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Muss sich Europa auf einen Landkrieg mit Panzern vorbereiten?

© REUTERS/Ints Kalnins

Habeck warnt vor einem Landkrieg: Ampelkoalition diskutiert erneut höhere Rüstungsausgaben

Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert eine schnellere Aufrüstung. Das Echo in der Ampel ist geteilt. Der finanzielle Spielraum ist gering.

Mit seiner Forderung, dass sich Deutschland auf einen Landkrieg vorbereiten müsse, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine erneute rüstungspolitische Debatte ausgelöst. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sieht in Habecks Warnung vor einem großen Landkrieg „rhetorische Aufrüstung“. „Es nützt eher Populisten und Extremisten, wenn die Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzt wird“, sagte er dem Tagesspiegel.

Andreas Schwarz, der für Verteidigung zuständige SPD-Haushälter, hält das von Habeck skizzierte Szenario hingegen für realistisch. „Russlands Kriegswirtschaft produziert so viele Waffen, dass es in einigen Jahren auch uns angreifen könnte – gegen diese Möglichkeit müssen wir uns wappnen.”

Schwarz plädierte deshalb dafür, den Verteidigungsetat, der derzeit bei gut 50 Milliarden Euro pro Jahr liegt, auf über 60 Milliarden Euro zu erhöhen. Um Russland abzuschrecken, sei es sinnvoll, „jetzt unsere Rahmenverträge für 100 weitere Leopard-2-Kampfpanzer und die Panzerhaubitze 2000 abzurufen“, sagte Schwarz. Das koste zwar bis zu vier Milliarden Euro, sei aber eine unmissverständliche Botschaft.

Ampel diskutiert erneut Schuldenbremse

Europa müsse seine eigenen Hausaufgaben in der Wehrhaftigkeit machen, hatte Habeck am Mittwochabend auf der Konferenz „Europe 2024“ des Tagesspiegels und weiterer Holtzbrinck-Medien betont.

In den vergangenen Jahren habe man die Bundeswehr nur für „militärische Polizeieinsätze“ im Ausland für nötig gehalten. Nun müsse man sich wieder auf einen Landkrieg vorbereiten. Man könne sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Vereinigten Staaten die Zeche zahlten oder Militärmaterial zur Verfügung stellten.

Sind Wirtschaftsminister Robert Habeck (li.) und Kanzler Olaf Scholz in der Rüstungspolitik auf einer Linie?
Sind Wirtschaftsminister Robert Habeck (li.) und Kanzler Olaf Scholz in der Rüstungspolitik auf einer Linie?

© dpa/Jonathan Penschek

Mit seinen Aussagen hat der Wirtschaftsminister in der Ampelkoalition auch eine erneute Diskussion um die Schuldenbremse ausgelöst. „Sicherheit und Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif, das wird uns einiges abverlangen und auch finanziell große Summen fordern“, sagte die Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger dem Tagesspiegel. „Ein ideologisches Festhalten an der Schuldenbremse wäre angesichts der Bedrohungen ein Risiko für unsere Sicherheit.“

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stimmte Habecks Analyse zwar zu, eine Aufweichung der Schuldenbremse hält sie für mehr Rüstungsausgaben allerdings nicht für nötig. Es müssten im Haushalt Prioritäten gesetzt werden, sagte sie dem Tagesspiegel.

Angst vor Cyberangriffen

Brugger und Strack-Zimmermann betonten, dass auch der Schutz vor Cyberangriffen verstärkt werden müsse. Das sieht auch der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter so. Es brauche eine Gesamtstrategie gegen hybride Bedrohungen auch durch weitere staatliche Akteure, sagte er dem Tagesspiegel. „Deutschland muss sich auf Worst-Case-Szenarien vorbereiten“, betonte er. Die größten Bedrohungspotenziale sieht Kiesewetter dabei bei den Staaten der CRINK-Allianz (China, Russland, Iran, Nordkorea).

Wie Habeck forderte Kiesewetter angesichts des unklaren Ausgangs der US-Präsidentschaftswahlen und einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump, dass Europa eine wirksame Abschreckung von Russland selbst organisiere. Dafür habe man maximal drei Jahre Zeit, betonte er.

Deutschland muss sich auf Worst-Case-Szenarien vorbereiten.

Roderich Kiesewetter, CDU-Verteidigungspolitiker

Habeck habe deshalb Recht, sagte Kiesewetter, „dass Deutschland endlich auch seine Rüstungsproduktion ankurbeln und der Rüstungsindustrie eine verstärkte Produktion ermöglichen muss, auch durch staatliche Garantien, Aufträge und Investitionssicherheiten.“ Hierfür müsse sich Habeck gegen Widerstände im Kanzleramt durchsetzen, meinte der Oppositionspolitiker.

Habeck lädt Rüstungsunternehmen ein

Bereits im Februar hatte Habeck eine schnellere Aufrüstung gefordert, auch um die heimische Industrie zu stärken. „Wir müssen um die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt kämpfen“, sagte der Grünenpolitiker. „Das schließt ausdrücklich auch den militärischen Komplex mit ein.“

In einem Fernsehinterview ärgerte sich der Wirtschaftsminister darüber, dass die Produktion im militärischen Bereich kaum Fahrt aufnehme. Der Industrie machte er daraus weniger einen Vorwurf, eher der eigenen Ampel-Regierung. Nur wenn die Industrie mit länger laufenden Abnahmegarantien versorgt werde, könne die Produktion rasch wachsen. „Was wir brauchen, ist eine Abnahmegarantie“, sagte Habeck.

Nun hat der Vizekanzler die Chefs zahlreicher Rüstungsunternehmen für den 27. März ins Wirtschaftsministerium (BMWK) eingeladen, wie zuerst „Table Briefings“ berichtete. In dem Einladungsschreiben heißt es, Habeck wolle sich mit ihnen „zu den Innovations- und Beschleunigungsmöglichkeiten in der Verteidigungswirtschaft austauschen und dabei insbesondere die Rolle des BMWK in diesem Prozess in den Blick nehmen“.

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