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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 1. Juni 2023 in Bulboaca.

© AFP/Ludovic Marin

Sie müssen reden: Das sind die Knackpunkte beim Treffen von Scholz und Macron

Wenn der Kanzler heute in Potsdam den französischen Präsidenten zum Abendessen trifft, dann soll vor allem das Verhältnis der beiden verbessert werden. Keine leichte Übung.

In der Wirtschaft würde man von Teambuilding sprechen. Wenn sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an diesem Dienstagabend in einem Restaurant in Scholz‘ Wahlkreis in Potsdam zum Abendessen treffen, geht es vor allem um das Atmosphärische. Und hier liegt einiges zwischen dem Kanzler und dem Präsidenten im Argen.

Denn dem eher introvertierten Sachpolitiker Scholz liegt Macrons Showtalent denkbar fern. „Die haben noch keine Chemie miteinander gefunden“, sagt ein deutscher Europapolitiker über das deutsch-französische Spitzen-Duo. Dazu soll nun das Treffen in Potsdam dienen, mithin in einer Stadt, aus der mit Friedrich dem Großen ein preußischer König einst auf Französisch parlierte und schrieb und in dem das bedeutende Schloss den Namen „Sanssouci“ trägt.

Anders als das einst bei Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem früheren französischen Staatschef Jacques Chirac der Fall war, gilt das Verhältnis zwischen Macron und Scholz als distanziert. Scholz‘ Verhältnis sei von ähnlicher Qualität wie das seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel (CDU).

„Macron ist ein Meister des Verkaufens“, biete aber, wenn es darauf ankommt, „wenig Substanz“, wie der Europapolitiker weiter sagt. Der „große Europäer“ Macron agiere eben, sobald er innenpolitisch unter Druck komme, als „nationaler Politiker“. Sehr französisch sei das, heißt es in Berlin spitz.

Bei dem Abendessen in Potsdam soll es um die ganze Bandbreite internationaler und bilateraler Themen gehen. Auch hier gibt es inhaltlich aktuell einige Knackpunkte.


Ukraine

In Berlin wird betont, dass Frankreich in der Sache für die Ukraine viel weniger tue als Deutschland. Macron aber verstehe die Macht der Bilder – etwa, indem er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit einem französischen Militärflugzeug hin- und herfliege.

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Eine raschere und weitreichendere militärische Hilfe Frankreichs für die Ukraine stehe Macron besser zu Gesicht, wird in Berlin betont. Denn Deutschland gewährt der Ukraine in absoluten Zahlen wie relativ gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Ukraine mehr Hilfen als Frankreich. Zudem hat Deutschland mit rund 1,1 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine etwa zehnmal so viele aufgenommen wie Frankreich. Hier sind es 118.000 Geflüchtete aus der Ukraine.

Seit dem Krieg gegen die Ukraine fällt das eher distanzierte Verhältnis Frankreichs zum Osten Europas jedem auf. Die Osteuropäer verlassen sich primär auf die USA, weil sie ahnen und fürchten, dass Berlin und Paris unsichere Kantonisten sind.

Europa muss künftig eine stärkere Rolle für die eigene Sicherheit übernehmen und schon jetzt über die künftige europäische Sicherheitsarchitektur und Abschreckung beraten.

Roderich Kiesewetter, CDU-Verteidigungspolitiker

Zu Beginn des Jahres wurden die Differenzen bei der Unterstützung für die Ukraine offenkundig. Macron kündigte überraschend die Lieferung von Spähpanzern an Kiew an, was in Berlin als französischer Alleingang wahrgenommen wurde. Die Bundesregierung legt anders als Paris großen Wert darauf, dass die USA beim Thema der Waffenlieferungen einbezogen bleiben.

Dieser Dissens setzt sich auf einem anderen Feld fort – und zwar bei der künftigen sicherheitspolitischen Ausrichtung der EU. Zwar kündigte der Elysée-Palast jüngst an, dass Frankreich bei einer für den 19. Juni geplanten internationalen Konferenz in Paris auf der „Sky Shield“-Initiative von Kanzler Scholz aufbauen wolle. Mittlerweile sind 17 Länder beim Plan des Kanzlers dabei, ein Abwehrsystem aufzubauen, das im Ernstfall russische Raketen und Marschflugkörper abfangen könnte.

Gleichzeitig macht sich Macron aber für die Entwicklung eigener europäischer Angriffswaffen stark. Es reiche nicht aus, Schutzschilde zu haben, man brauche auch Schwerter, hieß es aus dem Elysée-Palast.

Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter begrüßte die Überlegungen Frankreichs. „Europa muss künftig eine stärkere Rolle für die eigene Sicherheit übernehmen und schon jetzt über die künftige europäische Sicherheitsarchitektur und Abschreckung beraten“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wir werden auf Jahrzehnte Sicherheit vor Russland benötigen“, so Kiesewetter.

Nach seinen Worten sei die Entwicklung konventioneller europäischer Langstreckenfähigkeiten in Europa, integriert in die Nato, notwendig. „Dabei ist auch hier die Einbindung Großbritanniens besonders zu begrüßen“, sagte er weiter. Dies wäre auch für die USA „ein starkes Signal der Lastenteilung“.

Gerade weil die USA im Bereich der nuklearen Abschreckung als verlässlicher Partner weiterhin in Europa benötigt würden, sollte die Lastenteilung in anderen Bereichen forciert werden, forderte Kiesewetter. „Mit eigenen europäischen Offensivfähigkeiten im Sinne von Langstrecken-Präzisionswirkmitteln wäre dies ein starker Beitrag“, lautete seine Schlussfolgerung.


China-Politik

In Berlin kam es schlecht an, als Macron im April forderte, dass Europa sich im Taiwan-Konflikt nicht an die Seite der USA stellen solle.  Mit seinen Aussagen am Rande eines Staatsbesuches in China, wo Macron vor „blinder Gefolgschaft“ gegenüber den USA warnte, hat der französische Präsident nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Berlin Stirnrunzeln ausgelöst.

Der chinesische Präsident Xi Jinping (rechts) begrüßte Kanzler Scholz im vergangenen November in Peking zum Antrittsbesuch.

© AFP/Kay Nietfeld/Pool

Es war nicht das erste Mal, dass Scholz und Macron in der China-Politik über Kreuz lagen. Bevor Scholz im vergangenen November in Peking seinen Antrittsbesuch als Bundeskanzler beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping machte, hatte Macron in Berlin für eine gemeinsame Reise in die chinesische Hauptstadt geworben. Doch in Berlin wurde das Angebot abgelehnt.


Atomkraft

Die Regierung in Paris versucht weiterhin, der Atomkraft auf EU-Ebene ein Nachhaltigkeits-Siegel zu verpassen. Paris will nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen unter den EU-Mitgliedstaaten die Ziele für die Erneuerbaren Energien nur dann akzeptieren, wenn von Brüssel auch der Beitrag der Atomkraft bei den Erneuerbaren Energien anerkannt wird.

Ein Windrad steht in der Nähe eines Atomkraftwerkes im südfranzösischen Cruas.

© Reuters/Charles Platiau

Hier tun sich grundsätzliche Differenzen in der Energiepolitik auf: In Deutschland gibt es in der Bevölkerung die Erwartungshaltung, dass die Regierung auf grüne Energien umsteuert. Einen vergleichbaren Druck bekommt die Regierung in Paris nicht zu spüren.

Die Bundesregierung wittert in dem Vorstoß zu den erneuerbaren Energien aus Paris hingegen den Versuch, die ambitionierten Ziele bei den Erneuerbaren abzuschwächen. Geplant ist, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt 42,5 Prozent der in der EU verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft kommen müssen.

Paris stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass die Rolle der Kernkraft bei der Erzeugung von Industriewasserstoff akzeptiert werden müsse. Das Thema ist der Regierung in Paris so wichtig, dass Frankreich zuletzt das eigentlich schon festgezurrte EU-Klimaschutzgesetz in Brüssel blockierte. 


EU-Asylsystem

Frankreich verfolgt in der Diskussion darüber, wie strikt künftig die Kontrollen für Migranten an den EU-Außengrenzen sein solle, einen schärferen Kurs als die Ampel-Koalition in Berlin.

Die Bundesregierung möchte Familien mit Kindern unter 18 Jahren von den Grenzverfahren ausnehmen. Frankreich will hingegen auch Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren in Asylverfahren an den EU-Außengrenzen einbeziehen.

Frankreich teilt dabei die Haltung einer großen Mehrheit unter den EU-Mitgliedstaaten, deren Innenminister am kommenden Donnerstag erneut über die Reform des EU-Asylsystems beraten wollen.

Nach den Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl ist allerdings unklar, ob die Bundesregierung tatsächlich bis zum Ende der Verhandlungen auf EU-Ebene auf Ausnahmen für Zwölf- bis 18-Jährige bei den Grenzverfahren pochen wird.

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