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Ein ukrainischer Soldat patrouilliert an einem nicht näher bezeichneten Grenzkontrollpunkt in der Oblast Mykolaiv, Ukraine (Archivbild).

© Alex Chan/ZUMA Wire/IMAGO

Tag 193 der Ukraine-Invasion: Russische Militärblogger kommen plötzlich kaum mehr an Informationen

Referendum in Cherson gestoppt, Gaspreise steigen erneut drastisch, der Iran bringt sich als Energielieferant ins Spiel. Der Überblick.

Die Offensive der Ukraine im Süden läuft nun seit rund einer Woche. Wie Präsident Selenskyj heute bekanntgab, wurden bisher zwei Ortschaften befreit. Namen nannte er nicht. Allerdings kursierte in den sozialen Netzwerken ein Foto aus Wyssokopillja, das zeigt, wie ukrainische Soldaten auf einem Gebäude die Landesflagge hissen.

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Wyssokopillja liegt im Nordwesten der rund 240 Kilometer langen Front. Wahrscheinlich ist, dass die ukrainischen Truppen schon weiter vorgerückt sind. Kiew hatte vergangene Woche verkündet, Eroberungen nur bekanntzugeben, wenn sie militärisch gesichert sind. Laut Angaben mehrerer Beobachter schlagen die Ukrainer derzeit einen Korridor ungefähr in der Mitte der Region Cherson von Norden in Richtung des Flusses Dnipro. Mehrere Kilometer tief in russisch besetztes Gebiet soll der Korridor inzwischen reichen.

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Allerdings sind alle Angaben derzeit mit Vorsicht zu betrachten. Vergleichsweise wenig Videomaterial dringt an die Öffentlichkeit, das die Geolokalisierung von Kämpfen erlaubt. Auch russische Militärblogger, die für gewöhnlich gut über die Entwicklungen an der Front informiert sind, bringen kaum Updates, was die Kampfhandlungen betrifft. Die Kommunikation mit den russischen Truppen sei gestört, heißt es auf einem der größten Kanäle lapidar.

Ein reichweitenstarker Kanal auf dem Chatdienst Telegram, der der Wagner-Söldnertruppe nahesteht, berichtet, dass die russische Artillerie und die Luftwaffe es zumindest in einigen Abschnitten der Front nicht schaffen, die angegriffenen Soldaten zu unterstützen. "Kritisch" sei die Situation aber noch nicht, heißt es in dem Kanal.

Dass die ukrainische Offensive keineswegs der "blutige Fehlschlag" ist, als den sie Moskau bezeichnet, zeigt eine Recherche des "Economist" in der an Cherson angrenzenden Stadt Mykolajiw (Quelle hier). Dort würden in der zentralen Notaufnahme täglich 15 bis 30 Soldaten eingeliefert. "Mehr als gewöhnlich", erklärte einer der Ärzte den Journalisten, "aber kein Alptraum".

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Geplantes Referendum in Cherson offenbar verschoben: Eigentlich planten die pro-russischen Behörden ein Referendum über die ukrainische Region Cherson. Nun wird eine Unterbrechung vermeldet. Mehr hier.
  • Der erneute Stopp russischer Gaslieferungen durch die wichtige Pipeline Nord Stream 1 hat eine erneute Rally beim Gaspreis ausgelöst. Der europäische Future stieg am Montag um gut 30 Prozent auf 272 Euro je Megawattstunde und steuerte wieder auf das jüngste Rekordhoch zu. Derweil fliehen Anleger aus Furcht vor einer Rezession durch die ausbleibenden Gas-Lieferungen aus Russland aus deutschen Aktien. Der Dax fiel vorbörslich um 3,4 Prozent und steuert nun auf den größten Tagesverlust seit Anfang März zu. Mehr in unserem Newsblog.
  • Der Iran hat sich im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und dem im Winter befürchteten Gasmangel in Europa als Energielieferant angeboten. Zuvor jedoch müsste das Wiener Atomabkommen wieder in Kraft gesetzt und vor allem müssten alle wirtschaftlichen US-Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani am Montag. Mit den weltweit zweitgrößten Gasreserven käme der Iran als Energielieferant für Europa zwar in Frage, hat Beobachtern zufolge wegen der Gasnachfrage im eigenen Land aber wenig Spielraum für Gas-Exporte.
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Russland abermals eine Manipulation der Energiemärkte vorgeworfen und versprochen, Verbraucher vor den gestiegenen Preisen zu schützen. „Putin benutzt Energie als eine Waffe, indem er Lieferungen reduziert und unsere Energiemärkte manipuliert“, schrieb von der Leyen am Montag über den russischen Präsidenten auf Twitter. „Er wird scheitern.“ Die EU-Kommission arbeite an Vorschlägen, um gefährdete Haushalte und Unternehmen dabei zu unterstützen, mit den hohen Preisen umzugehen.
  • Die Nato will ukrainische Truppen mit Winterausrüstung ausstatten und so deren Kampf gegen die russischen Invasoren unterstützen. Unter anderem sollen warme Kleidung, Winterstiefel und Zelte geliefert werden, wie Diplomaten am Montag der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Dafür stünden rund 40 Millionen Euro zur Verfügung. Zunächst hatte der „Spiegel“ über die Details der Pläne berichtet. Sie wurden auf Bitten des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow hin erarbeitet.
  • Nach Angaben des Betreibers Enerhoatom wurde der letzte Reaktor des Atomkraftwerks Saporischschja abgeschaltet. Grund sei ein durch Angriffe ausgelöstes Feuer, das eine Stromleitung zwischen dem Kraftwerk und dem ukrainischen Stromnetz beschädigt habe, teilte das ukrainische Unternehmen auf dem Messengerdienst Telegram mit. 
  • Die ukrainischen Truppen machen nach Einschätzung Londons bei ihrer Gegenoffensive im Süden des Landes „echte Gewinne“. Das sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace am Montag im Parlament in London. „Die Ukraine hat eine Reihe von Flussübergängen schwer beschädigt mit dem Ziel, den russischen Nachschub zu beschränken“, so Wallace weiter. Moskaus Invasionsarmee werde sowohl mit Artilleriebeschuss belegt als auch von Bodentruppen attackiert.
  • Die Ukraine will bis Jahresende die Voraussetzungen der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfüllen. „Bis Ende des Jahres haben wir die Absicht, alle sieben Bedingungen zu erfüllen, die uns bei der Vergabe des Kandidatenstatus gestellt wurden“, sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal am Montag am Rande von Gesprächen mit EU-Vertretern in Brüssel. Die Regierung und die Gesellschaft seien absolut geschlossen und einig, das Ziel des EU-Beitritts zu erreichen.
  • Ein großes Street-Art-Mural, das einen russischen und einen ukrainischen Soldaten in einer Umarmung zeigt, hat in Australien für Proteste gesorgt. Das umstrittene Wandgemälde in Melbourne stammt von dem Künstler Peter Seaton, der mittlerweile für das Werk um Entschuldigung gebeten und es in der Nacht zum Montag entfernt hat. In einem Video auf Instagram erklärte er, seine Absicht sei es lediglich gewesen, den Frieden zu fördern. 
  • Nach den Waffenlieferungen auch aus Deutschland hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von Rückeroberungen von Gebieten bei den Kämpfen gegen den russischen Angriff gesprochen.„Die ukrainischen Flaggen kehren dorthin zurück, wo sie rechtmäßig sein sollten. Und es gibt keinen Platz für die Besatzer in unserem Land“, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache am Sonntag in Kiew. Details nannte er nicht

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