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Start einer Rakete vom Typ Ariane 5 vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana.

© dpa/Arianespace/Uncredited

Eigener Zugang zum All, mehr Astronautinnen: Ampel beschließt neue Raumfahrtstrategie

Erstmals seit zwölf Jahren legt eine Bundesregierung wieder eine Raumfahrtstrategie vor. Man will Unabhängigkeit von Elon Musk, mehr Nachhaltigkeit im All – und ein Weltraumgesetz.

Live-Übertragungen im Fernsehen, genaue Wettervorhersagen, Telefon- und Datenverbindungen in schwer erreichbaren Regionen, Navigation von Autos, Schiffen und Zügen oder auch die Abwicklung von Finanztransaktionen, zum Beispiel beim Börsenhandel: Ohne Technik aus dem Weltall würde der Alltag in Deutschland ganz anders aussehen.

Doch auch im schier grenzenlosen All braucht es Regeln. Deswegen hat die Bundesregierung erstmals seit 2010 eine neue Raumfahrtstrategie beschlossen. Das 33-seitige Papier wurde am Mittwoch einstimmig im Kabinett beschlossen. Darin macht sich die Ampelkoalition für einen europäischen Zugang zum All stark und bekennt sich zu mehr Nachhaltigkeit im Weltraum.

„In den letzten zwölf Jahren hat sich der gesamte Weltraumbereich revolutioniert“, sagte die Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann, dem Tagesspiegel. Es gebe fast dreimal so viele Raketenstarts pro Jahr und die Zahl der Satelliten habe sich verzwanzigfacht. „Raumfahrt ist wichtig für die Wertschöpfung, aber auch für unser tägliches Leben. Es ist nicht nice to have, eine Raumfahrtstrategie zu haben, sondern äußerst relevant für Deutschland und Europa“, sagte die Grünen-Politikerin.

Ampel setzt auch auf private Raketendienstleitster

In der Strategie, die im Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet wurde, wird die Bedeutung eines europäischen Zugangs zum All betont. Nach dem Ende der Ariane 5 Raketen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) müssen die EU-Staaten aktuell auf Trägerraketen von Elon Musks Firma SpaceX zurückgreifen, da sich der Start der Ariane 6 Raketen verzögert.

Ein eigener Zugang habe „höchste Priorität“, erklärte Christmann. „Wir sehen alle, dass momentan eine Launcher-Krise in Europa herrscht, weil wir keine Trägerraketen haben.“ Ziel der Bundesregierung ist es, künftig dafür auch Unternehmen einzubinden, die kostengünstige und nachhaltige Raketen ins All bringen.

In Deutschland gibt es drei Start-ups, die kleinere Trägerraketen herstellen und der etablierten französisch-dominierten Ariane Group Konkurrenz machen. Für sie wolle man einen Markt schaffen, sagte Christmann.

„In einem neuen globalen Raumfahrtumfeld brauchen wir dringend einen neuen, zukunftsfähigen Ansatz für die Entwicklung und Beschaffung von Trägerdiensten in Europa“, heißt es in der Strategie. Man wolle daher einen „Paradigmenwechsel bei der Entwicklung und Beschaffung von Trägerdiensten in Europa“.

Deutschland legt besonderen Wert auf die Vermeidung von Weltraumschrott.

Aus der Weltraumstrategie der Ampelkoalition

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht in der Raumfahrt einen „dynamischen und zunehmend wettbewerblichen Markt“. Er sieht einen neuen wirtschaftlichen Markt. „Wir wollen in Deutschland und Europa diese Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in der Raumfahrt optimal nutzen“, schrieb er im Vorwort der Strategie.

Angesichts immer neuer Satelliten und einer zunehmenden Vermüllung im All setzt sich die Koalition auch für eine nachhaltige Nutzung des Weltalls ein. „Deutschland legt besonderen Wert auf die Vermeidung von Weltraumschrott und setzt sich für den Erhalt des dunklen Nachthimmels und den Schutz der Radioastronomie ein“, heißt es in der Strategie. Zur Reduzierung von Weltraumschrott fördere man Technologien zur Entsorgung.

Die Bundesregierung will die Bedeutung der Raumfahrt zudem stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft bringen. „Wir denken noch immer häufiger an Science Fiction und nicht, dass unsere Smartphones und Wettervorhersagen nur durch Raumfahrt möglich sind“, sagte Christmann.

Die nächste deutsche Generation im All werden Frauen sein.

Anna Christmann will mehr Frauen in der Raumfahrt.

Für das Jahr 2025 plant die Bundesregierung daher einen „Tag der deutschen Raumfahrt“, an dem alle Raumfahrtstandorte in Deutschland zeitgleich für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Zudem strebt die Ampel eine „bessere Repräsentation von Frauen in der Raumfahrt“ an. „Die nächste deutsche Generation im All werden Frauen sein“, sagte Christmann mit Blick auf Nicola Winter und Amelie Schoenenwald, die als erste deutsche Frauen in die ESA-Astronautenreserve eingetreten sind.

Nach dem Beschluss der neuen Raumfahrtstrategie kündigte Christmann auch ein Weltraumgesetz an, das Deutschland bislang fehlt. „Das ist nicht trivial. Uns ist es wichtig, die Sicherheit und Nachhaltigkeit der Raumfahrt zu stärken“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Im Moment gebe es kein Wissen darüber, welche deutsche Satelliten gerade im All seien. „Wenn am Wochenende ein Satellit abdriftet, können wir die Zuständigen momentan oft nicht erreichen, weil uns Telefonnummern für den Notfall fehlen.“ Das Weltraumgesetz solle klare Verantwortlichkeiten schaffen und noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, kündigte Christmann an.

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