zum Hauptinhalt
Königliche Wachen mit dem Sarg der Queen in Edinburgh

© Foto: Reuters/Murdo MacLeod/The Guardian/Pool

Die Wiederbelebung der Seelen-Metaphorik: Was sind „sterbliche Überreste“?

Statt vom „Leichnam“ der Queen sprechen viele von ihren „sterblichen Überresten“. Das ist ein schillernder, sperriger, seltsamer Begriff.

Eine Glosse von Malte Lehming

Das sind Schlagzeilen der vergangenen Tage: „Tausende Menschen verfolgen die Überführung der sterblichen Überreste der Queen nach Edinburgh.“ – „Ein Leichenwagen mit den sterblichen Überresten der Monarchin fährt in Richtung der schottischen Hauptstadt.“ – „Sterbliche Überreste der Queen werden nach London gebracht.“ – „Die staatliche Trauerfeier für Elizabeth II. wird am Montag kommender Woche in der Londoner Westminster Abbey abgehalten. Anschließend werden die sterblichen Überreste der Queen nach Schloss Windsor westlich von London überführt.“

Die „sterblichen Überreste“: Was für ein schillernder, sperriger, seltsamer Begriff. Neutral müsste von dem „Leichnam“ der Queen gesprochen werden. Damit werden menschliche Verstorbene gemeinhin bezeichnet. Die Worte „Leiche“ oder „Körper“ wiederum werden für alle toten Lebewesen verwendet, also auch für Tiere. Doch wer bleibt schon neutral und säkular, wenn eine Queen stirbt?

„Sterbliche Überreste“: Das impliziert, dass es unsterbliche Überreste eines Menschen gibt: Gemeint ist die Seele, die den Körper verlässt.

Da schwingt die christliche Auferstehungsvorstellung mit. Jesus Christus, am dritten Tage auferstanden von den Toten. Tod, wo ist dein Stachel? Oder auch die Seele von Goethes „Faust“, die von Engeln himmelwärts getragen und damit dem Mephistopheles entzogen wird. Da lebt etwas fort, das deshalb nicht beigesetzt werden kann.

Wer nicht „Seele“ sagen will, weil das zu fromm klingt, spricht von Gedanken, Erinnerungen, Gefühlen. Doch das ist nicht das Gleiche. Die Seele eines Menschen ist die Seele eben dieses Menschen. Gedanken, Erinnerungen und Gefühle indes sind das, was bei den Hinterbliebenen bleibt.

„Sterbliche Überreste“: Wie kann jemand sterblich sein, der bereits gestorben ist? Bedeutet „sterblich“ nicht, dass ein Mensch sterben kann, also noch lebt? Dann wäre es ein widersprüchlicher Begriff. Doch in diesem Fall beschreibt das Wort „sterblich“ das, was der Körper eines Menschen war, nicht, was er ist oder noch sein kann.

Ähnlich verwirrend ist auf den ersten Blick das Wort „Überreste“. Warum nicht einfach „Reste“? Wie es scheint, hat sich die Sprache bei Dingen, die zerstört wurden – die „Überreste einer zerbombten Stadt“ etwa – oder eben im Falle des Ablebens (noch so ein eigenartiges Wort) eines Menschen pietätvoll entwickelt. Überreste sind mehr als Reste.

Damit zurück zur Queen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false