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Bildungsministerin Stark-Watzinger: Will auf „fortschrittliche Technologien“ setzen

© dpa/Michael Kappeler

Forschungsministerin zu Genschere: Stark-Watzinger will Erbgut-Technik neu regulieren 

Der Einsatz von Genscheren könnte die Gentechnik revolutionieren. In der EU aber sind die Produkte streng reguliert. Das will FDP-Ministerin Stark-Watzinger ändern.

Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) setzt sich dafür ein, moderne Gentechnikmethoden neu zu regulieren. „Die sogenannten Neuen Züchtungstechniken bieten viele Vorteile, Chancen und Potenziale. Wenn wir Herausforderungen wie den Klimawandel, die Ernährungssicherheit und die Etablierung einer nachhaltigen Landwirtschaft meistern wollen, müssen wir auf diese fortschrittlichen Technologien setzen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Das ist innerhalb der Ampel umstritten. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern schon lange eine Neuregulierung, weil sie die Befürchtung haben, dass die EU als Wissenschaftsstandort wegen der strengen Auflagen ins Abseits gerät. In Deutschland sind insbesondere die Grünen gegen eine neue Regelung.

Derzeit arbeitet die EU-Kommission an einem neuen Rechtsrahmen für präzise Instrumente der Gentechnik, etwa der Genschere CRISPR/Cas9. Mitte 2023 soll der Rechtsrahmen vorgestellt werden, wobei nach Tagesspiegel-Informationen noch unklar ist, wie dieser ausgestaltet werden soll. „Wir werden uns innerhalb der Bundesregierung für eine risikoangepasste Novellierung des EU-Gentechnikrechts an den Stand der Wissenschaft starkmachen“, sagte Stark-Watzinger dem Tagesspiegel.

SPD und Grüne wollen sich weiter für eine strenge Regulierung der Gen-Chirurgie einsetzen. 2018 hatte auch der Europäische Gerichtshof in diesem Sinne geurteilt, bis heute fallen deswegen Pflanzen, die mit moderner Gentechnik behandelt wurden, unter das Gentechnikrecht.

Züchtungsmethoden sind teilweise rabiat

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen das als Problem, sie haben Sorge, dass die Forschung dazu in andere Länder abwandert. Die neuen Methoden der Gentechnik erlauben eine zielgerichtete Veränderung einzelner Gene. Anders als bei älteren Methoden lässt sich im Nachhinein nicht mehr nachweisen, ob es sich um eine natürliche Mutation oder einen gentechnischen Eingriff handelt. In anderen Ländern, etwa der USA, fallen Pflanzen, deren Mutationen auch natürlich hätten auftreten können, nicht unter das Gentechnikrecht.

Dazu kommt: Viele Pflanzenzüchter außerhalb der Öko-Pflanzenzucht arbeiten nicht mehr mit einfachen Kreuzungen, sondern zum Beispiel mit radioaktiven Strahlen, die wahllos Mutationen in der Pflanze erzeugen. Hat man Glück, mutiert ein Merkmal der Pflanze so, dass sie zum Beispiel effizienter oder resistenter wird. Dann kann sie weitergezüchtet werden. Diese Art der Züchtung fällt aber nicht unter die strengen Regulierungen des Gentechnikrechts. „Das Urteil klingt so, als wenn die Richter eine Schrotflinte erlauben, aber ein Skalpell verbieten wollen“, sagte damals Holger Puchta, Leiter des Botanischen Instituts am Karlsruher Institute of Technology (KIT).

Die Diskussion über den Rechtsrahmen wurde lauter als eine Studie der EU-Kommission fand, viele Pflanzen, die Produkt neuer genomischer Methoden sind, könnten helfen, die Ziele des Green Deals der EU zu erreichen. Insbesondere könnten sie zu einer resilienteren Landwirtschaft beitragen.

Produkte sollen „zwingend gekennzeichnet werden“

Dieser Einschätzung widerspricht das grün geführte Bundesumweltministerium. „Das Bundesumweltministerium hält die derzeitige EU-Regulierung von grüner Gentechnik für angemessen. Wir sehen hier keinen Bedarf für Änderungen.“, heißt es aus Ministeriumskreisen. Das Ressort stehe hinter der strengen Regulierung, weil für die Pflanzen, die mit neuer Gentechnik behandelt wurden, „meist die Erfahrung fehlt, tatsächliche Auswirkungen einer Freisetzung in die Umwelt einschätzen zu können“.

Sollte es dennoch zu einer Neuregelung kommen, werde das Umweltministerium sich dafür einsetzen, dass „die Produkte zwingend gekennzeichnet werden“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Bettina Hoffmann (Grüne) dem Tagesspiegel. Ein Großteil der Grünen teilt die kritische Haltung des Umweltministeriums. Es gebe „kein Problem“ mit der produzierten Menge der Lebensmittel auf der Welt, sondern mit „ihrer gerechten Verteilung“, sagte die frühere Grünen-Landwirtschaftsministerin Renate Künast dem Tagesspiegel.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium, wie das Umweltministerium grün geführt, ist ebenfalls skeptisch. „Ob neue genomische Techniken das Potenzial haben, einen relevanten Beitrag zur Lösung der aktuellen Krisen Klimawandel, Biodiversitätsschwund und globaler Hunger zu leisten, ist für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft offen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

„Marktreife“ Pflanzen, die „echte Game-Changer“ sein könnten, seien nicht bekannt. Die neuen Methoden böten „kurzfristig keine Lösungen“. Das Ministerium setze sich für „die Züchtung von robusten und angepassten Sorten auf klassische Weise ein“.

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