaspipeline hat das seismologische Institut Norwegens (Norsar) in der Nacht zum Sonntag zudem eine „mutmaßliche Explosion“ registriert. „Norsar hat am 8. Oktober 2023 um 01.20 Uhr (Ortszeit, 00.20 Uhr MESZ) eine mutmaßliche Explosion vor der finnischen Ostseeküste festgestellt“, erklärte das unabhängige seismologische Institut am Dienstag auf seiner Webseite.

Die betroffene Pipeline Balticconnector verläuft zwischen Finnland und Estland. Die Betreibergesellschaften Gasgrid (Finnland) und Elering (Estland) hatten am frühen Sonntagmorgen einen plötzlichen Druckabfall in der Leitung bemerkt.

Der Gastransport zwischen den beiden EU-Ländern wurde daraufhin unterbrochen. Die Betreiber leiteten Untersuchungen ein. Berichten zufolge wurden bei den Ermittlungen auch das Militär und der Geheimdienst hinzugezogen.

Gasversorgung beider Länder laut Betreiber gesichert

„Aufgrund des ungewöhnlichen Druckabfalls liegt die begründete Vermutung nahe, dass die Ursache des Vorfalls eine Beschädigung der Offshore-Gas-Pipeline und ein daraus resultierendes Leck waren“, teilte Gasgrid am Dienstag mit. Das Gasleck sei mit der Isolierung des Teilabschnitts gestoppt worden.

Die finnische Energie-Gesellschaft Gasgrid erklärte inzwischen, es könnte Monate dauern, die Schäden zu beheben. Den zuständigen Betreibern zufolge kann der Erdgas-Bedarf in beiden Staaten aus anderen Quellen gedeckt werden, auch im Winter.

Der finnische Premierminister Petteri Orpo spricht auf einer Pressekonferenz in Helsinki über den Vorfall an der Balticconnector-Erdgaspipeline zwischen Finnland und Estland.
Der finnische Premierminister Petteri Orpo spricht auf einer Pressekonferenz in Helsinki über den Vorfall an der Balticconnector-Erdgaspipeline zwischen Finnland und Estland.

© REUTERS/LEHTIKUVA/JUSSI NUKARI

Auch der Staatschef Estlands versicherte, dass die Sicherheit der Gasversorgung und die grenzüberschreitende Internetverbindung Estlands nicht gefährdet seien. „Es ist jedoch klar, dass mehr Wachsamkeit, mehr Zusammenarbeit und mehr Ressourcen erforderlich sind, um die Sicherheit der Ostsee und unserer Verbindungen sowie der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten“, schrieb Karis. „Das ist ein wichtiges Thema der nationalen Sicherheit Estlands, das jetzt im Fokus unserer Aufmerksamkeit bleiben muss.“

Stoltenberg kündigt entschiedene Antwort der Nato an

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat für den Fall eines Sabotageaktes eine „entschiedene Antwort“ des Bündnisses angekündigt. Es gelte nun festzustellen, wie es zu dem Leck an der Ostsee-Pipeline kommen konnte, sagte Stoltenberg am Mittwoch bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel.

Das Militärbündnis untersuche, ob es sich um einen „gezielten Angriff auf kritische Nato-Infrastruktur“ gehandelt habe. Sollte sich der Verdacht der Sabotage bestätigen, werde es „eine vereinte und entschiedene Antwort der Nato“ geben, erklärte Stoltenberg. 

Deutschland sichert Estland und Finnland Solidarität zu

Die Bundesregierung hat Estland und Finnland ihre volle Unterstützung und Solidarität zugesichert. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte am Mittwoch, es sei jetzt eine gründliche Untersuchung nötig, um zu klären, wer für diese Schäden verantwortlich ist.

Innerhalb der Nato stehen wir natürlich im engen Austausch zu den Vorfällen von Sonntag.

Sprecher des Auswärtigen Amts

„Innerhalb der Nato stehen wir natürlich im engen Austausch zu den Vorfällen von Sonntag. Generalsekretär (Jens) Stoltenberg hat ja auch deutlich gemacht, dass wir als Allianz selbstverständlich bereitstehen, die Bündnispartner Estland und Finnland zu unterstützen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Deutschland arbeite mit den EU- und Nato-Partnern daran, den Schutz der kritischen unterseeischen Infrastruktur zu sichern und zu verstärken. 

Einzige Erdgaspipeline nach Finnland

Balticconnector war Anfang 2020 in Betrieb genommen worden. Die rund 150 Kilometer lange Pipeline ist die einzige Leitung, über die Finnland Gas importieren kann, nachdem die Importe aus Russland im Mai 2022 gestoppt wurden. Sie verläuft vom finnischen Inkoo über den Finnischen Meerbusen bis ins estnische Paldiski, der betroffene Offshore-Abschnitt im Meer ist gut 77 Kilometer lang.

Sie ist deutlich kürzer als die Gasleitungen Nord Stream 1 und 2, die vor rund einem Jahr bei Sabotageakten in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm schwer beschädigt wurden. Wer hinter den Nord-Stream-Anschlägen steckt, ist bis heute unklar.

Anders als bei den Vorfällen an den Nord-Stream-Leitungen verzeichneten Seismologen keine größeren Explosionen, als das Leck entstand. Das sagte Heidi Soosalu vom Geologischen Dienst in Estland am Dienstag dem estnischen Rundfunk.

Ein heftiger Sturm am Wochenende oder eine Beschädigung der Leitung durch den Wellengang könnten als mögliche Ursachen ausgeschlossen werden, sagte Elering-Vorstandschef Kalle Kiik.

Russland bezeichnet Berichte als „alarmierend“

Russland hat Berichte über die Beschädigung der Ostsee-Pipeline Balticconnector zwischen Finnland und Estland als „alarmierend“ bezeichnet. „Ich habe keine technischen Informationen (...), aber das ist natürlich eine ziemlich alarmierende Neuigkeit, denn wir wissen, dass es bei der Ausführung von Terroranschlägen gegen kritische Infrastruktur bereits Präzedenzfälle im Baltikum gegeben hat“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Er spiele damit auf die aufsehenerregende Sabotage an den Nord-Stream-Gasleitungen vor rund einem Jahr an, so Peskow. Die Pipelines brachten russisches Gas nach Deutschland. 

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Finnland im Mai 2022 den Beitritt zur Nato beantragt. Vor rund einem halben Jahr wurde das nordische EU-Land dann als 31. Mitglied in das Verteidigungsbündnis aufgenommen. Es grenzt auf einer Länge von rund 1340 Kilometern an Russland. (dpa/AFP/jas)

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