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Neuer Leiter, alte Prinzipien. Literaturkritiker Leiter Denis Scheck setzt in Potsdam weiterhin auf Prominenz und politische Aktualität.

© Dirk Bleicker

Was hat Denis Scheck in Potsdam vor?: Der neue Leiter stellt sein Programm für Lit:Potsdam vor

Von Madame Nielsen bis Peter Wohlleben: Die 11. Ausgabe des Literaturfestivals verbindet politische Aktualität mit viel Prominenz. Ein in Potsdam erprobtes Prinzip.

Das Motto hat es in sich: „Wenn das vorbei ist / This Too Shall Pass“ wird die 11. Ausgabe des Potsdamer Literaturfestivals überschrieben sein. Es ist die erste unter dem neuen Leiter Denis Scheck, der von Interims-Chef Thomas Böhm das Ruder übernommen hat. Schon Böhm gehörte zu den bekannten Literaturvermittlern im Land, mit Scheck ist nun der durch sein TV-Format „Druckfrisch“ medial wohl präsenteste Literaturkritiker der Republik in Potsdam am Start. Anders als sein Vorgänger scheut Scheck auch keine Verrisse.

Wird das ein „What Denis likes“-Format?

Was bedeutet das für ein Festival, das sich in den Jahren unter Festivalgründerin Karin Graf einen Ruf als Veranstaltungsort erarbeitet hat, an dem aktuelle politische Debatten ebenso ihren Platz finden wie Publikumsrenner und Familienfeste? Wird das Festival zu einem reinen „What Denis likes“-Format? Wer die Vermutung, wie auf der digitalen Auftaktpressekonferenz geschehen, in den Raum stellt, lernt: So falsch ist das nicht. „Ich kann es nicht ganz verhehlen“, sagt Scheck, zugeschaltet vom VIP-Bereich des Frankfurter Hauptbahnhofs.

Writer in Residence in Potsdam. Madame Nielsen, bis 2001 tätig unter dem Namen Claus Beck-Nielsen, veröffentlichte zuletzt auf Deutsch „Lamento“ (2022).
Writer in Residence in Potsdam. Madame Nielsen, bis 2001 tätig unter dem Namen Claus Beck-Nielsen, veröffentlichte zuletzt auf Deutsch „Lamento“ (2022).

© Frederike van der Straaten

Soll heißen: Er werde sich nicht verstecken oder verstellen. Man werde sicher keine Bestsellerautor:innen in Potsdam antreffen, nur weil sie viel Publikum anziehen. Dafür aber Gäste mit Querverbindung in Schecks Vita: Mit den Geschichten, denen Schauspieler Andreas Fröhlich seine Stimme leiht, sei er selber groß geworden, so Scheck. Fröhlich ist Bob Andrews aus den „Drei ???“-Hörspielen und die deutsche Stimme des Gollum aus J.R.R. Tolkiens „Mittelerde“.

Für Denis Scheck, Jahrgang 1964, steht der eigenen Auskunft nach das Menschliche bei Literaturveranstaltungen im Vordergrund: Man wolle wissen, wie Autor:innen sich gäben, das Werk sei vielen ja ohnehin bekannt. Dass dieser Ansatz auch mal der Literaturvermittlung in die Quere kommen kann, war bei Schecks Einschätzung der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux zu erleben: Scheck hatte sie in der Tagesschau mit Pippi Langstrumpf verglichen.

Denis Scheck liegt auch mal daneben

Zum Glück für Potsdam aber lässt sich sagen: Der Geschmack von Denis Scheck lässt eine vielversprechende Bandbreite zu, die quasi nahtlos an das in Potsdam erprobte Prinzip „Bestseller trifft politische Debatte“ anschließt. „Nationalförster“ (Scheck) Peter Wohlleben eröffnet das Festival, Bestsellerautorin Mariana Leky kommt ebenso zu Besuch wie Joachim Meyerhoff, der – alle Achtung – unveröffentlichte Texte liest.

Der ukrainische Friedenspreisträger Serhij Zhadan performt „als Disco-Update“ ukrainische Dichter:innen der 1920er Jahre, moderiert von keiner Geringeren als Sasha Marianna Salzmann. Und zum Abschluss tritt Buchpreisträger:in Kim de L’Horizon an, um mit einer Lesung aus dem preisgekürten Erstling „Blutbuch“ fluide Gendergrenzen zu umtänzeln.

Vieles davon macht neugierig, auch wenn sich das Festival nicht neu erfindet. Scheck sucht nicht den Bruch mit Gründerin Graf oder Vorgänger Böhm, beide kennt er lange. Nur die internationale Komponente des Festivals will Scheck, der Vergleichende Literaturwissenschaft studiert hat, ausbauen. Was womöglich als Auftakt dafür zu verstehen ist: Die dänische Performerin Madame Nielsen soll das Format des Artist-in-Residence wiederbeleben.

Was auch bleibt: Ein großes Schulprogramm, ein Bücherfest, ein Tag im Zeichen regionaler Kräfte. Diesmal mit Julia Schoch, John von Düffel und den beiden Fontane-Experten Iwan-Michelangelo D’Aprile und Peer Trilcke. Auch der Blick auf den Medien- und Literaturbetrieb wird in Form eines Symposiums geprobt: Einen Tag lang soll es um die digitale Zukunft der Medienbranche gehen. Veranstaltungsort ist der Garten der Villa Schöningen, die Springer-CEO Mathias Döpfner gehört. Der Titel der Tagung: „Provokation als Geschäftsmodell?“

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