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Fentanyl in auf dem Schwarzmarkt üblicher Pulverform.

© Getty Images/Darwin Brandis

„Das Schmuggelpotenzial ist hoch“: Bundeskriminalamt warnt vor Fentanyl-Handel im Darknet

In Europa gibt es bislang keine Opioid-Krise wie in den USA, doch das könnte sich ändern: Afghanistans Taliban drosseln die Heroin-Produktion, weshalb Fentanyl hierzulande als Ersatzdroge begehrter werden könnte.

Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor dem Schmuggel gefährlicher Opioide, die vergleichsweise leicht nach Deutschland gelangen können. Insbesondere das hochpotente Fentanyl werde mitunter in „kleinen Mengen in Briefsendungen verschickt“, weshalb die Einfuhr schwer detektierbar sei, teilte das BKA auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Hierzulande gebe es bislang zwar nur wenige Fentanyl-Funde, schreiben die Ermittler weiter, feste Szenen aus Dealern und Konsumenten, die sich zuweilen um Drogen bilden, habe man noch nicht festgestellt. Aber: „Der illegale Handel von Fentanyl findet, nach aktuellem Kenntnisstand, überwiegend im Darknet statt. Das Schmuggelpotenzial ist generell als hoch einzustufen, da bereits aus kleinen Mengen Fentanyl eine Vielzahl an Konsumeinheiten generiert werden kann.“

Neben der illegalen Beschaffung im Internet gab es Einbrüche in Apotheken, Krankenhäuser und Pflegeheime

Bundeskriminalamt

Illegales Fentanyl stammt oft aus Laboren in Asien, mitunter werden die Basisstoffe auch von dort nach Lateinamerika transportiert, wo mafiöse Kartelle sie zum versandbereiten Endprodukt verarbeiten. Das BKA schreibt: „Neben der illegalen Beschaffung im Internet sind auch Fälle bekannt, bei denen zum Beispiel in Apotheken, Krankenhäuser und Pflegeheimen eingebrochen wird und Betäubungsmittel entwendet werden.“ Denn zunächst ist Fentanyl ein Schmerzmittel, das von Ärzten auch in Deutschland für bestimmte Patienten legal verwendet wird.

Mitunter werden legale Pflaster mit dem Wirkstoff Fentanyl gestohlen.
Mitunter werden legale Pflaster mit dem Wirkstoff Fentanyl gestohlen.

© picture alliance/dpa/Carsten Rehder

Fentanyl wirkt bis zu 100-mal stärker als Heroin, dessen Wirkung es ähnelt. Es verlangsamt unter anderem die Atmung. Tödliche Überdosen mit Fentanyl sind deutlich wahrscheinlicher als mit Heroin. Fentanyl wird als Pille geschluckt, nach Verschreibung als Schmerzpflaster auf die Haut geklebt, auch als Spray durch die Nase aufgenommen oder auf dem Schwarzmarkt als aufgelöstes Pulver intravenös verabreicht.

In den USA lösten verschriebene Opioide eine Epidemie aus, in deren Folge immer mehr Süchtige schließlich zum wirksameren Fentanyl griffen. Unter US-Amerikanern zwischen 18 und 49 Jahren ist Fentanyl-Missbrauch eine der häufigsten Todesursachen.

Heroinmangel könnte Fentanyl-Import befeuern

Nach Tagesspiegel-Informationen befürchten Drogenfahnder in Norddeutschland, dass der sich abzeichnende Heroin-Mangel den Fentanyl-Import befeuern werde. Die Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht der EU (EMCDDA) teilte schon im Juni mit, man fürchte, dass Heroin in Europa kommendes Jahr knapp werden könnte. Anlass ist das rigorose Vorgehen der seit 2021 wieder in Afghanistan herrschenden Taliban. Von dort stammt seit Jahrzehnten fast alles Heroin, das auf europäischen Straßen erhältlich ist.

Sollten die Islamisten dabei bleiben, Schlafmohn-Felder zerstören zu wollen, wären langfristig eine Million Heroin-Konsumenten in Europa betroffen, davon Schätzungen zufolge mehr als 150.000 Männer und Frauen in Deutschland.

Wegen der relativen Knappheit des Angebots dürfte zuvor die Reinheit des noch erhältlichen Heroins schwinden, der Stoff also letztlich aus Profitgründen gestreckt werden. Schon das könnte dazu beitragen, dass sich Schwerabhängige um wirkungsvollen Ersatz bemühen. So schreiben die EMCDDA-Experten, dass die Nachfrage nach Entzugs- oder Substitutionsprogrammen massiv steigen werde: Zudem könnten Heroinsüchtige auf synthetische Opioide, darunter eben Fentanyl, umsteigen.

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