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Conservative Party leadership candidate Rishi Sunak leaves the campaign office in London, Monday, Oct. 24, 2022. Former British Treasury chief Rishi Sunak is frontrunner in the Conservative Party's race to replace Liz Truss as prime minister. (AP Photo/Aberto Pezzali)

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Neuer britischer Premier: Rishi Sunak ist ein Rehabilitierter auf Bewährung

Vor sieben Wochen war er Liz Truss im Wettbewerb, wer Boris Johnson nachfolgen solle, unterlegen. Nun wird Sunak doch neuer Premierminister. Wird er die Briten überzeugen können?

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Nach all dem Schlamassel, den die Tories mit ihrer Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss über das Vereinigte Königreich gebracht haben, gibt es auch eine beruhigende Erfahrung. Demokratie und Marktwirtschaft haben ihren strukturellen Vorteil gegenüber autoritären und planwirtschaftlichen Systemen diesmal bewiesen.

Der besteht nicht darin, dass sie keine – oder zumindest deutlich weniger - Fehler machen. Sondern dass sie Druck erzeugen, Fehler früher oder später zu korrigieren. Diesmal ging es rekordverdächtig schnell.

Fehlerkorrektur heißt hier Dreierlei: Rishi Sunak wird neuer Parteiführer – und damit auch Premierminister. Mit ihm wird zugleich das Prinzip rehabilitiert, dass Wirtschaftspolitik sich an den ökonomischen, finanziellen und sozialen Realitäten orientieren muss. Und nicht an Wunschdenken.

Für Wunschdenken stand Liz Truss. Die Finanzmärkte haben ihr Urteil gesprochen. Es war von brutaler Klarheit. Was Truss und ihr kurzzeitiger Finanzminister Kwasi Kwarteng predigten, gehört nach Fantasia-Land. Ihre Ideologie dürfte, zweite Korrektur, auf Jahre hinaus diskreditiert sein.

Hat sich verkalkuliert: Boris Johnson

© Foto: dpa/PA Wire/Peter Byrne

Drittens ist auch Boris Johnsons opportunistisches Kalkül nicht aufgegangen. Er hatte gehofft, dass ein paar Wochen oder maximal ein paar Monate Chaos reichen würden, um seine Verfehlungen vergessen zu machen.

Der Partei würde vor allem in Erinnerung bleiben, dass sie unter ihm im Dezember 2019 einen überragenden Wahlsieg einfahren durfte. Da also eine beträchtliche Anzahl von Tory-Abgeordneten ihre Sitze im Unterhaus Johnson verdankt, würden sie ihn zurückrufen. Und nicht einer Person mit weniger Popularität im Volk die Aufgabe anvertrauen, die Konservativen in die nächste Wahl zu führen. Es ist anders ausgegangen.

Sunak siegt nur sieben Wochen nach der Niederlage

Der eindrucksvollste Teil dieser mehrfachen Fehlerkorrektur aber ist die Rückkehr von Rishi Sunak, der expliziten Gegenfigur zu Liz Truss. Vor sieben Wochen war er ihr im Wettbewerb, wer dem zurückgetretenen Boris Johnson im Amt nachfolgen solle, unterlegen. Sie hatte die Konservativen mit märchenhaften Versprechen zur Steuer- und Wirtschaftspolitik für sich eigenommen. Sunak hatte den realitätsnäheren Gegenkurs vertreten.

Im ersten Anlauf siegte die Märchenwelt über die Wirklichkeit. Nun hat die Realität die Oberhand zurückgewonnen. Das ist ein gutes Signal.

China und Russland: unfähig zu rascher Korrektur

China und Russland sind eindrückliche Gegenbeispiele. Sie sind nicht in der Lage, offenkundige Irrwege zu korrigieren. Damit verlängern sie das Leid ihrer Bürger, ob Wladimir Putin mit seiner gescheiterten Imperialpolitik oder die Chinas KP, die jetzt die Politiker befördert, die für die destruktive Null-Covid-Strategie verantwortlich sind.

Gewiss, mit Sunaks spätem Sieg im zweiten Anlauf ist Großbritannien noch lange nicht auf einem guten Weg in die Zukunft. Und vielen wird das Ausmaß der Korrektur nicht reichen. Gemessen an dem Schaden, den Liz Truss in wenigen Wochen angerichtet hat, müsste jetzt doch eigentlich der Machtverlust der Konservativen folgen.

Warum erhalten nicht die Wähler rasch die Gelegenheit, ihr Urteil zu sprechen? Dies würde laut Umfragen zu einem Kantersieg der Labour-Partei führen.

Doch eine solche Automatik sieht das politische System Großbritanniens nicht vor. Ohne Mitwirken der Partei, die die Mehrheit im Parlament hat, lässt sich das Parlament nicht vorzeitig auflösen.

Diese Einsicht hinterlässt bei vielen Enttäuschung. Von größerer Bedeutung ist jedoch die Erfahrung, dass Demokratie und Marktwirtschaft diesmal nur sieben Wochen benötigten, um den Irrweg unter Liz Truss zu beenden.

Die britischen Wähler werden so oder so noch ihr Urteil sprechen. Und egal, ob die nächste Wahl früher oder später kommt, darf man darauf vertrauen: So schnell vergessen die Briten nicht. Rishi Sunak ist ein Rehabilitierter auf Bewährung.

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