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Teenager-Musical „Ankommen ist schwer – Ich, Du, Wir und die Anderen“ unter dem Eindruck der Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine

© Andreas Klaer

Musical mit Gänsehautfaktor in Potsdam: Ankommen ist schwer

Ein Musical von und für Jugendliche im Treffpunkt Freizeit thematisiert die drängenden Themen unserer Zeit. Und stellt die Fragen, die unsere Gesellschaft bewegen.

Von Alicia Rust

Integration nach der Migration, Cybermobbing, Bodyshaming, der allgemeine Umgang mit und die Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen: Das Musical „Ankommen ist schwer“ thematisiert drängende Fragen unserer Zeit. In eine Sprache verfasst, die von Jugendlichen verstanden wird. Denn darum geht es in „Ich  – wir und Die Anderen“, wie es im Untertitel heißt. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von und für Jugendliche aus unterschiedlichsten Nationen, unter ihnen befinden sich auch Geflüchtete. Sorgen, Nöte, Ängste werden genauso angesprochen wie Hoffnungen, Sehnsüchte oder Wünsche.

Bis auf den letzten Platz sind alle Plätze des großen Theatersaals im Treffpunkt Freizeit am Neuen Garten gefüllt: Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, etliche von ihnen haben einen Migrationshintergrund, genau wie die 17 Darsteller des Musicals auf der Bühne. Zwei Mädchen betreten die Bühne, eine zieht einen Rollkoffer hinter sich her. „Fern der Heimat, wo mein Zuhause brennt, fühle ich mich nicht mehr so fremd“, so die ersten Zeilen des Gesangs, vorgetragen mit fester Stimme, untermalt von einer Melodie, die etliche Zuschauer in den Bann zieht. „Manchmal heißt ankommen, alles zu verlieren und zu gehen“, geht es weiter, die ersten zücken verstohlen ihre Taschentücher.

Die Sprache als Brücke

Nächste Szene: Ein Klassenzimmer. Die Lehrerin stellt drei neue Schülerinnen aus der Ukraine vor, denen sogleich je ein Pate zur Verfügung gestellt wird. Die Schüler äußern ihr Erstaunen, aber auch ihre Verwunderung, die sich zu Abwehr steigert. Empathie mit Geflüchteten hin oder her, doch man wolle bitteschön auch mal gefragt werden, ob man zu helfen bereit sei. Alle Rollen werden von Schülern gespielt, die sich erstaunlich gut in die Hilflosigkeit der Lehrer hinein fühlen können, die oftmals mit den vielen neuen Herausforderungen überfordert scheinen. Kein plattes Erwachsenen-Bashing, vielmehr eine kluge Annäherung.

Die Sprache sei eine Brücke, über die sie gehen müssen, singen jene drei Mädchen, die Ukrainerinnen darstellen. Ein syrischer Junge, ebenfalls ein Geflüchteter, bietet den neuen Mitschülerinnen Hilfe an. „Unsere erste Deutschstunde hat das Thema Lästermäuler“, sagt er lächelnd. Offenbar hält er Ablästern für eine ziemlich deutsche Eigenschaft, was die Zuschauer zum Lachen bringt. Der Darsteller, der im Musical den Muhammed spielt, kommt tatsächlich aus Syrien.

Szenen, die unter die Haut gehen

Weiter geht es mit dem Phänomen Cybermobbing. Jungen und Mädchen in schwarzen oder weißen Kutten, die Gesichter allesamt hinter Icons verborgen. Schülerinnen, die sich gegenseitig beleidigen, geschützt durch die Anonymität des Internets. Noch so ein Thema, was viele bewegt. Smiley, Likes, aber auch Hatespeech: Die übelste Form der Verrohung. „Alles herrlich anonym, bündele deinen Frust, lass es raus“ singen sie im Chor. „Du bist hässlich und fett, wir wollen dich nicht“ schallt es den gekränkten Mitschülerinnen entgegen. „Eine Kette reist nun mal am schwächsten Glied“, stellt der Direktor nüchtern fest.

Es sind Szenen, die unter die Haut gehen. Dialoge, die der Realität vieler Jugendlicher wohl erstaunlich nahe kommen, weil sie von ihren Altersgenossen verfasst wurden. Welcher Erwachsene würde wohl etwas Derartiges glaubhaft formulieren können?

Nach einem kurzen Exkurs in die religiöse und kulturelle Vielfalt und zum Thema gleichgeschlechtlicher Partnerschaften steht am Ende das Verständnis, der Gewinn einiger neuer Erkenntnisse oder zumindest die Bereitschaft zur Akzeptanz. Basierend auf gegenseitigem Respekt. „Und ich spüre wieder die Sonne und sehe, wie die anderen Menschen verstehen“ singen abschließend alle zusammen.

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