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Schon 2019 trafen sich Kremlchef Wladimir Putin (r.) und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un in Wladiwostok.

© imago images / ITAR-TASS/VALERY MELNIKOV

Kim und Putin in Wladiwostok: Zwei Scheinstarke klammern sich an das Wenige, über das sie noch verfügen

Kremlchef Wladimir Putin trifft Nordkoreas Diktator Kim Jong Un für Verhandlungen in Russland. Das Treffen gibt Anlass zur Sorge, aber es sollte nicht überschätzt werden.

Ein Kommentar von Viktoria Bräuner

Es geht um große Bilder, wenn sich in dieser Woche Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un begegnen. Am Rande eines Wirtschaftsforums in Wladiwostok wollen die beiden offenbar ein neues Abkommen aushandeln: Moskau braucht für den Krieg in der Ukraine Artilleriemunition und Kurzstreckenraketen, Pjöngjang hofft auf Nahrungsmittel für seine hungernde Bevölkerung und auf Waffentechnik, etwa für U-Boote.

In ihren Ländern soll das Treffen als Erfolg verkauft werden. Außenpolitisch wollen Kim und Putin Stärke zeigen, die Welt erschaudern lassen.

Zwei international isolierte Machthaber

Die zwei Machthaber sind für die internationale Gemeinschaft unzugänglich, teils sogar unberechenbar geworden; sie verstecken sich hinter Angriffsdrohungen und versuchen, in westlichen Gesellschaften Verunsicherung zu säen.

Dabei könnten Ihre Biografien unterschiedlicher nicht sein. Putin war KGB-Agent, arbeitete sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Kreml nach oben, verkaufte dem Westen günstiges Gas und galt auf internationalen Gipfeltreffen – bis zu seinem Angriffskrieg in der Ukraine – als Vertreter einer respektierten Großmacht.

Ihr Feind sind die USA, der Westen, die Demokraten dieser Welt.

Viktoria Bräuner, Redakteurin Internationale Politik

Kim wurde in die Diktatorenfamilie eines kleinen, wirtschaftlich am Boden liegenden Landes geboren. Er wuchs in der Schweiz auf und trat erst ins Licht der Öffentlichkeit, als sein Vater Kim Jong Il 2011 starb.

Beide trennen 31 Lebensjahre, dennoch befinden sich ihre „Herrschaftskarrieren“ an einem ähnlichen Punkt. Sie haben nicht nur ihre Länder international isoliert, sondern auch sich selbst. Im Zentrum der Macht stehen sie, umgeben von Loyalisten – eine gefährliche One-Man-Show, bei der Kritik und Widerspruch hart bestraft werden. Ihre Feinde sind die USA, der Westen, die Demokratien dieser Welt.

Der düstere Club der Atommächte geschwächt

Neben China sind ihnen nicht viele Verbündete geblieben. Gemeinsam sind sie ein düsterer Club der Atommächte. Viel mehr als ein Drohmittel sind die Nuklearwaffen jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nicht.

Käme es zum Einsatz, wäre eine vernichtende Reaktion der USA sicher. Selbst Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping, der Putins Angriffskrieg bis heute nicht verurteilt hat, lehnt den Einsatz von Atomwaffen klar ab und hat hier seine rote Linie gezogen.

Aus Angst vor Attentaten verlässt Kim sein Land selten – und wenn, dann im Panzerzug.

Viktoria Bräuner, Redakteurin Internationale Politik

Was sagt es über den Zustand von Russlands Armee und Rüstungsindustrie, wenn das Land Munition aus Nordkorea und Drohnen aus dem Iran kaufen muss? Der russische Angriffskrieg, der als schneller Einmarsch in der Ukraine geplant worden war, dauert inzwischen mehr als 18 Monate. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Putin musste in diesem Jahr einen Putschversuch erleben und hat massive Mobilisierungsprobleme. Das Versprechen des Kremls, die Bevölkerung aus dem Konflikt herauszuhalten, kann er nicht erfüllen.

Kim Jong Un hält sich allein mit Terror an der Macht. Jenseits der Hauptstadt-Elite leiden die Nordkoreaner unter Misswirtschaft und Hungersnöten. Kritiker werden in Arbeitslager gesteckt, auf dem Demokratie-Index steht das Land auf dem weltweit letzten Platz. Aus Angst vor Attentaten verlässt Kim sein Land selten – und wenn, dann im Panzerzug.

Zwei Staatsführer, die in der Ecke stehen

Die Zeiten für Kim und Putin waren schon mal besser. Man erinnere sich, als nord- und südkoreanische Eishockey-Spielerinnen bei den Olympischen Winterspielen 2018 von Pyeongchang gemeinsam starteten.

Das Treffen von Wladimir Putin und Kim Jong Un sollte nicht überschätzt werden.

Viktoria Bräuner, Redakteurin Internationale Politik

Oder an den historischen Moment, als US-Präsident Donald Trump 2019 die Demarkationslinie überschritt und Kim Jong Un die Hand reichte. Was auch immer man von dieser diplomatischen PR-Show halten mag: Miteinander zu sprechen, ist besser, als zu schweigen.

Dies war nach der Annexion der Krim und Teilen der Ost-Ukraine 2014 – ja, selbst nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 – noch der Fall. Putin blieb Mitglied der internationalen Gemeinschaft, reiste zu G20-Gipfeln.

Heute ist das schon deshalb nicht möglich, weil ein internationaler Haftbefehl gegen ihn aufgrund mutmaßlicher Kriegsverbrechen besteht.

Das Treffen von Putin und Kim gibt Anlass zur Besorgnis, sollte aber nicht überschätzt werden. Was wir sehen, sind zwei Staatsführer, die in der Ecke stehen und sich an das Wenige klammern, über das sie noch verfügen können. Viel ist es nicht.

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