zum Hauptinhalt

© Andreas Klaer

Musikfestspiele Sanssouci eröffnet: Von Freundschaft und Sklavenhandel

Die Musikfestspiele erinnern zum Auftakt an die Verbrechen der Kolonialzeit. In der Friedenskirche ist der Musikgeschmack der Königin Sophie Charlotte zu hören.

Eine begeisterte Zuhörerschaft versammelte sich am Freitag zum Eröffnungskonzert der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci in der Friedenskirche. An diesem Abend wurde einmal mehr verdeutlicht, wie schwungvoll und lebendig Barockmusik sein kann.

Das Programm versammelte Werke von Komponisten, die mit Preußens erster Königin Sophie Charlotte verbunden waren, manche sogar freundschaftlich. An ihrem Musenhof auf Schloss Lietzenburg, heute Charlottenburg, wirkten Musiker und Komponisten vor allem aus Italien wie Attilio Ariosti, Giovanni Battista Bononcini oder Agostino Steffani. Auch der Böhme Gottfried Finger war Hofmusiker in Berlin. Sie belebten das kulturelle Leben, das Sophie initiierte beziehungsweise organisierte. Arcangelo Corelli sandte beispielsweise Kompositionen an die Monarchin, die mit König Friedrich I. in Preußen verheiratet war, die eine Harmonie mit Musikern, Literaten und Wissenschaftlern anstrebte.

Eröffnungskonzert in der Friedenskirche mit Accademia Bizantina und Ottavio Dantone und dem Programm „Harmonie an die Macht!“

© STEFAN GLOEDE mail@stefangloede.de

Die Accademia Bizantina, 1983 in Ravenna gegründet und in aller Welt gastierend, bestritt das erste Konzert des Festivals. Dem Ensemble ist eine abwechslungsreiche Zusammenstellung von neun Werken, zumeist Concerti grossi und Opern-Ouvertüren, gelungen, wobei Gesangsdarbietungen bezüglich der Opernleidenschaft der Königin den Abend zusätzlich bereichert hätten. Zu den bereits genannten Komponisten gesellten sich Händel, Giuseppe Torelli oder Francesco Geminiani hinzu.

Drängende Impulse sorgen für Aufregung

Dass die Musik zumeist aufregend klang, war vor allem das Verdienst des Konzertmeisters Allessandro Tampieri, der mit drängenden Impulsen die Musik und die Ensemblemitglieder zu bewegter Frische und sinnlicher Klangschönheit animierte. Er verstand auch als Solist das reiche figurative Feinwerk in den Werken hochexpressiv zu gestalten. Dagegen wirkte Ottavio Dantone, der das Konzert vom Cembalo aus leitete, erstaunlicherweise wenig inspirierend.

Jordi Savalls „Die Sklavenrouten“ wurde vor mehr als 1500 Besucherinnen und Besuchern auf dem Alten Markt aufgeführt.

© Andreas Klaer

Zum Festspiel-Thema „In Freundschaft“ wurde das Konzert mit einem Vortrag von Daniel Tyradellis bereichert. Mit eher trockenem Humor referierte der Berliner Beziehungs-Professor kurz und bündig über die Freundschaft als die erstrebenswerte Form im Sozialen seit der Antike, die im 19. Jahrhundert von der bürgerlich-individuellen Liebesbeziehung abgelöst wurde und heute größtenteils als solidarisches Netzwerk gilt.

Erinnerung an die Verbrechen der Kolonialgeschichte

Von Freundschaft konnte während des Sklavenhandels keine Rede sein, eher von Feindschaft der Herrenmenschen, die ihre verachtenswerte Haltung zu anderen Menschen in Grausamkeiten steigerten. Auf dem für ein entspannendes Sommerkonzert bestens passenden pittoresken Alten Markt kamen Zweifel auf, ob das Publikum das Projekt „Die Sklavenrouten“ an diesem Ort annehmen würde. Die mehr als 1500 Besucher:innen hörten am vergangenen Samstagabend von der ersten bis zur letzten Minute konzentriert zu.

Bei Jordi Savall wird ein musikalischer Bogen von 1444 bis 1888 wird geschlagen, mit Texten aus der vorchristlichen Zeit bis zum 20. Jahrhundert.

© Andreas Klaer

In Jordi Savalls Projekt geht es um Musik aus Afrika, Portugal, Spanien und Lateinamerika. Savalls eigene Ensembles Hesperion XXI und La Capella Reial de Catalunya haben dieses Programm zusammen mit Instrumentalisten, Tänzerinnen, Sängerinnen und Sängern aus Guinea, Mali, Mexiko, Kolumbien, Brasilien und Kuba erarbeitet. Ein musikalischer Bogen von 1444 bis 1888 wird geschlagen, mit Texten aus der vorchristlichen Zeit bis zum 20. Jahrhundert. Jordi Savall, der Diskantgambe spielte, leitete das Ganze unaufdringlich von seinem Instrument aus.

Die deutsche Schauspielerin Denise M’Baye las die bewegenden Berichte vom Sklavenhandel, von den qualvollen Verschleppungen der Frauen und Männer aus ihren afrikanischen Dörfern und der entwürdigenden Behandlung in der neuen Heimat, schnörkellos, doch sehr engagiert. Das afrikanische und lateinamerikanische Erbe traf auf den europäischen Einfluss der Renaissance und des Barock. Die Mitwirkenden sangen und musizierten auf Augenhöhe, oftmals verstörend, doch auch zutiefst optimistisch. Die Erinnerung an die Verbrechen der Kolonialgeschichte wird mit Jordi Savalls Gesamtkunstwerk in aufrüttelnder Weise wachgehalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false