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Das Gehaltsgefälle an der TU zuungunsten von Professorinnen ist noch einmal größer als im bundesweiten Schnitt.

© Getty Images/Hill Street Studios

Gender-Pay-Gap an Berliner Unis: An der TU verdienen Professorinnen 800 Euro weniger

Auch an der Technischen Universität sind die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen enorm. Die TU-Präsidentin erklärt, was sie dagegen machen will.

An Berlins Hochschulen ist die Gleichstellung auf den ersten Blick fast erreicht, zumindest bei den Berufungen auf Professuren. 2022 hat der Frauenanteil dabei 49 Prozent erreicht. Umso spannender ist, was jetzt voneinander unabhängige Gehaltanalysen von Humboldt-Universität (HU) und Technischer Universität (TU) Berlin ergeben haben.

An der HU verdient wie berichtet eine Frau in der höchsten Besoldungsgruppe W3 für beamtete Hochschullehrende im Schnitt 727 Euro weniger als ein Mann. Und jetzt zeigt sich: Auch an der TU gibt es einen Unterschied zwischen den Gehältern von Professorinnen und Professoren – und zwar einen noch deutlicheren als an der HU.

„Frauen auf W3-Professuren verdienen bei uns real ungefähr 800 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen, wenn man die verhandelbaren Leistungsbezüge vergleicht“, sagt TU-Präsidentin Geraldine Rauch. „Männer kommen damit bei den Leistungsbezügen etwa auf im Schnitt anderthalbmal so viel wie Frauen.“ In einigen Fächern sei der Unterschied extremer als in anderen, „aber er ist überall da.“ Bei W2-Professuren liege er im Schnitt bei etwa 600 Euro – im Vergleich zu 327 Euro an der HU.

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Damit ist das Gender Pay Gap an der TU nicht nur höher als an der HU, er liegt auch über dem Wert, den das Statistische Bundesamt für ganz Deutschland und alle Berufe ermittelt hat: Frauen mit vergleichbaren „Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien“ wie Männer verdienten demnach 2022 im Schnitt sieben Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. An der TU aber verdienen W3-Professorinnen im Schnitt sogar rund neun Prozent weniger als W3-Professoren.

Das ist Willkür. Und eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung.

Geraldine Rauch, TU-Präsidentin

So viel zur vermeintlich fast erreichten Gleichstellung an den Berliner Hochschulen am Beispiel TU. Aber wie kann das sein, wenn es doch mit W1, W2 und W3 festgelegte Besoldungsgruppen für Professoren gibt? Die erste Begründung: An den Hauptstadt-Unis sind die persönlichen Zulagen auf das Grundgehalt besonders hoch, und der größte Teil davon wird individuell ausgehandelt zwischen Universität und Neuberufenen, wie eine Analyse des Deutschen Hochschulverbandes unlängst zeigte.

Behandeln die TU-Fakultäten Männer also großzügiger als Frauen? Vielleicht weil in den verantwortlichen Positionen auch immer noch überwiegend Männer sitzen?

Ganz so einfach, sagt Rauch, sei es dann doch nicht. Es gebe außer dem Geschlecht weitere Einflussfaktoren, die man beachten müsse, das Alter der Professoren und Professorinnen zum Beispiel. Viele der berufenen Frauen seien jünger, insofern sei es oft ihre erste Professur, während Männer häufiger mit Gehaltsaufschlag von anderswo hergewechselt seien.

Frauen hätten im Schnitt auch weniger Bleibeverhandlungen hinter sich, die ebenfalls mehr Extra-Geld brächten. Außerdem hänge die Höhe der Zulagen auch von der Forschung- und Publikationsleistung ab, gute Leistungsindikatoren für Forschung seien aber schwierig zu definieren. „Viele gängige Leistungsindikatoren kann man sicherlich kritisieren“, sagt Rauch, „aber Forschungsleistung spielt bei den Gehaltsverhandlungen eine große Rolle.“

Fragwürdige Leistungsindikatoren

Oft werde etwa die Summe der Drittmittel, die Forschende einwerben, betrachtet. Diese liege in experimentellen Fächern aber meist höher als in theoretischen Fächern. „Und der Männer- und Frauenanteil unterscheidet sich eben auch von Fach zu Fach“, sagt Rauch.

Sie sagt aber auch: „Selbst wenn man diese Faktoren einberechnet, bleibt immer noch eine enorme Abweichung zwischen den Gehältern von Professorinnen und Professoren, die sich nicht durch andere Gründe erklären lässt.“ Man könne jetzt nach allen möglichen weiteren Erklärungen suchen oder aber einfach feststellen: „Das ist Willkür. Und eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung.“ 

Ebenfalls erstaunlich: Sie wird nicht kleiner. Die TU-Verwaltung hat alle vorliegenden Gehaltsdaten nach Eintrittsdatum ausgewertet, und der Gender Pay Gap blieb über die ganze Zeit in etwa gleich.

TU-Präsidentin Geraldine Rauch. Sie will über eine Weiterentwicklung der Berufspraxis reden.

© TU Berlin/PhilippArnoldt

Und nun? Geraldine Rauch sagt, der erste Schritt zu einer Veränderung sei, eine vernünftige Datenlage herzustellen. „Wichtig ist es, über einen langen Zeitraum und über alle Fächer hinweg den Gender Pay Gap systematisch auszuwerten. Hier wollen wir mit gutem Beispiel voran gehen.“ Das sei ihr ein persönliches Anliegen, das sich mit dem des Akademischen Senats der TU treffe.

Mittlere Bezüge werden jetzt transparent gemacht

Der zweite Schritt sei, sagt die Mathematikerin, verschiedene Maßnahmen in Angriff zu nehmen. „Eine haben wir schon umgesetzt.“ Bevor es in Berufsverhandlungen gehe, bekämen die Verhandelnden auf Seiten der Uni jetzt jedes Mal vorab die mittleren Bezüge aller bereits berufenen Professorinnen und Professoren der Fakultät vorgelegt – „damit die Verantwortlichen sich zumindest des vorhandenen Bias bewusst werden“. Sie sei zuversichtlich: „Schon das wird etwas ändern.“

Außerdem will die Präsidentin über eine Weiterentwicklung der Berufungspraxis reden, in der die scheinbar so objektiven Leistungskriterien für Zulagen herangezogen werden. Sind sie wirklich geeignet, alle gleich zu behandeln, wie es Vorschrift ist? Oder benachteiligen einige davon Frauen möglicherweise?

Außerdem, sagt Rauch, müsse man die große Bedeutung von Bleibeverhandlungen hinterfragen. „Wir wissen, dass Frauen sich seltener von ihrer Professur wegbewerben als Männer. Wir sollten prüfen, ob wir auch unabhängig von externen Rufen für bestimmte Leistungen mehr Zulagen zahlen können.“

Aufgeregte Diskussionen sind TU und HU sicher – und die Aufmerksamkeit anderer Universitäten in Deutschland ebenfalls, weil der Gender Pay Gap an den meisten Orten kaum geringer sein dürfte. Denn klar ist: Für echte Gleichstellung braucht es mehr als nur den Professorentitel.

(Der Text ist zuerst auf dem Blog des Autors erschienen.)

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