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Blick auf ein durch einen Raketenangriff beschädigtes Wohnhaus in Charkiw.

© IMAGO/UKRINFORM/IMAGO/Vyacheslav Madiyevskyy

Ukraine-Invasion Tag 775: Die Menschen, die bleiben

Selenskyj warnt vor Niederlage seines Landes, Ampel will enge Russland-Kontakte der AfD debattieren. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

In diesem Newsletter berichten wir immer wieder über das Schicksal von Menschen, die direkt vom Krieg betroffen sind – insbesondere in jenen Regionen, die sich nahe der Front befinden. Auch heute soll es darum gehen, genauer gesagt um jene Ukrainer, die trotz größter Gefahr ihr Heim nicht verlassen wollen. Die „New York Times“ hat dazu jetzt einen Artikel veröffentlicht (Quelle hier).

So schreiben die Reporter etwa über die Einwohner in der Hafenstadt Cherson im Süden der Ukraine. Monatelang hätten sie die russische Besatzung, einen kalten Winter ohne Strom und einen nicht enden wollenden Artilleriebeschuss ertragen. Die Gründe, warum dennoch viele blieben, seien vielfältig: die Pflege von Familienmitgliedern, die Betreuung von Vieh oder auch einfach die Liebe zur Heimat. Einige hätten die Stadt verlassen, seien aber nach der Rückeroberung durch das ukrainische Militär wieder zurückgekommen. 

In der Stadt Prokrowsk im Osten der Ukraine trafen sie Wolodymyr Kyrylov, der in einem Bergwerk arbeitet, gerade einmal 34 Kilometer von der Front entfernt. Auch wenn er den Granatenbeschuss unter Tage nicht hören könne, vergessen könne er ihn auch nicht, sagte er der „New York Times“: „Wie könnte ich den Krieg dort unten vergessen, wenn ich meine Familie, meine Kinder und meine Mutter, die allein ist, dort oben habe?“

Zurück im Süden, in der Stadt Huliaipole, gerade einmal sechs Kilometer von der Front entfernt. Noch 1500 Einwohner leben dort, eine davon ist die 79-jährige Halyna Lyushanska. Sie trafen die Reporter Ende vergangenen Jahres in einem beschädigten Krankenhaus. Sie war die einzig verbliebene Patientin. Auch sie will nicht weggehen und ist auf die Hilfe von Regierung und Freiwilligen angewiesen neben ihrer Rente. 

„Der Bürgermeister hatte uns Paletten versprochen, damit wir uns im Winter aufwärmen können“, sagte sie der Zeitung. Offizielle Stellen versprächen immer Hilfe, sagte sie, aber „ich habe nie mit Hilfe gerechnet; ich weiß, dass das nur Lügen sind“. Nun, da der Krieg ins dritte Jahr geht, ist sich auch Halyna Lyushanska bewusst, dass der Alltag für sie und die anderen, die bleiben, immer schwieriger wird. Und dennoch werde es immer Menschen wie sie geben, die blieben – egal wie lange der Krieg dauert.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Angesichts der schwierigen Lage seiner Armee im Osten des Landes hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor einer Niederlage seines Landes gewarnt. Mit Blick auf die ausbleibende weitere Militärhilfe aus den USA sagte Selenskyj bei einer Videokonferenz: „Wenn der Kongress der Ukraine nicht hilft, wird die Ukraine den Krieg verlieren.“ Mehr hier.
  • Die Ampelkoalition will in dieser Woche die Russland-Verbindungen der AfD im Plenum des Deutschen Bundestages debattieren. Das erfuhr der Tagesspiegel am Montag aus Kreisen der Regierungskoalition. Führende Politiker der Partei stehen im Verdacht, Geld aus Russland zu erhalten. Mehr hier.
  • Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla hat Altkanzler Gerhard Schröder zum 80. Geburtstag gratuliert - und dabei ausschließlich seine Nähe zu Russland gewürdigt. Auf der Internetplattform X schrieb er am Sonntag unter anderem, Schröder habe sich als Kanzler „für strategische Partnerschaft mit Russland“ eingesetzt und den Weg für Nord Stream bereitet. Mehr hier.
  • Nach Angriffen auf das Atomkraftwerk in Saporischschja hat die Ukraine Russland vorgeworfen, Falschinformationen zu verbreiten. Moskau greife das Akw mit Drohnen an „und gibt vor, dass die Bedrohung für die Anlage und die nukleare Sicherheit von der Ukraine ausgeht“, erklärte der Leiter des ukrainischen Zentrums für die Bekämpfung von Desinformation, Andrij Kowalenko. Mehr im Newsblog.
  • Russland hat in den vergangenen Wochen den Energiesektor der Ukraine nach Angaben Kiews so massiv angegriffen wie nicht zuvor seit Beginn des Krieges. „Wir können sagen, dass bis zu 80 Prozent der Wärmekraftwerke angegriffen wurden, mehr als die Hälfte der Wasserkraftwerke und eine große Anzahl von Relaisstationen“ für die Stromübertragung, sagte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz bricht am Samstag zu einer Reise in die Volksrepublik China auf. Bei seinen Gesprächen mit der Führung in Peking wolle der Kanzler unter anderem ausloten, inwieweit China auf Russland und dessen Kriegsführung in der Ukraine einwirken könne, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. 
  • Russland will sich Insidern zufolge im Falle von Benzinengpässen infolge der anhaltenden ukrainischen Drohnenangriffe auf Ölraffinerien an Kasachstan wenden. Das Nachbarland in Zentralasien sei darum gebeten worden, eine Notreserve von 100.000 Tonnen Benzin anzulegen, sagten Insider der Nachrichtenagentur Reuters.
  • Immer mehr ukrainische Unternehmen haben Schwierigkeiten, qualifiziertes oder auch ungelerntes Personal zu finden. Zugleich geht die Zahl der Arbeitssuchenden weiter zurück, wie aus der Zahl der Lebensläufe auf Stellensuchportalen hervorgeht. Diese Daten wurden jüngst von der Nationalbank der Ukraine veröffentlicht.
  • Die Ukraine baut ihre Verteidigungskapazitäten entlang der gesamten Grenze zu Belarus und Russland weiter aus. Die Grenztruppen bereiten Befestigungen und Verteidigungsanlagen vor, wie Andriy Demtschenko, Sprecher des staatlichen Grenzschutzdienstes der Ukraine, sagte. 
  • Nach neuen russischen Drohnenangriffen in der Ukraine haben Behörden in den südlichen Gebieten Odessa und Mykolajiw von Schäden berichtet. Im Gebiet Odessa haben Trümmer einer abgeschossenen Drohne ein Objekt der Transportlogistik und eine Tankstelle beschädigt, wie die Behörden am Montag mitteilten. Im Gebiet Mykolajiw sei durch abgeschossene Drohnenteile eine Elektroleitung beschädigt worden.

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