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Die Auftragsbücher der Unternehmen füllen sich vielerorts wieder.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Deutsche Wirtschaft ist widerstandsfähig: Kein Grund zur Panik – aber auch keiner für Entwarnung

Neue Zahlen zu Konjunktur und Inflation zeigen: Trotz Krieg und Krisen steht Deutschland wirtschaftlich besser da als erwartet. Doch die großen Herausforderungen liegen noch vor uns.

Ein Kommentar von Felix Kiefer

Wer in diesen Tagen Fachleuten aus Statistik und Ökonomie zuhört, gewinnt einen ungewohnt positiven Eindruck: Deutschland entgeht vorerst der Rezession. Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im vergangenen Quartal weniger stark als erwartet. Auch in den Monaten zuvor lief es nach heutigem Wissens besser als gedacht.

Dazu steigen die Preise geringer als prognostiziert. Die Inflation in Deutschland ist im Oktober auf den niedrigsten Wert seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gefallen, im Euroraum gar auf den geringsten Stand seit Juli 2021. Noch dazu überholt Deutschland in diesem Jahr laut Internationalem Währungsfonds (IWF) Japan und soll zur drittgrößten Volkswirtschaft hinter den USA und China aufsteigen.

Die angesichts der kurzfristigen Konjunkturschwankungen von einzelnen Politikerinnen und Politikern sowie Medienhäusern mantraartig vorgetragene Diagnose von Deutschland als wirtschaftlich „krankem Mann“ erweist sich als voreilig. Und doch gibt es keinen Anlass für blinden Optimismus.

Tatsächlich ist die wirtschaftliche Lage aktuell besser als von vielen behauptet oder erwartet. Auch weisen verschiedene Indikatoren darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft ihre Talsohle bereits erreicht hat.

Das Bruttoinlandsprodukt ist im abgelaufenen Quartal zwar um 0,1 Prozent zurückgegangen. Doch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gingen in ihrer Gemeinschaftsprognose Ende September noch von einem Minus von 0,4 Prozent aus. Für das kommende Quartal wird gar mit einem leichten Plus gerechnet.

Dass sich die Stimmung aufhellt, lässt sich auch an den Geschäftserwartungen der Unternehmen und einzelner Sektoren ablesen.

Der ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Oktober erstmals seit einem halben Jahr. In der Industrie erholt sich die Produktion langsam. Die Auftragsbücher füllten sich zuletzt wieder. Insgesamt dürfte die Nachfrage nach Produkten aus Deutschland durch eine bessere weltwirtschaftliche Lage steigen: Sowohl die chinesische als auch die US-Wirtschaft verzeichneten im letzten Quartal ein kräftiges Wachstum von rund fünf Prozent. Auch im Bausektor hellt sich die Lage etwas auf: Die Branche verzeichnete dank Großaufträgen zuletzt ein Auftragsplus von über zehn Prozent. Und auch der Dienstleistungsbereich wächst – wenn auch gedämpft durch die weiter hohe Inflation.

All das nährt die Hoffnung auf einen allmählich einsetzenden Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Und doch gibt es keinen Grund zur Entwarnung.

Das wirtschaftliche Wachstum hierzulande ist seit über siebzig Jahren an das Verbrennen fossiler Energien gekoppelt. Die Art und Weise, wie wir (und andere Nationen) wirtschaften, hat zur konstanten Verschärfung der Klimakrise beigetragen.

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Dazu sind kräftige Wachstumsraten wie in der Vergangenheit weder kurz- noch langfristig in Sicht. Aktuell übertrifft Deutschland Japan vor allem wegen der Schwäche des Yen. Im internationalen Vergleich schrumpft es im laufenden Jahr dagegen als einzige Industrienation. Auch für das kommende Jahr prognostiziert der IWF ein Wachstum deutlich unter dem Durchschnitt der G7-Staaten.

Gleichzeitig steht Deutschland vor massiven Herausforderungen.

Als Folge der jahrelangen Sparpolitik sind Verkehrswege, Schulen und digitale Infrastruktur in einem teilweise katastrophalen Zustand.

Immer weniger Beschäftigte müssen immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren. Ohne mehr qualifizierte Zuwanderung droht eine weitere Verschärfung des Arbeits- und Fachkräftemangels. Neue Umfragehochs für Rechtspopulisten helfen dabei wenig.

Darüber hinaus stottert der deutsche Exportmotor. Die ohnehin großen geopolitischen Risiken haben durch den Krieg im Nahen Osten noch einmal zugenommen. Weltweit hohe Zinsen dämpfen sowohl Investitionen als auch Nachfrage. Wie kein anderes Land hängt Deutschland wirtschaftlich von den Weltmärkten ab.

Politik und Wirtschaft müssen sich diesen Herausforderungen entschlossen stellen, sonst droht Deutschland die Grundlage seines Wohlstandsmodells wegzubrechen. Die Folge daraus wäre keine kurzfristige Panik einzelner, sondern ein umfassender Kollaps unserer Gesellschaft.

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