UN-Chef Guterres will im Ukraine-Krieg vermitteln: Unterwegs in Sachen Frieden
Ankara, Moskau, Kiew: UN-Generalsekretär Guterres ist auf Friedensmission. Dabei hofft er auf Erdogans Unterstützung.
Schon bevor Antonio Guterres am Montag seine Vermittlungsmission im Ukraine-Konflikt begann, zeichnete sich die Botschaft des UN-Generalsekretärs an den Angreifer Russland ab: Guterres werde Kremlchef Wladimir Putin in „sehr klaren und starken“ Worten deutlich machen, dass der Krieg sofort beendet werden müsse, sagte US-Außenminister Antony Blinken nach einem Gespräch mit dem UN-Chef.
Guterres’ erste Station war Ankara, wo er mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über die türkischen Vermittlungsbemühungen sprach. An diesem Dienstag will der UN-Chef in Moskau mit Putin reden, am Donnerstag wird er in Kiew erwartet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte, dass Guterres zuerst nach Moskau und erst dann nach Kiew reist.
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Diese Abfolge sei weder gerecht noch logisch, sagte Selenskyj: „Der Krieg findet in der Ukraine statt – es liegen keine Leichen auf den Straßen Moskaus.“ Die Regierung in Moskau will laut der Nachrichtenagentur RIA mit Guterres über die Lage in der umkämpften Hafenstadt Mariupol und auf dem Gelände des Stahlwerks Azowstal sprechen, wo ukrainische Soldaten und Zivilisten von russischen Truppen eingeschlossen sind.
Guterres informiert sich bei Präsident Erdogan
Die ukrainische Regierung verlangt, Guterres solle persönlich die Verantwortung für die Einrichtung eines humanitären Korridors aus dem Stahlwerk übernehmen. Dass sich Guterres am Montag zunächst mit Erdogan traf, legt nahe, dass der Generalsekretär vor seinen Gesprächen mit Putin und Selenskyj den genauen Stand der türkischen Bemühungen kennen will.
Die Türkei hatte im März die Außenminister von Russland und der Ukraine in Antalya sowie Verhandlungsdelegationen beider Seiten in Istanbul zusammengebracht. Nach ukrainischen Angaben gehen die Verhandlungen seitdem informell über Telefon und Kurznachrichtendienste weiter. Inzwischen existiert der türkischen Regierung zufolge ein „umfassender Text“ für eine Einigung.
Knackpunkte sind demnach die russische Bedingung einer Neutralitätszusage der Ukraine sowie die ukrainische Forderung nach Sicherheitsgarantien westlicher Länder wie Deutschland, Türkei und Kanada. Ukrainischen Diplomaten zufolge besteht Kiew auf Garantien mit der Bindekraft der gegenseitigen Beistandsverpflichtungen der Nato-Mitglieder.
Ankara hofft auf ein Gipfeltreffen von Putin und Selenskyj in der Türkei und erhöht derzeit den Druck auf Russland. Kurz vor dem Guterres-Besuch sperrte die Türkei ihren Luftraum für russische Truppenverlegungen nach Syrien. Das erschwert den russischen Militäreinsatz in Syrien und ist das bisher eindeutigste Vorgehen der Türkei gegen Moskauer Interessen. Ziel ist es, Russland zu neuen Verhandlungen mit der Ukraine bewegen.
Der russische Einsatz in Syrien wird schwerer
Erdogans Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, die Türkei habe bisher alle drei Monate die Genehmigungen für russische Truppentransporte per Flugzeug über ihren Luftraum nach Syrien erteilt. Die vorerst letzte Genehmigung sei Anfang April ausgelaufen; der Stopp solle für drei Monate gelten. Die Entscheidung gilt für militärische und zivile Flugzeuge gleichermaßen. Moskau äußerte sich nicht dazu.
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In Syrien sind mehrere Tausend russische Soldaten stationiert, die das Regime des syrischen Machthabers Baschar al Assad unterstützen. Wegen der Sperrung des türkischen Luftraums müssen die Truppen nun aus Russland über den Kaukasus, Iran und Irak nach Syrien gebracht werden. Die längere Strecke zwinge die Flugzeuge zu Zwischenlandungen zum Tanken, weshalb sich die Transportzeit beinahe verdoppele, sagte der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Isik dem Tagesspiegel.
Die Truppenrotation in Syrien wird für Moskau also schwieriger. Der Nachschub per Schiff nach Syrien ist seit Wochen erschwert, weil die Türkei allen Kriegsschiffen die Durchfahrt durch den Bosporus verboten hat. Die russische Marine kann deshalb nicht mehr aus dem Schwarzen Meer nach Syrien gelangen; der Weg von anderen russischen Marinestützpunkten - etwa an der Ostsee - nach Syrien ist wesentlich weiter.
Die Türkei erhöht den Druck auf Russland
Zwar transportieren zivile russische und syrische Frachter weiter Ausrüstung aus russischen Schwarzmeer-Häfen nach Syrien. Die Zahl dieser Transporte sei aber stark gesunken, sagte Isik, der den Schiffsverkehr auf dem Bosporus beobachtet. Das führe zu Engpässen bei der Versorgung der russischen Einheiten: „Sie zehren inzwischen von ihren Lagerbeständen.“
In der Anfangsphase des Ukraine-Krieges hatte die Türkei eine eindeutige Parteinahme gegen Russland vermieden, weil sie bei Öl- und Gaslieferungen sowie im Syrien-Konflikt vom Wohlwollen Moskaus abhängt. Ankara beteiligt sich nicht an den westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Auch bleibt der türkische Luftraum für den zivilen Luftverkehr mit Russland geöffnet.
Russische Massaker in Butscha und anderen ukrainischen Städten lassen Ankara aber mehr und mehr auf die ukrainische Seite rücken. Das Ziel der Türkei sei es gewesen, „pro-ukrainisch aber nicht anti-russisch zu sein“, sagte Isik. Das werde wegen der russischen Kriegsverbrechen aber komplizierter. „Also erhöht Ankara den Druck jetzt ein wenig.“
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