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Daimler AG employees arrive to hold a meeting at the Mercedes-Benz Plant at Marienfelde in Berlin, Germany, September 24, 2020. REUTERS/Michele Tantussi

© REUTERS / Reuters/Michele Tantussi

Mehr Industrie mit mehr Staat: Jarasch stellt Strategie der Grünen vor

Die Re-Industrialisierung Ostdeutschlands mit Berlin im Mittelpunkt ist das Ziel der grünen Industriepolitik. Die IG Metall macht mit.

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Wer große Taten vollbringen will, der setzt sich große Ziele. In Wahlkämpfen sowieso. Aufgrund der Trennung von Stadt und Land ist die industrielle Basis in Ostdeutschland und Berlin vergleichsweise dünn. Im Zuge der Umstellung der Wirtschaft auf eine klimaneutrale Wertschöpfung könnte sich das verändern. Sie stelle sich „Berlin-Brandenburg als Kern einer Re-Industrialisierung Ostdeutschlands“ vor, sagt jedenfalls Bettina Jarasch, die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar.

Mit ihr als Regierender Bürgermeisterin werde es eine „pro-aktive Industriepolitik“ geben, indem sie Bündnisse mit Gewerkschaften und Wirtschaft anschieben wolle, „um die Transformation in Berlin und Brandenburg voranzubringen“, sagte Jarasch am Mittwoch in der Zentrale der Berliner IG Metall, wo sie gemeinsam mit dem örtlichen Gewerkschaftschef Jan Otto „Eckpunkte einer Grünen Industriestrategie“ vorstellte. „Die Zeiten, in denen Grüne die Lieblingsfeinde der IG Metall waren, sind vorbei“, meinte Jarasch. Und Otto, selbst Mitglied der Grünen, freute sich über den Gast und das Strategiepapier, das „in die richtige Richtung geht“. Industriepolitik müsse ein „A-Thema“ sein im Senat, unter der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey sei es das nicht gewesen, sagte der Gewerkschafter.

Kein Problem mit der Verstaatlichung

Die Industriebetriebe mit ihren gut 100.000 Arbeitsplätzen erwirtschaften in Berlin rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung; im Bundesgebiet insgesamt ist der Anteil doppelt so hoch. „Umgeben von einem Bundesland, in dem erneuerbare Energien wie nirgends sonst in Deutschland mit Tempo ausgebaut wurden und die Energiewende konsequent umgesetzt wird, ist Berlin der Zukunftsindustriestandort für die Mobilitäts- und Energiewende“, heißt es im Strategiepapier. „Die Aufgaben der Zeit sind öko-soziale Aufgaben“, glaubt Jarasch, und sieht dabei den Staat in herausragender Rolle agieren. Dazu gehöre die Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes und die Mehrheitsübernahme der Gasag ebenso wie eine branchenspezifische Ausbildungsumlage und die verfassungskonforme Verstaatlichung von Wohnungsunternehmen.

Bettina Jarasch möchte als erste Grüne ins Rote Rathaus.
Bettina Jarasch möchte als erste Grüne ins Rote Rathaus.

© dpa/Monika Skolimowska

„Ich glaube nicht, dass es dem Standort etwas nehmen würde, wenn es dazu kommt“, sagte Jarasch zu Einschätzungn in der Wirtschaft, wonach bereits die Debatte um die Enteignung von Unternehmen schädlich sei für den Wirtschaftsstandort. Die Grünen können sich auch die Beteiligung an Unternehmen durch die landeseigene Investitionsbank IBB vorstellen. „Ein weiterer Aspekt können stille Beteiligungen an essenziellen, zugleich aber risikoreichen Großinvestitionen in grüne Zukunftsindustrien sein, wo solche Investitionen sonst nicht getätigt werden. In Zeiten der Krise existieren solche Beteiligungen zur Sicherung von Schlüsselbetrieben – warum nicht auch zur gezielten Schaffung von Zukunftschancen?“, heißt es im Strategiepapier.

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Die Industriepolitik der Grünen setzt auf sechs Felder an: 1. Transformationsbündnisse mit Betrieben und Gewerkschaften. Dazu soll der „Steuerungskreis Industriepolitik“, der nach Einschätzung von Jarasch und Otto im vergangenen Jahr nichts gebracht hat, zum „Steuerungskreis Transformation der Berliner Industrie“ umgenannt werden. 2. Zur Fach- und Arbeitskräftestrategie, nach Einschätzung von Jarasch ist der Arbeitskräftemangel „das größte Hemmnis der Transformation“, gehört mehr Weiterbildung und die branchenspezifische Ausbildungsumlage, die sich der Grünen zufolge bei Schornsteinfegern bewährt habe. 3. „Grüne Energiepolitik ist Industriepolitik“ - damit ist vor allem der Ausbau der Erneuerbaren und Wasserstoff gemeint.

„Wir wollen den Rückgang des motorisierten Individualverkehrs nicht erzwingen.

Strategiepapier der Grünen

4. Für das Ziel, mehr klimaneutrale Industrien in Berlin-Brandenburg anzusiedeln, nennen die Grünen Beispiele. Der CleanTech Business Park Marzahn, ein Cluster für innovatives, klimaschonendes Bauen (Holzhütte 4.0) in Tegel und das Konsortium GreenChem, das 29 Partner aus der Chemieindustrie und den Berliner Hochschulen zusammengeführt habe. 5. Die Rückkehr sauberer Industrien in die Stadt. 6. Den Aufbau regionaler Lieferketten unter anderem mithilfe der Kreislaufwirtschaft, und schließlich 7. die Innovationsorientierung. In diesem Kapitel findet sich eine Formulierung, die dem Metallgewerkschafter Otto gut gefällt. „Wir wollen den Rückgang des motorisierten Individualverkehrs nicht erzwingen, sondern nutzerorientiert gestalten.“ Die Zeiten der Verteufelung des Autos sind bei den Grünen vorbei.

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