zum Hauptinhalt
Das berühmteste Gasleck der Welt – ein Jahr nach Zerstörung von drei der vier Nord-Stream-Röhren ist nur wenig über die Tat und die Täter bekannt.

© Imago/Abaca Press/Danish Defence Commad

Ein Jahr nach dem Nord-Stream-Anschlag: Die wichtigste Spur ist 15 Meter lang

Vor einem Jahr zerstörte eine Explosion die Pipeline Nord Stream. Über den Anschlag gegen eine für Deutschland wichtige Infrastruktur ist wenig bekannt. Was geben die Ermittler preis – und was nicht?

In Karlsruhe spielt der Jahrestag keine große Rolle. Zumindest plant die dortige Bundesanwaltschaft nicht, an diesem Dienstag, wenn die Sprengung von drei der vier Nord-Stream-Röhren genau zwölf Monate zurückliegt, über mögliche Tatverdächtige zu informieren. Überhaupt wurde zum ganzen Vorgang bisher keine einzige Pressemitteilung veröffentlicht.

Der Generalbundesanwalt, der seit dem 10. Oktober 2022 mit der Hilfe von Bundeskriminalamt und Bundespolizei ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie der verfassungsfeindlichen Sabotage „gegen Unbekannt“ führt, hat nur auf Anfrage einige wenige Details bekannt gegeben.

Zu möglichen Tätern gibt es gar nichts. „Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden“, teilte die Sprecherin der Behörde dem Tagesspiegel mit – man gehe „sämtlichen Hinweisen“ nach. 

Hinter der Formulierung verbirgt sich, dass auch untersucht wird, ob etwa an der vom Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh vorgebrachten Version etwas dran sein könnte – wofür es bisher aber offenbar keine Indizien gibt. Er hatte mit Verweis auf eine Quelle behauptet, US-Präsident Joe Biden habe Kampftaucher mit der Zerstörung beauftragt, um die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden. Die Spezialkräfte hätten im Juni 2022, im Schutz eines Nato-Manövers, mit Langzeitzündern versehene Sprengsätze gelegt.

Eine Jacht oder ein Konvoi?

Nachgegangen wird auch auffälligen Bewegungsmustern eines Konvois russischer Schiffe mit Hebekran und Mini-U-Boot, die sich zweimal über den Tatorten befunden haben sollen – im Sommer 2021 wie auch kurz vor dem Anschlag selbst. Sie sollen laut RTL-Informationen aus Baltijsk bei Kaliningrad ausgelaufen sein.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Allerdings ging man bei der Veröffentlichung im März noch davon aus, dass viel Sprengstoff für den Anschlag nötig war. Kürzlich berichtete jedoch der „Deutschlandfunk“ über Untersuchungen aus Schweden, die nahelegten, die großen Schäden an der Pipeline könnten vorrangig durch den Druck des nach einer kleineren Sprengung ausgetretenen Gases verursacht worden sein.

Die wichtigste Spur scheint weiter die 15 Meter lange Segeljacht „Andromeda“ zu sein. Zumindest gab es dazu die beiden einzigen Verlautbarungen aus Karlsruhe. So wurde bestätigt, dass vom 18. bis 20. Januar ein Schiff durchsucht wurde, das „zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte“. Zudem wurde mitgeteilt, man habe in dem Zusammenhang am 25. Mai „die Wohnung einer nichtverdächtigen Person in Frankfurt (Oder) durchsuchen lassen“.

Auf anderem Wege wurde bestätigt, dass auf einem Tisch im Innern der aus Rostock-Warnemünde ausgelaufenen „Andromeda“ tatsächlich Spuren des bei der Tat verwendeten Sprengstoffs gefunden wurden. Dies teilten die UN-Botschafter Deutschlands, Dänemarks und Schwedens im Juli dem Weltsicherheitsrat mit.

Leider leistet das intransparente Vorgehen der Bundesregierung Spekulationen in alle Richtungen Vorschub.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter

Nichts Offizielles gab es zu Berichten, dass insgesamt fünf Männer und eine Frau an Bord waren, die das Schiff mit gefälschten Pässen über ein Warschauer Reisebüro mit dubioser Briefkastenadresse angemietet haben sollen.

Von der ukrainischen zur russischen Spur?

Unbestätigt bleiben auch ARD-Recherchen, wonach ein vorgelegter rumänischer Pass einem jungen Ukrainer mit Verbindungen zum Militär gehört, dessen frühere Lebensgefährtin in Frankfurt (Oder) befragt worden sei. Diese „Spur nach Kiew“ wurde ergänzt durch Berichte, wonach eine in der Ukraine lebende Frau namens „Diana“ Inhaberin der Briefkastenfirma sei. Beispielsweise RTL will sie jedoch in Russland ausfindig gemacht haben, sie lebe eigentlich auf der von Moskau besetzten Halbinsel Krim, habe dort 2014 die vom Westen nie anerkannten Volksabstimmung zur Abspaltung von Kiew organisieren geholfen.

Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter verdichtet sich das Bild, dass es sich „um eine ,false-flag’-Operation handeln könnte“, so der Vize des Geheimdienstkontrollgremiums. Moskaus Motiv wäre demnach, ein Ende der Militärhilfe für die vermeintlichen ukrainischen Täter zu erreichen: „Es passt in die hybride Kriegsführung, die sich gegen ganz Europa richtet.“

„Ich habe großes Vertrauen, dass dieses Verfahren rechtsstaatlich und erfolgreich durchgeführt wird“, sagt der Grüne Konstantin von Notz, der das Gremium leitet .

Das Prinzip „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ versteht auch Kiesewetter, gerade in einem so schwerwiegenden Fall. Als Abgeordneter fühlt er sich jedoch nicht ausreichend informiert: „Wir brauchen eine parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung auf Augenhöhe“, so der Oppositionspolitiker: „Leider leisten die bisherige Informationspolitik und das intransparente Vorgehen der Bundesregierung Spekulationen in alle Richtungen Vorschub.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false