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Jakob Drews studiert Geoökologie an der Universität Potsdam. Am Donnerstag kletterte er mit anderen Studierenden in Golm auf Bäume, um deren Fällung zu verhindern.

© Ottmar Winter PNN

Um 6 Uhr auf Potsdamer Bäume geklettert: Aktivisten stoppen Fällung alter Eichen und Buchen in Golm

Baumfrevel trotz Klimanotstand in Potsdam? Studierende und Mitarbeiter der Universität verhindern vorerst Abholzungen. Das Studentenwerk will Wohnungen bauen.

Für den Neubau eines Wohnheims des Studentenwerks Potsdam sind am Mittwoch Bäume auf einem Grundstück neben der Mensa in Golm gefällt worden. Der Einsatz von Kettensägen, denen alte Eichen und Buchen zum Opfer fielen, hat einen spontanen Protest ausgelöst. Dadurch wurden die Fällarbeiten vorerst beendet. „Einige Studierende und Mitarbeitende der Uni haben sich spontan vor die Bäume gesetzt, um die Fällungen zu verhindern“, berichtet Luzie Freitag, die in Golm Geoökologie studiert.

Innerhalb kürzester Zeit seien weitere Leute informiert und zum Protest mobilisiert worden. Die beauftragte Firma habe die Fällungen daraufhin abgebrochen, berichtet die Biologin Inge-Juno Frommel, die an der Uni einen Masterstudiengang in Ökologie absolviert. „Der Protest entwickelt sich.“ Am Donnerstagmorgen seien Studierende um 6 Uhr auf die für die Fällung markierten Bäume geklettert. Der Einsatz der Kettensägen wurde damit verhindert.

Einige Bäume, darunter diese Eiche, wurden bereits gefällt.
Einige Bäume, darunter diese Eiche, wurden bereits gefällt.

© Ottmar Winter PNN

Auf dem Areal würden bis zu 180 Jahre alte Bäume stehen, darunter viele Eichen und Buchen. Auch die erhaltenswerte Rotbuche, wegen ihrer Bedrohung durch den Klimawandel 2022 zum Baum des Jahres gekürt, sei dort von Fällung bedroht. Es könne nicht sein, dass in Zeiten der Klimakrise und des von der Stadt Potsdam ausgerufenen Klimanotstandes alter Baumbestand gefällt werde, sagt Luzie Freitag.

„In der Klimakrise Bäume fällen? - Un(i)verantwortlich!“, lautet das Motto des Protests in Golm.
„In der Klimakrise Bäume fällen? - Un(i)verantwortlich!“, lautet das Motto des Protests in Golm.

© Ottmar Winter PNN

Zudem sei es unerklärlich, warum die Fällungen in der geschützten Wachstumsperiode erfolgten. Normalerweise sind Beschnitt und Fällungen von März bis September verboten. Das Verbot dient unter anderem dem Schutz nistender Vögel.

„Wir brauchen dringend günstigen Wohnraum“, sagt Inge-Juno Frommel. Aber es dürfe nicht sein, dass soziale Bedürfnisse und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt würden. „Das muss endlich zusammen gedacht werden.“ Die Protestierenden ziehen Parallelen zum geplanten Staudenhof-Abriss. Auch anstelle des geplanten Neubaus in Golm habe sich zuvor ein Altbau mit Wohnungen befunden, der möglicherweise hätte erhalten werden können.

Das gesamte Verfahren sei intransparent, kritisieren die Protestierenden. Das Studentenwerk Potsdam wurde deshalb aufgefordert, die Pläne für das Wohnheim offenzulegen. Die auf dem Neubau geplante Dachbegrünung sei jedenfalls kein Ausgleich für die gefällten Bäume. „Wir wollen wissen, wo genau und wann der Ausgleich erfolgt“, sagt Luzie Freitag. Leider habe der Klimaschutz bei dem Wohnheimprojekt keine Priorität.

Studentenwerk: Altbau konnte nicht integriert werden

Das Studentenwerk hat am Donnerstag mit einem aktuellen Blogbeitrag auf seiner Homepage zu dem geplanten Wohnheim auf die Vorwürfe reagiert. „Wir wollen nichts verbergen“, sagte Sprecherin Josephine Kujau den PNN. Das Studentenwerk plane seit Jahren den Bau von insgesamt 420 Wohnheimplätzen, die in Golm dringend benötigt und im Wintersemester 2025/26 fertiggestellt werden sollen. Das frühere Kasernengebäude mit 50 Plätzen hätte laut einer Machbarkeitsstudie nicht in einen Neubau integriert werden können und sei deshalb abgerissen worden. Ein anderes Grundstück für das neue Wohnheim stehe dem Studentenwerk nicht zur Verfügung, so Josephine Kujau.

Jakob Drews studiert Geoökologie an der Universität Potsdam. Am Donnerstag kletterte er mit anderen Studierenden in Golm auf Bäume, um deren Fällung zu verhindern.
Jakob Drews studiert Geoökologie an der Universität Potsdam. Am Donnerstag kletterte er mit anderen Studierenden in Golm auf Bäume, um deren Fällung zu verhindern.

© Ottmar Winter PNN

Auf dem Grundstück östlich der Mensa sollten so viele Bäume wie möglich erhalten bleiben. Die größte Buche solle zum Mittelpunkt eines Platzes in der Mitte des Areals werden. Von insgesamt 80 verzeichneten größeren Bäumen würden 40 gefällt, darunter acht von 34 vorhandenen Eichen und drei von sechs Buchen, sagte Josephine Kujau. Zudem würden 23 Robinien gefällt, die als nicht heimische Art die biologische Vielfalt störten. Ausgleichspflanzungen seien auf insgesamt 20.000 Quadratmetern in Schönwalde (Havelland) und Berlin-Mahlsdorf geplant. In Potsdam habe es dafür keine geeigneten Flächen gegeben.

Die Baugenehmigung für die Wohnheime sei erst am 31. März erteilt worden – einen Monat nach Ende der Fällperiode. Um nicht erst im Herbst mit den Bauarbeiten zu beginnen, sei für die Fällung eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden, erklärte die Sprecherin. Zuvor habe ein Artenschutzgutachter geprüft, ob Vögel in den von Fällung betroffenen Bäumen lebten.

Die Stadtverwaltung bestätigt die Ausnahmegenehmigung, die wegen des öffentlichen Interesses und der Unaufschiebbarkeit des Bauvorhabens erteilt worden sei. Die Arbeiten würden in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde von einem Baum- und Artenschutzsachverständigen überwacht, sagte Stadtsprecher Markus Klier.

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