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„Where the boys are“ war in der Turnhalle der Voltaireschule zu Gast, bevor es an der fabrik uraufgeführt wird.

© Jonas Zeidler/Fabrik Potsdam

Turnen, Treten, Tanzen: „Where the boys are“ an der Voltaireschule

Mit dem Jugendstück zeigt die fabrik exemplarisch, was das Projekt „Explore Dance“ seit 2018 ausmacht: Tanz in die Schulen bringen - und Schüler zum Tanz.

Einmal, im vielleicht schönsten Moment, geht einer der beiden Tänzer in „Where the boys are“ die Wände hoch. Gestützt auf die Schultern des anderen, tasten sich die Füße immer höher die Turnhallenwand nach oben, bis der Körper eine fast gerade Linie ist. Der Kopf unten, die Füße in der Luft. Der Tänzer Andrius Nekrasoff scheint dieser Turnhallenwelt kopfüber davonzulaufen.

Bevor die Choreografie von Yotam Peled am Freitagabend (24.3.) an der fabrik offiziell Uraufführung feiern wird, hatte sie am Donnerstag in der Turnhalle der Voltaire-Gesamtschule Premiere: morgens um zehn, nach der ersten Hofpause. Die rund 100 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen zehn bis zwölf sitzen auf Matten und Sportbänken, einige auf Turnböcken. Bevor es losgeht, ein Warm-up: gehen, stehen, Slow Motion. Dann das Ganze mit Augen zu. Das Gekicher ist groß. Unterdrückt begegnet man ihm auch während des Stücks wieder - wenn es emotional wird.

Tabuisierte Nähe

Der Choreograf Yotam Peled, geboren in einem Kibbuz und seit 2015 in Berlin, mag es, wenn die jungen Erwachsenen beim Zusehen kichern. Er ermutige jede Art der Emotion, sagt er. „Vieles von dem, was wir zeigen, ist ja in der Tat sehr peinlich. Gerade die Nähe von Jungen ist heutzutage selten Thema.“ Diese in Zeiten toxischer Männlichkeit tabuisierte Nähe untersucht „Where the boys are“ eindringlich. Die Tänzer balgen und umarmen sich, üben Boxen und Tritte, nehmen sich in den Schwitzkasten und berühren sich zart. Immer im Wechsel.

„Where the boys are“ ist Teil von „Explore Dance“. So heißt das Programm, mit dem die fabrik seit 2018 Kinder- und Jugendtanztheater am eigenen Haus und in der Stadt verankern will. Dabei hilft ein prominentes Netzwerk: Kampnagel Hamburg, Fokus Tanz München und Dresden Hellerau. Grundlage ist der Förderfond „Tanzpakt Stadt-Land-Bund“, auch die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg sind beteiligt. Für die fabrik bedeutete das eine wesentlichen Aufwuchs pro Jahr: Für 2023 sind das 260.000 Euro.

Anfangs war die Zurückhaltung der Schulen groß. Nur vier fanden sich 2018 bereit. Die Pandemie bremste das Projekt, aber „inzwischen haben wir zumindest in der Hinsicht die Pandemie überwunden“, sagt Johanna Simon, an der fabrik mit Jeanne Chapy für das Projekt verantwortlich. Die Beteiligung spricht für sich: Heute sind zwanzig Potsdamer Schulen bei „Explore Dance“ dabei.

Aber obwohl es 2022 eine Verlängerung für anderthalb Jahre gab, ist nach jetzigem Stand Ende 2023 Schluss mit „Explore Dance“. Die Förderung läuft aus. Damit es weitergehen könne, sei fabrik-Leiter Sven Till zufolge „eine Fortführung der kommunalen Förderung in der bisherigen Höhe als eine Grundfinanzierung dringend notwendig.“ Das wären 50.000 Euro.

Auch Uta Schrader, Lehrerin im Fach Darstellendes Spiel an der Voltaireschule, will die Zusammenarbeit fortsetzen. „Es war von Anfang an ein Treffen auf Augenhöhe zwischen den Tänzern und den Schülern“, sagt sie. Dabei habe die Bewegungssprache eine große Rolle gespielt. Capoeira, Kickboxen, Breakdance: All das klingt in „Where the boys are“ an. „Als es um Karate ging, haben ein paar sofort gesagt: Das machen wir auch.“

Zehn- und Elftklässler aus Schraders Kurs haben das Stück mehrere Monate lang begleitet. Ein erstes Treffen mit Peled gab es im November. Man sprach über Themen, die die Jugendlichen umtrieben, veranstaltete Bewegungsworkshops. „Am meisten gefiel ihnen die Ruhe, zu der wir fanden“, sagt Peled. „Die Tatsache, dass mal niemand etwas von ihnen wollte.“ Und noch etwas schafft „Explore Dance“, was Schule nicht immer schafft, sagt Peled. „Austausch, in einem geschützten Rahmen. Das Gefühl der Gemeinsamkeit.“

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