zum Hauptinhalt
Potsdam, 28.09.2021 / Lokales / Coronakrise / Nikolaikirche, Orgel, Hauptorgel, Orgelspieler, Musik, Europisches Orgelfest 2021, Foto: Ottmar Winter PNN ACHTUNG: Foto ist ausschlie§lich fr redaktionelle Berichterstattung der PNN und des TGSP! Eine kommerzielle Nutzung, z.B. Werbung, ist ausgeschlossen. Die Weitergabe an nicht autorisierte Dritte, insbesondere eine weitergehende Vermarktung ber Bilddatenbanken, ist unzulssig.

© Ottmar Winter PNN / Ottmar Winter PNN

Orgelsommer in Potsdam: Was Bruckners romantisches Adagio mit Schinkel zu tun hat

In der Potsdamer Nikolaikirche musizierte Konstantin Reymaier. Der Organist des Wiener Stephansdom ließ sich vom Ort des Auftritts inspirieren.

Was fällt dem Wien-Reisenden spontan ein, wenn er an Österreichs Hauptstadt denkt? Vielleicht kommen ihm die Donau, die Hofburg, der Prater, die Staatsoper, das Burgtheater, die Sacher-Torte oder der Stephansdom in den Sinn. Seit Sonntagabend werden so manche Besucherinnen und Besucher des Konzerts, das im Rahmen des Internationalen Orgelsommers stattfand, auch an Konstantin Reymaier denken. Denn der Organist des Wiener Doms St. Stephan gab an der Orgel von Matthias Kreienbrink in der St. Nikolaikirche ein eindrucksvolles Konzert.

Reymaier studierte zunächst Kirchenmusik und Theologie in Wien. 2009 wurde er zum Priester geweiht. Heute ist er Kirchenmusiker am Stephansdom. Er leitet auch das Referat für Kirchenmusik der Erzdiözese Wien und ist Orgelsachverständiger. Eine Menge Arbeit, die zu bewältigen ist. Doch scherzhaft meinte er: „Ich habe die kirchliche Version von Job-Sharing: Nicht drei machen einen Job, sondern einer macht drei Jobs.“ Doch Reymaier findet trotzdem immer wieder Möglichkeiten, Gastspiele außerhalb Wiens zu geben.

Konstantin Reymaier, Domorganist Wien

© Konstantin Reymaier/promo

Die vielfältigen Klangfarben der Kreienbrink-Orgel von St. Nikolai am Potsdamer Alten Markt lotete Reymaier sensibel aus. Dabei betonte er nicht die überwältigenden Klangereignisse, die das sinfonische Instrument hervorrufen könnte, sondern ließ mit seiner schlüssigen Registrierungskunst weitgehend das Kammermusikalische, das Feinsinnige der „Königin der Instrumente“ erklingen.

Dies wird sogleich im Eröffnungsstück hörbar, in der Transkription von Bachs Chaconne d-Moll aus der 2. Partita für Violine solo des deutsch-amerikanischen Komponisten Wilhelm Middelschulte (1863-1943). Man vernahm ein Stück, das zwar im spätromantischen Gestus komponiert wurde, doch sich an Bach’schen Strukturen orientiert.

Hörerlebnis ersten Ranges

Bearbeitungen vorhandener Werke waren an diesem Abend die Spezialität Reymaiers. Von Anton Bruckner, der selbst Orgelvirtuose war, spielte er eine Transkription des Adagio aus dem F-Dur-Streichquintett. Eigentlich stand zunächst ein barockes Werk von Nikolaus Hasse auf dem Programm. „Doch als ich in Schinkels klassizistischen Kirchenraum mit seiner Klarheit und Weite trat, wusste ich, hier gehört ein Stück von Bruckner hinein“, sagte Reymaier.

Das Streichquintett mit seinen sinfonischen Dimensionen gehört zu den schönsten und anspruchsvollsten Werken des Spätromantikers. Der besonders inspirierende Satz, das Adagio mit seinen einzigartigen Melodiebögen, wurde vom Organisten hingebungsvoll mit romantischem, weichem und warmem Klang musiziert. Das war ein Hörerlebnis ersten Ranges.

Die quirlig bis stille Improvisation, der der Wiener keinen Titel gab, erinnerte an das Treiben einer großen Vogelschar sowie an die Stille, wenn sie sich vom „angestammten“ Ort wieder entfernt. Vielleicht hatte Reymaier die lebhaften Turmmieter des Wiener Doms im Sinn? Oder sogar die Touristenströme, die die Kirche Tag für Tag bevölkern? Er hat es nicht verraten.

Nach der mit reicher Registrierung von Flötenstimmen bedachten Improvisation war das Finale königlich. Aus dem Kammerorchesterwerk von Michel-Richard Delalande, einem Violinisten und Cembalisten am Hof des französischen Königs Ludwig XIV., spielte Konstantin Reymaier eine Bearbeitung der zweiten Fantasie, die während des Soupeérs des Königs musiziert wurde – ein erfrischend tänzerisch-fröhliches Stück, das Reymaier mit großer Spielfreude zu Gehör brachte.

Bis zum 30. August findet der Internationale Orgelsommer Potsdam statt. Für die 16 Konzerte hat der künstlerische Leiter, Nikolaikantor Björn O. Wiede, renommierte Interpreten aus ganz Europa gewinnen können. An den so unterschiedlichen Instrumenten des Potsdamer Orgelensembles in der St. Nikolaikirche, Friedenskirche Sanssouci, Erlöserkirche sowie in der Französischen Kirche wird der Sommer in Potsdam musikalisch bereichert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false