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Geht die Fahrt weiter? Die Zukunft des Deutschlandtickets ist ungewiss.

© picture alliance/dpa/Christoph Soeder

„Eine Beendigung wäre nicht vermittelbar“: Wie weiter mit dem Deutschlandticket? Bund und Länder müssen Finanzierung klären

SPD-Kanzler Olaf Scholz und die Länderchefs müssen über die Zukunft des ÖPNV-Abos entscheiden. Die Fronten sind vor der Konferenz am Montag verhärtet. Und das Ticket wird immer teurer.

Wieder geht es um eine Lösung in letzter Minute. Bereits im vergangenen Jahr machten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder den Weg für das Deutschlandticket erst im November frei. Auf ihrer Sitzung an diesem Montag müssen sie nun den Fortbestand des Tickets über 2023 hinaus sichern.

In der Branche ist man verärgert, dass es Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seinen Länderkollegen nicht gelungen ist, das Thema in den Monaten zuvor abzuräumen. Denn so bleibt für eventuell nötige Anpassungen kaum noch Zeit.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat errechnet, dass das Ticket bei den Verkehrsvertrieben 2024 ein Finanzloch von 4,1 Milliarden Euro schafft. Bund und Länder haben für die Finanzierung aber nur je 1,5 Milliarden Euro zugesagt.

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Der Bund zahlt mehr als die Länder

Die Länder fordern vom Bund, dass er die Hälfte der Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro übernimmt. Wissing verweist hingegen darauf, dass der Bund über die sogenannten Regionalierungsmittel bis 2030 schon insgesamt 110 Milliarden Euro für den Nahverkehr zur Verfügung stellt.

In den vergangenen Jahren zahlten Länder und Kommunen zusammengenommen deutlich weniger als der Bund, zeigt die Untersuchung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Aus manchen Länderhaushalten fließt für das Bus- und Bahnangebot kaum Geld. Wissing fordert mehr Engagement der Länder.

Eine Beendigung dieses Erfolgsprojekts wäre schlicht nicht vermittelbar und würde viel Vertrauen kosten.

Grünen-Chefin Ricarda Lang

Das Kanzleramt weiß er hinter sich. Dort rechnet man vor, dass der Bund mit einer Vielzahl von Schattenhaushalten immer mehr Schulden aufnimmt, während viele Länder weiterhin Überschüsse erwirtschaften. Andernfalls könnten die Länder ja die Preise für das Deutschlandticket erhöhen, heißt es von Vertretern des Bundes vor der entscheidenden Ministerpräsidentenkonferenz.

Wissing fordert von den Ländern zudem mehr Effizienz. Seine Beamten sind überzeugt, dass die Länder die vielen Bundesmittel nicht immer sinnvoll einsetzen. Mit Verwunderung hat Wissing etwa registriert, dass Berlin nun 300 Millionen investiert, um mit dem 29-Euro-Ticket ein Konkurrenzprodukt zum Deutschlandticket zu schaffen.

Auch die vielen verschiedenen Verkehrsverbünde und Aufgabenträger, die jeweils eigene Vertriebssysteme betreiben und in kleinen und somit teuren Stückzahlen Busse und Bahnen bestellen, sieht Wissing mit Argwohn.

Länder sehen Bund in der Pflicht

Die Länder und Branche bezweifeln hingegen, dass sich durch mehr Zentralisierung signifikant Kosten einsparen lassen. „Der Bund muss sich zu seiner Mitverantwortung bekennen“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil dem Tagesspiegel. „Damit das Angebot attraktiv bleibt, darf es nicht unendlich viel teurer werden.“ Derzeit haben rund zehn Millionen Menschen das Ticket abonniert. Bei einem höheren Preis erwartet die Branche Abbestellungen.

Nach Verkehrspolitikern der SPD forderte auch Grünen-Chefin Ricarda Lang am Sonntag, dass Bund und Länder eine Einigung finden. „Eine Beendigung dieses Erfolgsprojekts wäre schlicht nicht vermittelbar und würde viel Vertrauen kosten“, sagte sie. Weil ist optimistisch, dass die Ministerpräsidentenkonferenz für 2024 eine Lösung finden wird, mit der es beim Preis von 49 Euro bleibt.

Denn 2023 wird das Deutschlandticket wohl 700 Millionen Euro weniger als geplant kosten. Diese nicht ausgegebenen Mittel könnten in das kommende Jahr transferiert werden. Mit je 200 Millionen Euro zusätzlich von Bund und Ländern wäre das Ticket durchfinanziert. Andernfalls könnte das Ticket vorerst auch nur für ein halbes Jahr zum aktuellen Preis verlängert werden.

Eine langfristige Lösung für das Finanzierungsproblem wird die Runde der Regierungschefs allerdings kaum vorlegen. Verkehrspolitiker der SPD erklärten zuletzt, dass der VDV beim Preis von 49 Euro 2025 bereits einen Zuschuss von 4,6 Milliarden Euro für nötig hält. Langfristig kommt die Politik deshalb um eine Preiserhöhung kaum herum – die Frage ist, wer dies den Deutschen erklärt und wann.

Die Branche denkt bereits darüber nach, wie die Erlöse gesteigert werden können. So kursiert im VDV die Idee neben dem bestehenden Angebot ein Deutschlandticket Plus zu schaffen. Mit ihm könnte man im Regionalzug in der 1. Klasse fahren und etwa Kinder kostenlos mitnehmen. Zu einem deutlich höheren Abo-Preis.

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