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„Hertz – Die Welt ist Schwingung“ wurde am Donnerstag in Potsdam uraufgefühert.

© Foto: Jennifer Rohrbacher

Uraufführung in Potsdam: Albtraumhafte Schwingungen in der fabrik

Das neue Stück von Laura Heinecke feierte am Donnerstag Premiere. Die Zuschauer:innen erlebten eine energetische Beschreibung der Gegenwart.

Von Astrid Priebs-Tröger

Poetisch-beschwingt klingt der Titel von Laura Heineckes neuestem Stück, das am Donnerstagabend in der fabrik im Rahmen des Tanzherbstes uraufgeführt wurde: „Hertz – Die Welt ist Schwingung“. Doch statt poetisch-beschwingt hat das Stück sich als dunkel-albtraumhaft erwiesen.

Ganz am Anfang stehen die drei Performerinnen Aura Antikainen, Dagmar Ottmann und Sarantoula Sarantaki im Dreieck bewegungslos auf dem weißen Tanzboden. Das Publikum strömt lärmend an ihnen vorbei, doch sie gehen augenscheinlich nicht mit diesem in Resonanz.

Am Anfang herrscht Stille

Nachdem sich das Publikum auf den Plätzen geordnet und beruhigt hat, beginnt die knapp einstündige Performance, die von der Minimal-Music-Tonspur, die Ralf Grüneberg komponiert hat, wesentlich beeinflusst und geprägt ist. Anfangs jedoch herrscht Stille, während sich die drei Performerinnen kaum merklich in sich selbst und mit den anderen einschwingen und langsam wie an langen Fäden hängend sachte zu pendeln beginnen.

Nachdem erste Töne erklingen und genauso schnell wieder verschwinden und die Frauen sich immer noch am selben Fleck bewegen, bekommt die Musik nach kurzem hörbarem Wassertröpfeln eine dunkel-dräuende Atmosphäre und die Bewegungen der Tänzerinnen werden größer und dynamischer. Bei ihnen entwickelt sich offenbar fast so etwas wie „Widerstand“ gegen diese zu hörenden, auch körperlich spürbaren Frequenzen.

Laura Heinecke forschte zum Thema Schwingungen

Das verstärkt sich, als im Mittelteil der in weiß, blau, lilafarbig beleuchteten Performance (Licht: Ralf Grüneberg) das gleichmäßige harte Stampfen der nackten Füße der Frauen seinerseits auf die Minimalmusic überzugreifen scheint. Die bewegt sich jetzt in dumpf klopfenden Frequenzen von 120 Hertz – und man hat das Gefühl, dass es den Herzschlag negativ beeinflusst und man nur noch eines will, nämlich raus aus dieser bedrückenden (Herz-)Enge, die diese beklemmende Tonspur an dieser Stelle verursacht.

Laura Heinecke, die in „Hertz“ zum ersten Mal selbst nicht mittanzt, sondern ausschließlich choreografierte, forschte im vergangenen Jahr mit einem Team aus Körperpraktiker:innen und Wissenschaftler:innen zum Thema Schwingungen. Experimentiert wurde auf visueller, akustischer und somatischer Ebene mit Wellenlängen, Tonhöhen, Vibrationen und Rhythmus. Diese Forschung sei für sie noch lange nicht zu Ende, sagt Laura Heinecke im Gespräch.

Und wenn am Ende von „Hertz – Die Welt ist Schwingung“ beinahe wieder der ruhige Ausgangszustand hergestellt scheint, drängt sich der Eindruck auf, dass das im Titel der Performance zumindest lautmalerisch vorkommende „Herz“ oder irgendetwas Freudiges oder Feuriges gefehlt hat. Auch die Farbgebung in Blau-, Weiß- und Lilatönen war eher kühl als warm. In Lila ist Rot zwar enthalten, aber es entwickelt nicht dieselbe Energie wie im Urzustand. Und so wirkt „Hertz“ auch wie der dramaturgische Auftakt einer mehrteiligen Reihe.

Versteht man die Performance jedoch als energetische Beschreibung der Gegenwart, dann erfassten die unheilvoll dräuenden Töne, und das, was sie auslösten, mit seismografischer Genauigkeit die dystopische Zeit, in der wir gerade leben. Wie, als ob sich die Performerinnen herauskämpfen und letztendlich wieder neu formieren mussten.

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