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Eine Polizeistreife in Kashgar in der Region Xinjiang, wo China die muslimische Minderheit der Uiguren unterdrückt (Archivbild von 2017).

© AFP/Johannes Eisele

Update

Politischer Druck auf deutsche Firmen in Xinjiang: „Das VW-Werk muss geschlossen werden“

Chinas Kommunistische Partei unterdrückt in der Region Xinjiang die muslimische Minderheit der Uiguren. Deutsche Politiker fordern deshalb westliche Firmen auf, sich von dort zurückzuziehen.

| Update:

Nach der Ankündigung des Chemiekonzerns BASF, seine Aktivitäten in der chinesischen Region Xinjiang zu beenden, appellieren deutsche Politiker an Volkswagen, sich ebenfalls zurückzuziehen. In Xinjiang unterdrückt der chinesische Staat brutal die muslimische Minderheit der Uiguren.

„Xinjiang muss als Standort für wirtschaftliche Aktivitäten für westliche Unternehmen, so auch für VW, zu einem No-Go werden“, sagte Renata Alt (FDP), Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages, dem Tagesspiegel. „Der Rückzug von BASF setzt ein klares Zeichen: Bei den Menschenrechten dürfen keine faulen Kompromisse gemacht werden!“, sagte Alt weiter. Die Entscheidung von BASF, sich von den Anteilen an Joint Ventures in Xinjiang zu trennen, sei daher sehr zu begrüßen.

„Jahrelang hat die Regierung Chinas auf westliche Unternehmen Druck ausgeübt, sich in Xinjiang niederzulassen und sie dadurch benutzt, um die chinesische menschenverachtende Politik der Unterdrückung von Uiguren salonfähig zu machen“, sagte die FDP-Politikerin. 

Kein deutsches Unternehmen sollte durch seine Präsenz in Xinjiang das brutale Regime von Menschenrechtsverbrechen gegen die Uiguren und andere Minderheiten mit legitimieren.

Reinhard Bütikofer, Grünen-Europaabgeordneter

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer forderte Volkswagen auf, sich aus Xinjiang zurückzuziehen. „Leider sticht seit langem VW negativ heraus, wenn es darum geht, die schlimmen Zustände in Xinjiang zu beschönigen und billige Ausflüchte zu suchen“, sagte Bütikofer dem Tagesspiegel: „Der Druck auf VW wird nun nochmals zunehmen. VW muss Xinjiang verlassen! Es gibt eine ethische rote Linie für die Geschäftstüchtigkeit von Unternehmen; Komplizenschaft mit dem Zwangsarbeitsregime in Xinjiang liegt dahinter.“

Die Entscheidung der BASF für einen Rückzug aus Xinjiang sei „überfällig“ gewesen, sagte Bütikofer: „Kein deutsches Unternehmen sollte durch seine Präsenz dort das brutale Regime von Menschenrechtsverbrechen gegen die Uiguren und andere Minderheiten mit legitimieren.“

„Katastrophale Menschenrechtslage“

Frank Schwabe (SPD), Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, forderte alle deutschen Unternehmen auf, in Xinjiang keine weiteren Geschäfte zu machen.

„Ganz grundsätzlich ist die Menschenrechtslage in Xinjiang so katastrophal und unübersichtlich, dass deutsche Unternehmen dort nicht tätig sein sollten. Das gilt auch für VW“, sagte Schwabe dem Tagesspiegel.

Der Bundeskanzler sollte seinen Einfluss geltend machen, um die Landesregierung von Niedersachsen endlich davon zu überzeugen, dass das Werk in Xinjiang endlich geschlossen werden muss.

Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion

Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, richtete schwere Vorwürfe an VW. Er forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf, seinen Einfluss beim Land Niedersachsen als Anteilseigner geltend zu machen, um das VW-Werk zu schließen. „Eigentlich ist der Skandal bei VW noch einmal größer als bei der BASF, weil das Land Niedersachsen sich als Anteilseigner mitschuldig macht“, sagte Brand dem Tagesspiegel: „Der Bundeskanzler sollte seinen Einfluss geltend machen, um die Landesregierung von Niedersachsen endlich davon zu überzeugen, dass das Werk in Xinjiang endlich geschlossen werden muss.“

Nach der „späten, notwendigen Konsequenz der BASF“ müsse nun auch „endlich VW den Schritt tun und kann nicht länger eine Produktion in Xinjiang mit chinesischen Partnern betreiben, die unter dem schlimmsten Verdacht stehen, sogar an Genozid beteiligt zu sein“, sagte CDU-Politiker Brand: „Es ist gut, dass wichtige Fonds und Eigentümer von VW dies zum Thema machen.“

BASF hatte nach Berichten über Menschenrechtsverletzungen im Rahmen seiner Aktivitäten in Xinjiang in der vorigen Woche einen schnelleren Verkauf seiner Anteile an zwei Joint-Venture-Unternehmen dort angekündigt. Der Konzern werde „den laufenden Prozess zur Veräußerung“ beschleunigen, erklärte BASF am Freitag, vorbehaltlich der „Genehmigungen der zuständigen Behörden“. Demnach hatte der Chemiekonzern bereits im vierten Quartal 2023 aus anderen Gründen mit dem Verkauf seiner Anteile begonnen.

Der Kommunistischen Partei Chinas wird seit Langem vorgeworfen, in der nordwestchinesischen Provinz die muslimische Minderheit der Uiguren zu überwachen und zu unterdrücken. Ab Anfang 2017 begannen in Xinjiang große Inhaftierungswellen durch die chinesischen Behörden, bei denen Hunderttausende Männer und Frauen aus überwiegend muslimischen Gruppen in Gefängnisse gesteckt wurden. Bis zu einer Million Menschen wurden zudem UN-Schätzungen zufolge in Umerziehungslager geschickt.

Schon in der Vergangenheit waren chinesische Partnerfirmen dort aktiver deutscher Unternehmen deshalb mit Vorwürfen der Zwangsarbeit konfrontiert. Vergangene Woche hatte eine Recherche des ZDF und des „Spiegel“ eine tiefere Verwicklung von BASF und seinen Partnern in Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang nahegelegt.

Rushan Abbas, Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen „Campaign for Uyghurs“ in den USA, hatte schon vor geraumer Zeit die Wirtschaftsaktivitäten deutscher Konzerne in Xinjiang kritisiert. „Zwangsarbeit und Sklaverei verstoßen gegen das deutsche Grundgesetz und europäische Gesetze“, sagte Abbas 2022 in einem „Welt“-Interview: „Wenn es illegal ist, Sklaven in Deutschland oder in der EU einzusetzen, warum dann in China? Ist das Blut, das Leben eines Menschen weniger wert als das eines anderen? Sind die Uiguren nicht Gottes Kinder?“

Abbas warnte: „Sie dürfen China nicht trauen. Wenn sie sagen, etwas sei eine Win-win-Situation, ist es ein doppelter Gewinn für China. China wird sich niemals mit dem Westen auf irgendwelche Geschäfte einlassen, wenn es nicht selbst der Gewinner ist.“

Die USA und Kanada sowie das britische und das niederländische Parlament haben China des Völkermordes an den Uiguren beschuldigt. Deutschland hat das bislang nicht getan. 

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