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Die Kraft der Farbe Rot: Dettmers „Ansichten von Potsdam“.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Rückkehr in Rot: Alexander Dettmar im Jan Bouman Haus

In den frühen 1990er Jahren war der Architekturmaler im Holländischen Viertel unterwegs. Jetzt stellt er die Kunst von damals am Entstehungsort aus.

Nach Amsterdam kam der Maler Alexander Dettmar wegen Jacques Brel, dem Chansonsänger. Der schrieb der niederländischen Hafenstadt in den 1960er Jahren ein Lied auf den Leib. Eine Ode an die Arbeiter und Huren, das Bier, die Pommes und die Tränen. „Amsterdam“ ging Alexander Dettmar nicht aus dem Kopf, und so fuhr er 1990 selbst hin. „Um sich das Lied aus dem Kopf zu malen.“ Als das geschafft war, war Schluss mit Amsterdam. Dettmar zog weiter. Nach Potsdam zum Beispiel.

Brel singt, wie Dettmar malt: in kräftigen Farben. Die Amsterdam-Bilder, 1990 entstanden, sind jetzt im Potsdamer Jan Bouman Haus im Holländischen Viertel zu sehen. Sie sehen so zeitlos aus, wie Brels Lied von 1964 klingt: mit kleinem Knicks in Richtung Nostalgie. Dunkle, flächige Fassaden in Rot- und Brauntönen, darüber ein grau-weißer Himmel. Kräftige Flächen aus Weiß geben den Bildern eine klare Struktur. Keine Autos, keine Menschen, nicht einmal Fahrräder sind zu sehen. Architektur pur, durch die starken Farben von einem starken Rhythmus getragen. Das Amsterdam, das der Maler 1990 zeigte, hätte auch von 1890 sein können.

Alexander Dettmar, geboren 1953 in Freiburg im Breisgau, lebt heute in Mecklenburg.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

In den 1990ern in Potsdam

Die Künstler der Klassischen Moderne sind Alexander Dettmars Referenzrahmen, immer gewesen und bis heute geblieben. Kein Makel, findet er selbst. Man kann ruhig sehen, wo er sich selbst als Künstler einreiht, findet er. „Was einer wie Jackson Pollock gemacht hat, ist doch heute auch schon wieder vorbei“, sagt er. Auch er selbst hat mit Abstraktion experimentiert, aber immer wieder zur erkennbaren Form zurückgefunden. Die Liebe zur Architektur hat er mit Lyonel Feininger gemeinsam, seinem großen Vorbild. Wo Feiningers berühmte Thüringer Dörfer flächig und schwebend, fast tanzend sind, sind Dettmars Fassaden geerdeter. Wie auch die Kirchen in Köln und sein Zyklus zu zerstörten Synagogen.

Wenn Dettmars Amsterdam-Bilder jetzt im Holländischen Viertel zu sehen sind, ist das eine doppelte Heimkehr. Zum einen sind sie rein architektonisch jetzt wieder „zuhause“ – im historischen Backstein. Der Tischler, Schiffsbau- und Zimmerermeister Jan Bouman, der auf Anweisung von Friedrich Wilhelm I. die vier Karrees in Potsdam zwischen 1732 und 1742 errichtete, kam selbst aus Amsterdam. Und auch für den Maler Alexander Dettmar selbst ist es eine Rückkehr. Er war 1993 schon in Potsdam unterwegs gewesen. Hatte die Kolonie Alexandrowka gemalt – und das Holländische Viertel. 1997 stellte er seine Bilder sogar in den Römischen Bädern im Park Sanssouci aus, „als erster lebender Künstler“.

Dettmars „Ansichten von Potsdam“ hängen im Jan Bouman Haus Ansichten von Amsterdam gegenüber.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Vorbild und Nachbildung

Im Jan Bouman Haus hängen Vorbild und Nachbildung nun einander gegenüber. Auf der roh verputzten Wand im ersten Stock die Potsdam-Ansichten aus den frühen 1990er Jahren – an der gegenüberliegenden Seite die Bilder aus Amsterdam. Sofort fällt ins Auge, was Dettmar hier wie dort faszinierte: Die Schattierungen der Farbe Rot. Mal bordeaux, mal blutrot, mal beinahe orange. An der Farbe Rot mag Dettmar, was er an Kunst überhaupt mag: die Kraft.

In Amsterdam ist der Farbauftrag schrundiger, die Perspektive offener. Plätze sind erkennbar, die Stadt scheint mehr zu atmen. Das Holländische Viertel ist farblich in helleren Rottönen gehalten, und doch wirkt es verschlossener. „Ich habe das so gemalt, wie ich es damals gesehen habe“, sagt er. Was er sah: rot leuchtende Fassaden in Frontalansicht, darüber ein weißer Himmel. Dunkle Fensterhöhlen. 1993 war das Jahr, in dem die Kulturschaffenden der fabrik ihre Bleibe in der Gutenbergstraße räumen mussten. Bei Dettmar davon keine Spur. Stattdessen pure, überzeitliche Form.

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