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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): So uneinig wie selten.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Streit um Entlastungen: Das große Grummeln zwischen Bund und Ländern

Der Ton zwischen Bundesregierung und Länderchefs ist rauer geworden. Vordergründig geht es um die Entlastungen, aber das Verhältnis ist grundsätzlich angespannt.

Die Länder sind sauer auf den Bund. Vor wenigen Tagen gingen die Bund-Länder-Beratungen über das dritte Entlastungspaket und dem „Wirtschaftlichen Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffkriegs“, besser bekannt als „Doppel-Wumms“, ohne Ergebnis zu Ende.

Und nun sollen die Länder den ersten Maßnahmen aus dem Entlastungspaket bereits zustimmen, obwohl sie sich mit dem Bund nicht einig geworden sind.

Unter anderem geht es um die Verlängerung einer reduzierten Verbrauchsteuer für Gastronomiebetriebe, um den einfacheren Zugang zu Kurzarbeitergeld für Betriebe und die befristete Umsatzsteuersenkung für Gas.

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Für die Länder ist das ein kleiner Stich. Der Bund, so wirkt es, will mal wieder seine Macht demonstrieren. Es ist ein Muster, das sich in den vergangenen Monaten etabliert hat: Der Bund kündigt Maßnahmen an, meist sind es Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), die sich vor die Kameras stellen.

Wir sind hier nicht auf’m Fischmarkt, ihr wollt immer mehr, mehr...“ 

Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Ministerpräsidentenkonferenz

Die Länderchefs dürfen nicht mitverhandeln, müssen dann aber die angekündigten Maßnahmen umsetzen. Sie werden unter Zugzwang gesetzt, die Bürger erwarten schließlich, dass die Exekutive die Versprechen einhält. Vor allem in diesen Zeiten. Die Länder werden zu Politikvollstreckern gemacht, ohne selbst gestalten zu können.  

Das ist keine einfache Position. Zumal die Länderchefs sich an andere Machtverhältnisse gewöhnt hatten. Während der Coronapandemie in der vergangenen Legislaturperiode waren die Entscheidungen der Ministerpräsidenten wegweisend. Die Bund-Länder-Beratungen wurden zu einem der wichtigsten Termine der Bundespolitik.

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ den Länderchefs dem Vernehmen nach viel Diskussionsraum. Scholz führt anders. „Wir sind hier nicht auf’m Fischmarkt, ihr wollt immer mehr, mehr“, soll der Kanzler bei der vergangenen Ministerpräsidentenkonferenz Teilnehmerangaben zufolge gesagt haben. Der Ton ist rauer geworden.

Der Bund macht, die Länder schauen zu

An diesem Freitag ist vor allem die Umsatzsteuerabsenkung für Gas bis April 2024 umstritten. Im Entlastungspaket der Bundesregierung hieß es Anfang September, dass der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent für Gas „als Ausgleich für die neue Gasbeschaffungsumlage“ gelten solle. Doch die Gasumlage wird abgeschafft, sie soll „in die Annalen der Geschichte“ eingehen, sagte Habeck vor wenigen Tagen. Als Ausgleich wird sie also nicht mehr gebraucht – kommen soll sie trotzdem, als Entlastungsmaßnahme für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die dadurch sinkenden Steuereinnahmen betreffen auch die Länder. In die Beratungen darüber waren sie aber nicht eingebunden. Trotzdem wollen sie Entlastungen für Verbraucher nicht verhindern, es ist daher schwer vorstellbar, dass sie nicht zustimmen. Doch allein dass darüber spekuliert wird, zeigt, wie verärgert die Länder sind. Sie waren auch in die Verhandlungen über den Abwehrschirm nicht involviert. Der Bund macht, die Länder schauen zu.

„Der Bund hat ohne mit Ländern und ohne mit den Kommunen zu sprechen, dieses 65-Milliarden-Euro-Entlastungspaket vorgestellt, die Rechnung für die Länder beträgt 19 Milliarden Euro. Aber die Dimension muss so sein, dass wir auch in eigener Verantwortung noch entlasten“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vor wenigen Tagen in den Tagesthemen.

Es kann nicht sein, Milliardenpakete aus der Zeitung zu erfahren.

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde beim Landesparteitag der baden-württembergischen Grünen Ende September noch deutlicher: „Es geht einfach nicht, dass der Bund meint, er müsse die Länder nur über seine Beschlüsse informieren und ihnen dann die Rechnung präsentieren“, sagte er. „Es kann nicht sein, Milliardenpakete aus der Zeitung zu erfahren“, beschwerte er sich. Da war der Abwehrschirm, der mit 200 Milliarden Euro ausgestattet werden soll, noch gar nicht beschlossen.

Es war dann vor allem dieser 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm, über den bei den ergebnislosen Bund-Länder-Beratungen in dieser Woche gesprochen wurde. Wie die angekündigten Energiepreisbremsen für Strom und Gas ausgestaltet werden, die der Abwehrschirm maßgeblich finanzieren soll, ist aber noch unklar. Die Länder hatten dem Vernehmen nach gehofft, über Rahmenbedingungen zu diskutieren. Das aber blieb offenbar weitestgehend aus. Stattdessen müssen sie nun auf die Vorschläge der Gaskommission warten. Schon wieder also warten sie.

Auch über konkrete Länderforderungen, die es im Vorfeld der Bund-Länder-Beratungen gegeben hatte, wurde man sich nicht einig. Die Länder hatten gefordert, dass der Bund die Kosten der Wohngeldreform übernimmt, forderten mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr, unter anderem um das Neun-Euro-Nachfolgeticket zu finanzieren, und finanzielle Entlastungen für Krankenhäuser, die unter den hohen Energiepreisen leiden. Bislang könnten wohl nur die Krankenhäuser von der Energiepreisbremse direkt profitieren. Der Bund weigert sich bislang, über die offenen Punkte zu verhandeln.

Einig werden müssen sich Bund und Länder aber bald. Der Bund braucht die Länder für seine Entlastungsmaßnahmen, genau wie die Länder den Bund brauchen. Und die Menschen und Unternehmen im Land brauchen die Entlastungen.

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