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Die Gen-Schere Crispr/Cas9 (rot) ermöglicht Änderungen im Erbgut (blau) Schematische Darstellung.

© MIT

Therapie mit Gen-Schere: Ein Meilenstein in auch für die biomedizinische Forschung kritischen Zeiten

Die erste Crispr-Gentherapie ist nun auf dem Markt. Sie wird hoffentlich vielen Menschen Heilung bringen. Doch die ganz großen Schritte stehen noch aus.

Ein Kommentar von Richard Friebe

Die britischen Regulationsbehörden hatten vor ein paar Wochen vorgelegt. Nun folgt die auf diesem Gebiet als eher vorsichtig bekannte „Food and Drug Administration“ der USA mit der Zulassung einer ersten Gen-Therapie auf Basis von Crispr/Cas9. Nach dem jetzt zugelassenen Verfahren können Patientinnen und Patienten behandelt werden, die an Sichelzellanämie leiden, einer nicht seltenen Fehlfunktion des blutbildenden Systems.

Den Betroffenen werden Blutstammzellen entnommen. Eine bestimmte Klasse dieser Zellen wird dann im Labor genetisch gezielt verändert, sodass aus ihnen gesunde, runde rote Blutkörperchen gebildet werden können. Anders als jene krankhaft veränderten Sichelzellen können diese gut Sauerstoff transportieren und blockieren auch die Blutgefäße nicht.

Von der Entdeckung zur Anwendung in einem guten Dutzend Jahren

Grundsätzlich sind die Zulassungen ein Meilenstein. Denn erstmals gibt es jetzt eine in klinischen Studien erprobte und als sinnvoll und ausreichend sicher eingestufte Gentherapie auf Basis jenes Crispr/Cas9-Systems. Der Begriff steht für Bakterien-Enzyme, von denen die ersten schon vor fast 40 Jahren gefunden wurden.

Gentherapie bedeutet teure, aufwendige Forschung, und bislang teure Anwendung. Im Bild ein Mitarbeiter von Asklepios BioPharmaceutical, eines mittlerweile zu Bayer gehörenden Unternehmens.

© Foto: ---/Bayer AG/dpa

Vor gerade einmal 13 Jahren entdeckten Jennifer Doudna und die mittlerweile in Berlin arbeitende Emmanuelle Charpentier, dass man diese Enzyme als recht präzise Gen-Schere nutzen und so potenziell auch krankhafte Gene reparieren kann. Beide haben mittlerweile eine Nobel-Medaille in der Schublade. Denn diese Entdeckung war der grundlegende Meilenstein, der nun den therapeutischen Meilenstein erst möglich machte.

6000
Ungefähre Zahl der derzeit bekannten genetisch bedingten Krankheiten.

Jetzt können viele Erkrankten auf Heilung hoffen. Doch das Verfahren ist keine Blaupause für universelle Therapien gegen alle möglichen genetisch bedingten Krankheiten. Die Therapie ist teuer und auch nicht ungefährlich, denn das alte Knochenmark mit den defekten Zellen muss per aggressiver Chemotherapie weitgehend abgetötet werden, damit das reparierte, zurück transplantierte sich etablieren kann. Zudem ist logischerweise dieser Ansatz bei anderen kranken Geweben, die man nicht mal eben entnehmen und im Labor verändern kann, kaum möglich. Und auch Fehler beim genetischen Scherenschneiden, deren Folgen sich erst Jahre nach der Therapie zeigen würden, sind nicht ausgeschlossen.

Eingriffe im und am Erbmaterial

Deshalb würden Genmediziner gerne bald die nächsten und übernächsten Meilensteine setzen. Hier geht es um molekulare Details, die in der medizinischen Praxis aber große Bedeutung haben dürften. Da ist etwa die Möglichkeit, anders als bei der bisherigen Technik, gezielt einzelne Bausteine im Erbmaterial auszutauschen – oder ganze Gene oder Gene regulierende Erbgutabschnitte. Es sind bereits etwa Therapien in der Erprobung, in denen krankmachende Erbanlagen in der Lunge direkt repariert werden könnten. Auch Ansätze, nicht im, sondern auf dem Erbmaterial einzugreifen und so problematische Abschnitte gleichsam abzuschalten, gibt es.

Bestückung von Petrischalen mit Medium für Zellkulturen, wie sie auch in den Laboren der Crispr-Forscher verwendet werden.

© Getty Images/iStockphoto

Möglich erscheint im Prinzip fast alles – Heilung vieler bislang unheilbarer Krankheiten einerseits, aber auch „Risiken und Nebenwirkungen“, die Eingriffe in die molekulare Lebensmaschinerie erfahrungsgemäß oft bereithalten.

Tatsache ist: Viele von genetisch bedingten Krankheiten Betroffene warten – und können nicht ewig warten. Tatsache ist auch: Solche Forschung, die auch mögliche technische und ethische Stolpersteine, die oft vor den Meilensteinen auftauchen, stets im Blick hat, braucht Ruhe, Zeit, Ressourcen, Austausch, Transparenz. Und, ja: Frieden. Was etwa russische und chinesische Fachleute gerade machen, erfährt die wissenschaftliche Öffentlichkeit allenfalls teilweise. Und ein paar der weltweit führenden Crispr-Forschenden arbeiten in Israel. Ihr Beitrag fällt derzeit weitgehend aus.

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