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Werner, der sich auch Bläck Dävil nennt, mit der Band Wellenbrecher.

© KilleKill

Bass ohne Barrieren: Inklusiver Techno mit der Band Wellenbrecher

Technopartys versprechen Freiheit und Verbundenheit auf der Tanzfläche. Aber gilt das auch für Menschen mit Beeinträchtigung? Die Technoband Wellenbrecher will dazu beitragen.

Von Juliane Heffe

„Ich hab mal ‘ne Frage. Was muss ich denn machen, um dazuzugehören?“ Stoisch und rau klingt die Stimme des Mannes, der zu einem Technobeat durch die Plattenhaussiedlungen wandert. Dann ein Maskenball im Club. Irgendwann fallen die Masken – Menschen mit und ohne Beeinträchtigung tanzen. „Wir sind alle Teil der Gesellschaft. Wir gehören alle dazu. Und zwar jetzt sofort.“

So sieht das neue Musikvideo der elektronischen Band Wellenbrecher aus, die Teil des inklusiven Technokollektivs Ick mach Welle ist – einem gemeinsamen Vorhaben des Selbsthilfevereins Lebenshilfe und des Labels KilleKill. Die Idee dazu hatte Produzent und Labelinhaber Nico Deuster 2018 auf einer inklusiven Party im Mensch Meier, für die der Verein ihn als DJ buchte.

Uwe und Werner sind kognitiv beeinträchtigt

Im Hinterzimmer eines Friedrichshainer Ladenbüros schraubt die Band am nächsten Liveset. Ein kleiner, grauer Raum, bestückt mit knallroten Vintagesofas und vielen Schalldämmern. Im Zentrum: Ein langer Tisch, wie ein Altar. Darauf funkelnde Synthesizer und Sequenzer wie Kerzen beim Gottesdienst. Anstelle von Hostien Cola aus blauen Gläsern. Die Priester am Mischpult: Vier Männer mittleren Alters.

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Dave, Uwe, Werner und Nico. Nur Johannes fehlt heute. Uwe und Werner sind kognitiv beeinträchtigt und haben wie über neun Prozent der Menschen in Deutschland eine Schwerbehinderung. Dave, Johannes und Nico nicht. Aber das macht hier keinen Unterschied.

Dave, mittellange Haare, hat jede Menge technisches Know How und einen englischen Akzent. Uwe, verträumt mit Kappe und Brille, bestimmt mit einem Synthesizer den Grundbeat. Er nickt rhythmisch mit dem Kopf. Werner, glatzköpfig, Kamouflagehose, schwarzer Hoodie, berlinert genauso gern wie er beim Singen seine Gefühle ausdrückt. „Ich habe Musik schon immer geliebt, aber niemand hat geglaubt, dass ich mal selbst welche machen kann“, strahlt der ehemalige Förderschüler.

Seine Mutter sei stolz auf ihn. Nico, mit wachen Augen, roter Adidashose, kariertem Hemd und Feierabendbier, ist kein Bandmitglied, sondern Mentor, Manager und seit über 15 Jahren DJ. „Wir wollen, dass die Musiker hinter Wellenbrecher als Künstler wahrgenommen werden – und nicht als Sozialprojekt“, erklärt er. Die Band hat schon auf Festivals wie der Fusion und in Berliner Clubs gespielt.

Ich habe Musik schon immer geliebt, aber niemand hat geglaubt, dass ich mal selbst welche machen kann.

Werner von der Band Wellenbrecher

In der Szene wird stärker auf diverse und paritätische Line-Ups geachtet. Mehr Frauen, queere und nicht-weiße Personen sollen vor und hinter den Decks präsent sein. Doch Menschen mit Beeinträchtigung werden dabei häufig nicht berücksichtigt. Inklusive Party- und Festivalkonzepte wie im Mensch Meier oder beim Krake Festival sind Ausnahmen.

„Normalerweise lassen sie alle rein, aber uns nicht“, sagt Uwe kopfschüttelnd. Auch im Schulsystem, auf dem Arbeitsmarkt und in der Freizeit sei Inklusion noch lange nicht erreicht, sind sich alle Bandmitglieder einig. Das zeigt etwa eine Studie des IAB: Förderschulabsolvent*innen mit Hauptschulabschluss haben auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen als Regelschulabsolvent*innen mit Hauptschulabschluss.

Werner aka Bläck Dävil zeigt stolz ein Foto von sich und seinen Kollegen Uwe und Nico im Buch „Kein Halt mehr – Bilder und Geschichten der Berliner Kunst- und Kulturbranche“. Werner will als Künstler gesehen werden. „Nicht: Das sind Menschen mit Beeinträchtigungen, dann helfen wir denen mal.“

Es gehe um Teilgabe, nicht Teilhabe, so Nico, das heißt selbst etwas zu schaffen, statt nur zuzusehen. Das geschehe heute noch viel zu wenig. Gerade produzieren die Musiker die rauen sowie melodischen Beats für ihr Set noch in der Intimität des gemütlichen Hinterzimmers, zwischen Kabelsalat, Festivalpostern und Limonade. Schon bald werden sie auf Festivals und in Clubs erschallen und zeigen, dass Inklusion keine Zukunftsmusik sein muss.

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